Menschenrechte sind nicht verhandelbar!
Argumente für Fairness und Offenheit in der Flüchtlingspolitik
Wir alle erleben es gegenwärtig: Die Folgen der krisenhaften Entwicklungen weltweit haben längst Europa und auch Deutschland erreicht. Bedenkliche Anzeichen sind die Schwächung demokratischer und offener Gesellschaften, das Erstarken der Rechten mit ihren angeblich so einfachen »nationalen Lösungen« und die Häufung von Fake News in vielen Medienkanälen.
Diese Entwicklung betrifft auch die europäische und deutsche Flüchtlingspolitik. Kein Tag vergeht, an dem nicht die Angst vor geflüchteten Menschen geschürt wird. Häufig geht es in der Debatte nicht mehr um tatsächliche Lösungen, sondern nur noch darum, abzuschrecken und abzuschieben.
Flüchtlingspolitische Fragen werden missbraucht, um die Verantwortung für gesamtgesellschaftliche Versäumnisse und infrastrukturelle Mängel auf andere zu schieben. Jedoch: Wenn sich Mehrheiten zusammenfinden, um Minderheiten ihre Rechte zu nehmen, erodieren zugleich Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Genau das ist gegenwärtig der Fall!
Wir vermissen im öffentlichen Diskurs konstruktive und menschenrechtsgeleitete Vorschläge. Vergessen werden dabei auch die Erfolge der Flüchtlingsaufnahme nach 2015 oder die Aufnahme von einer Million Menschen, die 2022 aus der Ukraine flüchteten. Dabei zeigen die Beispiele: Die Gesellschaft kann viel, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Dazu gehört auch, die immense Arbeit der Zivilgesellschaft zu würdigen und in jeder Hinsicht zu unterstützen.
Unsere Position in dieser Krise ist und bleibt klar: Menschenrechte und Menschenwürde sind Kernbestandteile unseres Zusammenlebens, die wir niemals aufgeben dürfen. Wenn wir grundsätzliche Werte relativieren, indem wir sie Menschen absprechen, die um Asyl bitten, verlieren wir unseren moralischen Kompass. Herkunft, Religion, Hautfarbe, sexuelle Identität – nichts davon kann und darf bei der Aufnahme asylsuchender Menschen eine Rolle spielen. Es gibt keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse.
Unsere Position in dieser Krise ist und bleibt klar: Menschenrechte und Menschenwürde sind Kernbestandteile unseres Zusammenlebens, die wir niemals aufgeben dürfen.
Das Recht auf Asyl, der Schutz vor Zurückweisung sind unveräußerlich. Völkerrechtlich ist das in der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Grundrechte-Charta der EU und anderen Menschenrechtsabkommen verankert.
Wir haben Argumente zusammengestellt, die in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen weiterhelfen.
#1: Behauptung aus der Politik: Wir schaffen das nicht. Die Grenze der Aufnahmefähigkeit ist erreicht.
PRO ASYL sagt dazu:
Die Aufnahme von schutzsuchenden Menschen in Deutschland liegt in der Verantwortung der Länder und Kommunen. Zwar ist die Lage nahezu überall angespannt, aber es gibt dennoch Unterschiede. Dort, wo Strukturen, Netzwerke, Runde Tische und Personalstellen in der Integrations- oder Flüchtlingssozialarbeit nach 2016 nicht abgebaut wurden, sind die Kommunen aktuell besser gerüstet. Dies zeigen auch die jüngeren Erfahrungen: Wo die betreffenden Strukturen beibehalten oder sogar weiterentwickelt wurden, war man im Jahr 2022 besser auf die Aufnahme von bundesweit einer Million Geflüchteter aus der Ukraine sowie knapp 200.000 Asylsuchenden eingestellt.
Die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr zeigen auch deutlich, wie dem Mangel an behördlich organisierten menschenwürdigen Unterbringungen zumindest teilweise erfolgreich begegnet werden kann: Wenn Geflüchtete ihren Wohnort frei wählen können, wie die Geflüchteten aus der Ukraine, finden sie auch über private Kontakte Unterkunft. Dies bedeutet in der Praxis: Der Aufenthalt Asylsuchender in der Erstaufnahmeeinrichtung sollte generell auf eine möglichst kurze Dauer begrenzt sein. Allen sollte möglichst schnell eine private Unterbringung, zum Beispiel bei Freund*innen und Verwandten, ermöglicht werden. Dies führt zu einer deutlichen Entlastung des kommunalen Aufnahmesystems.
Darüber hinaus muss die Aufnahme und Integration schutzsuchender Menschen in den Kommunen finanziell endlich nachhaltig und ausreichend gefördert werden.
#2: Behauptung aus der Politik: Wir brauchen mehr Abschiebungen, um die Kommunen zu entlasten.
PRO ASYL sagt dazu:
Zunächst ist Folgendes festzuhalten: Derzeit bekommen über 70 Prozent der Menschen, deren Asylgründe vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft werden, Schutz in Deutschland. Die Quote liegt damit auf Rekordniveau und beweist, dass der allergrößte Teil der Menschen, die nach Deutschland kommen und Schutz suchen, sehr gute Asylgründe hat. Deshalb sollte der Fokus von Politik und Gesellschaft auf ihrer Aufnahme und Teilhabe und nicht auf Abschiebungen liegen.
Nun zur hohen Zahl der vermeintlich Abzuschiebenden: Diese Zahl verzerrt die Realität und ist bewusst irreführend. Denn wenn man von den angeblich circa 262.000 Ausreisepflichtigen die Menschen mit einer Duldung abzieht, bleiben gerade einmal etwas mehr als 51.000 vollziehbar Ausreisepflichtige ohne Duldung übrig. Von diesen stammen am Ende etwas mehr als 19.000 aus einem abgelehnten Asylverfahren, alle anderen sind zum Beispiel Menschen mit abgelaufenem Besuchsvisum und ausreisepflichtige EU-Bürger*innen (BT-DRS 20/8046, Antwort der Bundesregierung auf kleine Anfrage von Die Linke).
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass es für eine Duldung gewichtige Gründe gibt – unter anderem folgende: Menschen haben eine Duldung, weil sie krank, schwanger, in Ausbildung oder kurz vor einem Schulabschluss sind. Außerdem gibt es Länder, die ausreisepflichtige Staatsangehörige nicht zurücknehmen und Länder, in die nicht abgeschoben werden darf.
Eine neue Perspektive ergibt sich auch aus der Tatsache, dass aller Voraussicht nach noch rund 100.000 der Menschen, die in Deutschland geduldet sind, von einer großzügigen Anwendung des Chancen-Aufenthaltsrechts profitieren können. Das würde ihnen zu einer Aufenthaltserlaubnis verhelfen und die Zahl der Ausreisepflichtigen erneut drastisch verringern. Bis Ende August erhielten bereits 37.000 Menschen den Chancen-Aufenthalt. Die Zahl der Ausreisepflichtigen ist insbesondere dadurch erstmals seit vielen Jahren zurückgegangen, mit 14 Prozent sogar sehr deutlich.
Die Forderung nach Abschiebungen im »großen Stil« (Bundeskanzler Olaf Scholz, Spiegel Online 20.10.2023) stellt angesichts der realen Zahlen demnach eine unnötige populistische Verschärfung dar. Das geplante »Gesetz zur Verbesserung der Rückführung« wird dazu führen, dass Abschiebungen brutaler werden, eine Entlastung der Kommunen findet nicht statt.
#3: Behauptung aus der Politik: Wenn Sachleistungen an die Stelle von Bargeldauszahlungen gesetzt werden, sinkt für Flüchtlinge der Anreiz, nach Deutschland zu kommen.
Menschen fliehen vor Krisen, Krieg oder Verfolgung, allen voran aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei. Wenn in Deutschland Sozialleistungen gekürzt werden, hat das keinerlei Einfluss auf die Fluchtentscheidungen der Menschen. Zudem werden Geflüchtete durch diese Form der Bevormundung als Minderheit öffentlich stigmatisiert und in ihrer Menschenwürde verletzt.
Es gibt auch keine sachlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung zur Flucht dadurch beeinflusst wird, ob es im Aufnahmeland Geld, Gutscheine oder Bezahlkarten zum Überleben gibt. Und es existieren auch keine Belege dafür, dass eine Sachleistungsversorgung und ein Absenken der Sozialleistungen zu weniger Flüchtlingen führt (siehe Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags 2020 oder Faktenfinder der Tagesschau).
Es gibt keine sachlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung zur Flucht dadurch beeinflusst wird, ob es im Aufnahmeland Geld, Gutscheine oder Bezahlkarten zum Überleben gibt.
Aus unserer Erfahrung wissen wir: Eine Flucht- oder Migrationsentscheidung wird individuell und unter Abwägungen getroffen. Nach einer Untersuchung für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind vor allem der Aufenthaltsort von Freund*innen, Familie oder Community, die Sprache und auch die mutmaßlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt maßgebliche Gründe für Flüchtlinge, den Weg nach Deutschland zu suchen.
Und das Bundesverfassungsgericht urteilte bereits 2012 im Zusammenhang mit verweigerten Bargeldzahlungen, dass der vollständige Entzug von Bargeld nicht mit Artikel 1 (Menschenwürde) und mit Artikel 20 (Sozialstaatsprinzip) des Grundgesetzes vereinbar ist.
#4: Behauptung aus der Politik: Das ausgezahlte Bargeld wird von Asylsuchenden dazu missbraucht, Familien im Herkunftsland zu unterstützen und Schulden bei Schleusern abzustottern.
PRO ASYL sagt dazu:
Nach der jetzt bereits vorhandenen Sachleistungspraxis und den geltenden Regelsätzen des Asylbewerberleistungsgesetzes ist die Behauptung relevanter Geldtransfers schlicht realitätsfern. Der monatliche Betrag, der in bar an Asylsuchende ausgezahlt wird, liegt deutlich unter dem Sozialhilfesatz. Es ist kaum möglich, davon Geld an Angehörige oder Schlepper zu schicken. Erst, wenn die betroffenen Menschen hier entsprechende Arbeitseinkünfte haben, können sie ihren in Not zurückgebliebenen Familien womöglich spürbar helfen.
#5: Behauptung aus der Politik: Um die Sozialkassen zu entlasten, müssen Asylsuchende zur gemeinnützigen Arbeit gezwungen werden.
PRO ASYL sagt dazu:
Der Gedanke, mehr Geflüchtete in Arbeit zu bringen, ist richtig. Ein Zwang zur gemeinnützigen Arbeit ist hingegen ökonomisch wenig sinnvoll und überdies menschenrechtlich nicht vertretbar. Viel besser wäre es, vorhandene bürokratische Hürden abzubauen, damit Geflüchtete leichter in Arbeit kommen. Dies fordern wir seit vielen Jahren. Allerdings wurde von staatlicher Seite bislang vor allem deswegen an den Arbeitsverboten festgehalten, weil eine Verfestigung des Aufenthaltes und damit eine staatlich nicht gewollte »voreilige« Integration verhindert werden sollte.
Ein kurzer Blick in die Lage: Geflüchtete unterliegen nach wie vor einem Arbeitsverbot. Bisher dürfen Asylsuchende in der Regel erst nach neun Monaten arbeiten, zumindest grundsätzlich. Diese Wartefrist will die Bundesregierung nun auf sechs Monate verkürzen. Selbst wenn Geflüchtete arbeiten dürften, scheitern sie häufig daran, dass die Ausländerbehörden die Erteilung der Arbeitserlaubnis restriktiv handhaben. Bis Asylsuchende sich überhaupt auf den Weg zu den Arbeitsagenturen machen können, vergehen so in der Regel mindestens zwei Jahre.
Weitere Probleme, denen sich arbeitssuchende Flüchtlinge gegenübersehen: Ausländische Schul- und Universitätsabschlüsse werden oft nicht anerkannt; auf der Flucht verlorengegangene Zeugnisse und Dokumente führen zu langwierigen bürokratischen Verfahren; häufig liegen die Wohnheime, in denen Schutzsuchende zwangsweise untergebracht sind, weit weg von Städten mit entsprechenden Arbeitsplatzangeboten; Wohnsitzauflagen erschweren den Umzug zum möglichen Arbeitsplatz.
All dies hat unter anderem auch zur Folge, dass das Arbeitsplatzangebot für Flüchtlinge häufig nicht ihrer Qualifizierung entspricht. Eine Ärztin als Kellnerin, ein Physiker als Taxifahrer, das ist keine Seltenheit.
Unsere Schlussfolgerung: Flüchtlinge geraten in vielen Fällen völlig unverschuldet in prekäre Arbeitsverhältnisse oder auch in die Lage, länger staatliche Leistungen beziehen zu müssen. Dass Asylsuchende zu gemeinnütziger Arbeit gezwungen werden sollen, statt endlich die genannten bürokratischen Hürden zu beseitigen, ist weder gesellschaftspolitisch noch wirtschaftlich klug.
#6: Behauptung aus der Politik: Um die »illegale Migration« zu beenden, müssen die Grenzen geschlossen werden. Ob an der europäischen Außengrenze oder national.
An den europäischen Außengrenzen, zum Beispiel in Polen, Ungarn, Griechenland und den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, gibt es bereits hochgerüstete Grenzanlagen. Dies führt kaum dazu, dass weniger Flüchtlinge kommen – es erhöht nur das Risiko, dass mehr Menschen auf dem Fluchtweg sterben, weil sie die Zäune und Mauern auf gefährlichen Wegen umgehen müssen. Wer Schutz vor Verfolgung, Elend und Tod sucht, lässt sich durch Grenzhindernisse nicht dauerhaft aufhalten.
Aktuell werden 70% der inhaltlich beurteilten Asylanträge positiv beschieden. Aber auch diese Schutzberechtigten mussten »illegal« einreisen, weil Europa keine gefahrenfreien, regulären Wege für Flüchtlinge eröffnet.
Auch national wird eine Grenzschließung Deutschlands wenig bewirken, es sei denn, auch alle rechtlichen und moralischen Werte würden zugleich aufgegeben. Denn nach wie vor gilt: Menschen, die an einer deutschen Grenze ankommen und Asyl suchen, dürfen nicht abgewiesen werden. Sie haben ein verbrieftes Anrecht darauf, dass ihr Asylantrag geprüft wird. Und dass diese zumeist berechtigt sind, beweist der hohe Prozentsatz anerkannter Anträge von zurzeit 70. Diese Schutzberechtigten mussten »illegal« einreisen, weil Europa keine gefahrenfreien, regulären Wege für Flüchtlinge eröffnet.
#7: Behauptung aus der Politik: Eine Obergrenze für Asyl muss eingeführt werden. Diese Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen richtet sich danach, was für das Land verkraftbar ist.
Wer das fordert muss auch die Frage beantworten, was passiert, wenn der 200.001. Schutzsuchende an unserer Grenze steht: Bleibt dann die Grenze dicht, wird Asyl verweigert?
Verantwortliche Politiker*innen wissen sehr genau, dass diese Forderung nur umsetzbar wäre, wenn völkerrechtliche Vereinbarungen wie zum Beispiel die Genfer Flüchtlingskonvention, die Europäische Menschenrechtskonvention, die Europäische Grundrechtecharta und Teile des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland außer Kraft gesetzt würden.
Gesetzt, all diese Ausstiegsszenarien würden realisiert, bliebe am Ende immer noch eine entscheidende Frage: Wollen wir als Bürgerinnen und Bürger wirklich selbst in einer Gesellschaft leben, in der grundsätzliche Menschenrechte nicht mehr gelten?
#8: Behauptung aus der Politik: Das bestehende individuelle Asylrecht ist nicht mehr praktikabel. Es sollte durch vereinbarte, feste Aufnahmekontingente ersetzt werden.
PRO ASYL sagt dazu:
Kontingente wie die organisierte Aufnahme von Schutzsuchenden aus Drittstaaten (Resettlement) sind wichtige Elemente und Instrumente des globalen Flüchtlingsschutzes. Sie unterscheiden sich jedoch grundlegend vom individuellen Asylrecht und dürfen es nicht ersetzen. Wenn jemandem akut die Inhaftierung im Foltergefängnis droht, dann kann die Person nicht Monate bis Jahre auf eine humanitäre Aufnahme warten – sie muss sofort fliehen und Schutz bekommen können. Die spontane Flucht darf deswegen nicht verboten beziehungsweise verhindert werden, oft kann nur sie Menschen das Leben retten.
#9: Behauptung aus der Politik: Abkommen mit Transitländern sind die Lösung, um Menschen von Europa fernzuhalten.
PRO ASYL sagt dazu:
Solche Deals sind rechtlich, humanitär und moralisch inakzeptabel. Die Blaupause für diese Art Abkommen ist der EU-Türkei-Deal von Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan. Für Flüchtlinge hatte dieser Deal schwere und teilweise todbringende Folgen. In der Türkei wurden sie in Lagern festgesetzt und immer wieder auch illegal und mit brutaler Gewalt über die türkisch-syrische Grenze zurück in die Kriegsgebiete gezwungen.
In Griechenland löste der Deal eine permanente humanitäre Krise aus. In den EU- finanzierten Flüchtlingslagern auf den Ägäis-Inseln wurden und werden Schutzsuchende ihrer Rechte beraubt, physisch und psychisch verletzt.
Über all diese Verfestigung des Unrechts hinaus machte sich Europa erpressbar, denn sobald es zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien kam, öffnete Erdoğan die Grenzen Richtung Griechenland. Schutzsuchende Menschen wurden so zum Spielball eines autokratischen Regimes, das inzwischen selbst auf dem dritten Platz der Herkunftsländer von Asylsuchenden in Deutschland steht. In Griechenland stieg sowohl an der Landgrenze als auch in der Ägäis die Zahl illegaler und tödlicher Zurückweisungen auf eine traurige Rekordhöhe.
Ein weiteres Abkommen schloss die EU im Juli 2023 mit dem tunesischen Machthaber Kais Saied ab, der aus seiner rassistischen Haltung gegenüber Flüchtlingen vor allem aus der Sahel-Zone keinerlei Hehl macht. Bei der Unterzeichnung des Deals in Tunis blendeten die EU-Repräsentant*innen die Tatsache aus, dass schutzsuchende Menschen von tunesischen Sicherheitskräften über die Grenze hinaus in die Wüste deportiert wurden und dort qualvoll verdursteten.
#10: Behauptung aus der Politik: Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten werden durch »irreguläre Migrationsbewegungen« so stark unter Druck gesetzt, dass es statthaft ist, ihnen »mit physischer Gewalt« zu begegnen.
PRO ASYL sagt dazu:
Diese Behauptung bedeutet im Klartext nichts anderes als: Wenn es zum Beispiel einer Flüchtlingsfamilie mit zwei kleinen Kindern gelingt, die EU-Außengrenze zu überwinden, darf sie mit Gewalt über die Grenze zurückgeschafft werden. Die enorm hohe Zahl illegaler Zurückweisungen an den EU-Außengrenzen zeigt, dass dies bereits umfassende Praxis ist. Traurig genug an diesem Sachverhalt ist schon heute, dass sich involvierte Staaten wie z.B. Griechenland, Bulgarien, Ungarn oder Italien nicht mal mehr besonders viel Mühe geben, die Gewalttaten zu verschleiern.
Jedoch: Wenn solche Gewaltmaßnahmen nun tatsächlich auch noch legitimiert werden, ist eine weitere exzessive Zunahme brutaler Übergriffe absehbar. Neben all dem Leid und Schrecken, die zu befürchten sind, stellen wir uns die Frage, wohin das führen soll. Aus dem Rechtsraum EU würde definitiv ein Unrechtsraum, der sich kaum mehr von autokratischen Regimen unterscheiden würde: Alle begehen schwere Gewalttaten vor allem gegenüber schutzlosen Minderheiten – und am Ende sind sich alle darin gleich.