21.02.2024

Zwei Jah­re nach dem Über­fall Russ­lands auf die Ukrai­ne lehnt das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) wei­ter­hin rus­si­sche Verweiger*innen des Krie­ges ab und ver­pflich­tet sie, nach Russ­land zurück­zu­keh­ren. Con­nec­tion e.V. und PRO ASYL sind alar­miert über die ihnen vor­lie­gen­de Begrün­dung des BAMF, die das Risi­ko für die rus­si­schen Verweiger*innen, in einem völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg rekru­tiert zu wer­den, ignoriert.

Die Quo­te der Asyl-Aner­ken­nun­gen hat sogar abge­nom­men, wie Zah­len des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums zei­gen. „Nach unse­ren Erkennt­nis­sen trifft dies vor allem die­je­ni­gen Mili­tär­dienst­pflich­ti­gen, die sich schon recht­zei­tig vor einer Rekru­tie­rung dem Zugriff des Mili­tärs ent­zo­gen hat­ten. In letz­ter Kon­se­quenz bedeu­tet das, dass deut­sche Behör­den rus­si­sche Verweiger*innen dem rus­si­schen Mili­tär zur Rekru­tie­rung in einen völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg aus­lie­fern wer­den“, so Rudi Fried­rich, Geschäfts­füh­rer des Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rungs-Netz­werks Con­nec­tion e.V.

EU ver­schärft Visaregelungen

Zuletzt hat­te Con­nec­tion e.V. im Sep­tem­ber 2023 eine Ana­ly­se vor­ge­legt, wonach min­des­tens 250.000 Mili­tär­dienst­pflich­ti­ge aus Russ­land seit Beginn des Krie­ges gegen die Ukrai­ne das Land ver­las­sen haben und Schutz in ande­ren Län­dern suchen. Der größ­te Teil floh in süd­li­che Nach­bar­staa­ten wie Kasach­stan oder Geor­gi­en. Oft ist ihre Situa­ti­on dort pre­kär, weil sie häu­fig nur einen zeit­lich befris­te­ten Auf­ent­halts­sta­tus haben.

„Die Euro­päi­sche Uni­on hat zuge­las­sen, dass Visare­ge­lun­gen gegen­über mili­tär­dienst­pflich­ti­gen Russ*innen noch ver­schärft wur­den, statt ihre Ent­schei­dung gegen eine Teil­nah­me im Krieg zu unter­stüt­zen“, sagt Karl Kopp, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. Laut Euro­stat konn­ten daher zwi­schen Febru­ar 2022 und Ende 2023 nur etwa 9.000 mili­tär­dienst­pflich­ti­ge Män­ner aus Russ­land Asyl in einem Staat der Euro­päi­schen Uni­on beantragen.

Asyl­an­er­ken­nun­gen haben abgenommen

Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um leg­te im Sep­tem­ber 2023 detail­lier­te Zah­len zu männ­li­chen Asyl­an­trag­stel­lern in Deutsch­land zwi­schen 18 und 45 Jah­ren aus Russ­land vor. Für die ers­ten acht Mona­te 2023 kommt das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um zu dem Schluss, dass von 904 behan­del­ten Anträ­gen ledig­lich elf posi­tiv ent­schie­den wur­den, 33 wur­den abge­lehnt, in mehr als 800 Fäl­len wur­den die Betrof­fe­nen auf das Asyl­ver­fah­ren in ande­ren Län­dern wie Polen, Kroa­ti­en oder Finn­land verwiesen.

Damit ist die Aner­ken­nungs­quo­te von 2022 auf 2023 sogar noch gefal­len. Gab es im Jahr 2022 zumin­dest noch 40 Pro­zent posi­ti­ve Ent­schei­dun­gen bei den inhalt­lich geprüf­ten Asyl­an­trä­gen, so nahm die Quo­te für Janu­ar bis Sep­tem­ber 2023 ab und betrug nur noch 25 Prozent.

Con­nec­tion e.V. und PRO ASYL sind ins­be­son­de­re alar­miert dar­über, mit wel­chen Begrün­dun­gen das BAMF Asyl­an­trä­ge von Militärdienstentzieher*innen ablehnt. In einem Bescheid vom 29. Sep­tem­ber 2023 führt das Amt bei einem Reser­vis­ten, der bereits einen Ein­be­ru­fungs­be­scheid erhal­ten hat­te, aus, es erge­be sich „allei­ne aus der Ver­wei­ge­rung der Teil­mo­bi­li­sie­rung kei­ne Ver­fol­gungs­hand­lung“. Es sei zwar nicht aus­zu­schlie­ßen, „dass im Rah­men des Ukrai­ne­krie­ges und im wei­te­ren Ver­lau­fe des Kriegs­ge­sche­hens här­te­re Bestra­fun­gen gegen Mobi­li­sie­rungs­ent­zie­her aus­ge­spro­chen wer­den. Eine kon­kre­te Durch­set­zung ist nach aktu­el­ler Rechts­la­ge jedoch nicht beacht­lich wahrscheinlich.“

In völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg eingezogen

Abge­se­hen von einer mög­li­chen Straf­ver­fol­gung wird jedoch auf den ent­schei­den­den Umstand über­haupt nicht ein­ge­gan­gen: Der Antrag­stel­ler wür­de bei sei­ner Rück­kehr nach Russ­land mit gro­ßer Sicher­heit in den völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg gegen die Ukrai­ne ein­ge­zo­gen. Urtei­le der Ver­wal­tungs­ge­rich­te Hal­le und Ber­lin zei­gen, dass dies sehr wohl zu einer Aner­ken­nung füh­ren muss.

Die Pra­xis des Bun­des­am­tes zeigt, dass die Ankün­di­gun­gen aus der Poli­tik, sich für eine Aner­ken­nung der rus­si­schen Verweiger*innen ein­zu­set­zen, nicht viel wert sind. „Offen­sicht­lich gibt es Aner­ken­nun­gen nur bei Deserteur*innen, wie vom Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um ange­kün­digt. Die gro­ße Zahl der Militärdienstentzieher*innen wird jedoch abge­lehnt. Das ist ein uner­träg­li­cher Zustand“, so Rudi Fried­rich, Geschäfts­füh­rer von Con­nec­tion e.V.

Wer sich einem Krieg ent­zieht, ver­dient Schutz

PRO ASYL und Con­nec­tion e.V. for­dern von der deut­schen Bun­des­re­gie­rung, Mög­lich­kei­ten zu schaf­fen, Schutz und Asyl für Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rer, Mili­tär­dienst­ent­zie­her und Deser­teu­re zu garan­tie­ren. Dazu gehört:

  • Rus­si­sche Staatsbürger*innen müs­sen auch von Län­dern außer­halb Russ­lands, wo ihnen eine Abschie­bung nach Russ­land droht, Anträ­ge zur Auf­nah­me in die Euro­päi­sche Uni­on stel­len kön­nen. Ihnen soll­te der Weg zu huma­ni­tä­ren Visa ermög­licht werden.
  • Kei­ne Push­backs! Eine Auf­nah­me Schutz­su­chen­der kann nur gelin­gen, wenn die ille­ga­len Push­backs gestoppt wer­den und die Men­schen Zugang zu einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren erhal­ten. Aber die der­zei­ti­gen Rege­lun­gen für eine Visa­ver­ga­be hin­dern vie­le dar­an, siche­re Län­der zu erreichen.
  • Mit Blick auf Asyl oder einen ande­ren Auf­ent­halts­sta­tus müs­sen die EU-Län­der nicht nur Kri­te­ri­en für Deserteur*innen ent­wi­ckeln, son­dern vor allem Lösun­gen für die grö­ße­re Zahl der Militärdienstentzieher*innen fin­den. Sie wären bei einer zwangs­wei­sen Rück­kehr nach Russ­land einer Rekru­tie­rung für einen völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg unterworfen.
  • Die EU soll­te ein Auf­nah­me­pro­gramm beschlie­ßen, damit die­je­ni­gen rus­si­schen Staatsbürger*innen, die sich unter gro­ßem Risi­ko von der Regie­rung ihres Lan­des abge­wandt haben, Mög­lich­kei­ten der Aus­bil­dung und Beschäf­ti­gung erhalten.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen fin­den Sie im Hin­ter­grund­text von Con­nec­tion e.V. „Rus­sin­nen und Rus­sen, die sich dem Krieg ver­wei­gern“ sowie auf der PRO ASYL-Home­page in einer gekürz­ten Fas­sung, die im Lau­fe des Tages hier ver­öf­fent­licht wird.

PRO ASYL und Con­nec­tion e.V. sind Teil der #Object­War­Cam­paign, mit der sich euro­pa­weit mehr als 100 Orga­ni­sa­tio­nen für Schutz und Asyl von Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus Russ­land, Bela­rus und der Ukrai­ne einsetzen.

Kon­takt
Rudi Fried­rich, Con­nec­tion e.V., office@connection-ev.org, 069 82 37 55 34
Pres­se­stel­le PRO ASYL, presse@proasyl.de, 069 24 23 14 30

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