10.06.2019

PRO ASYL for­dert Abschie­be­ma­schi­ne­rie zu stoppen

Anläss­lich der am Mitt­woch star­ten­den Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz for­dert PRO ASYL, die Innen­mi­nis­ter der Län­der auf, die Situa­ti­on in den Haupt­her­kunfts­län­dern und die Unmög­lich­keit einer Rück­kehr in siche­re Ver­hält­nis­se zur Grund­la­ge ihrer Debat­ten zu machen. Die Situa­ti­on in den Her­kunfts­staa­ten Afgha­ni­stan, Syri­en und Irak ist unver­än­dert kata­stro­phal; im Sudan eska­liert die Lage.

PRO ASYL-Geschäfts­füh­rer Gün­ter Burk­hardt appel­liert: »Der Bun­des­tag hat auf Druck der Uni­on die Rechts­in­stru­men­ta­ri­en für eine wei­te­re Bru­ta­li­sie­rung der Abschie­be­ma­schi­ne­rie zur Ver­fü­gung gestellt. Nun ist es an den Innen­mi­nis­tern der Län­der eine poli­ti­sche Ent­schei­dung zu tref­fen.« PRO ASYL for­dert, die Abschie­be­ma­schi­nen nach Afgha­ni­stan zu stop­pen. Auch unter Flücht­lin­gen aus Syri­en darf durch kurz­fris­ti­ge Abschie­be­stopps kei­ne Panik geschürt wer­den, denn eine rea­lis­ti­sche Ana­ly­se zeigt, dass auf abseh­ba­re Zeit kei­ne siche­re Rück­kehr nach Syri­en mög­lich ist. Des­halb ist auch die flä­chen­de­cken­de Ein­lei­tung von Wider­rufs­ver­fah­ren zu been­den. Die Umstän­de in Syri­en haben sich nicht lang­fris­tig und nach­hal­tig geän­dert. Dar­über hin­aus erfor­dert die eska­lie­ren­de Lage  im Sudan einen umge­hen­den Abschiebungsstopp.

Infor­ma­tio­nen zu Herkunftsstaaten

Afgha­ni­stan

Über 3800 Zivilist*innen ver­lo­ren im letz­ten Jahr ihr Leben und noch nie star­ben in Afgha­ni­stan so vie­le Kin­der wie 2018. Abseits der gro­ßen Städ­te fal­len immer mehr Regio­nen unter die Herr­schaft der Tali­ban, sie kon­trol­lie­ren oder bedro­hen wich­ti­ge Ver­bin­dungs­stra­ßen. Über­land­rei­sen sind daher mit gro­ßen Risi­ken ver­bun­den. Anschlä­ge hat es in den letz­ten Jah­ren bis in die beson­ders gesi­cher­ten Zonen der Städ­te hin­ein gege­ben – mit vie­len Opfern. Im Okto­ber 2018 hat­ten die Regie­rungs­kräf­te laut SIG­AR-Report in nur noch 54 Pro­zent des Lan­des die voll­stän­di­ge Kon­trol­le. Die Tali­ban konn­ten ihre Gebiets­ge­win­ne im sel­ben Zeit­raum ver­dop­peln. Rund ein Vier­tel des Lan­des bleibt zwi­schen den Kriegs­par­tei­en kon­stant umkämpft.

Außer­dem wur­de kürz­lich bekannt, dass die von IOM betreu­te Über­gangs­un­ter­kunft in der Stadt nicht mehr zur Ver­fü­gung steht. Für Abge­scho­be­ne, die nicht über fami­liä­re oder sons­ti­ge Netz­wer­ke ver­fü­gen, ergibt sich dadurch das zusätz­li­che Pro­blem dro­hen­der Obdach­lo­sig­keit. Dabei gehen sie gro­ße Risi­ken ein, wenn sie sich in der Stadt bewe­gen. Durch rein finan­zi­el­le Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen kann die­ses Pro­blem nicht gelöst werden.

Syri­en

Die Ein­schät­zung aus dem Lage­be­richt des Aus­wär­ti­gen Amtes vom Novem­ber 2018, der eigens zu der dama­li­gen IMK erstellt wur­de, legt über­zeu­gend dar, dass die Assad-Dik­ta­tur ihren Repres­si­ons­ap­pa­rat wei­ter aus­ge­baut hat, dass die unter­schied­li­chen Geheim­diens­te fak­tisch kei­nen recht­lich defi­nier­ten Beschrän­kun­gen unter­lie­gen und die­se Haft­an­stal­ten unter­hal­ten, in denen sys­te­ma­tisch gefol­tert wird.

Die Ver­fol­gungs­hand­lun­gen des Assad-Regimes sind durch ein hohes Maß an Will­kür gekenn­zeich­net. Jede Per­son, die  auch nur ver­däch­tigt wird, dem Regime gegen­über illoy­al gesinnt zu sein, kann Opfer von Ver­fol­gungs­hand­lun­gen wer­den. Syri­schen Flücht­lin­gen droht daher bei Rück­kehr nach Syri­en erheb­li­che Gefahr, Opfer will­kür­li­cher Inhaf­tie­rung, von Fol­ter und Ver­schwin­den-Las­sen zu wer­den. Ins­be­son­de­re Wehr­dienst­ent­zie­hern und Deser­teu­ren dro­hen will­kür­li­che Stra­fen und / oder Zwangs­re­kru­tie­rung in die syri­sche Armee oder in regi­me­loya­le Milizen.

Irak

Ergeb­nis des Krie­ges im Irak ist ein Fli­cken­tep­pich von loka­len und regio­na­len Macht­ge­bie­ten und ein poli­tisch, kon­fes­sio­nell und ter­ri­to­ri­al tief gespal­te­nes Land.

Neue Berich­te des UNHCR zei­gen, wie pre­kär die Lage im Land wei­ter­hin ist. Noch immer gibt es 1,65 Mil­lio­nen Bin­nen­ver­trie­be­ne, von denen vie­le unter sehr schlech­ten Bedin­gun­gen leben. Die Regie­rung übt star­ken Druck auf Bin­nen­ver­trie­be­ne aus, zurück zu keh­ren, aber beson­ders für Ange­hö­ri­ge reli­giö­ser Min­der­hei­ten ist eine Rück­kehr in ihre Ursprungs­re­gio­nen im Irak oft undenk­bar – dies gilt ins­be­son­de­re für Jesid*innen, die den Völ­ker­mord, Ver­schlep­pung und Ver­skla­vung über­lebt haben. Die Gefahr durch den Isla­mi­schen Staat ist auch nicht gebannt, es wer­den wei­ter­hin Akti­vi­tä­ten wie Ent­füh­run­gen gemeldet.

Sudan

Wie ver­schie­de­ne Medi­en berich­ten, wur­de am Mitt­woch Yasir Arman, Gene­ral­se­kre­tär der oppo­si­tio­nel­len Sudan Peo­p­le’s Libe­ra­ti­on Army/ Move­ment-North von der Mili­tär­re­gie­rung fest­ge­nom­men. Yasir Arman, der noch im Febru­ar an einer Demons­tra­ti­on in Han­no­ver gegen das Regime vom al-Bas­hir teil­ge­nom­men hat­te, war in der letz­ten Woche nach etli­chen Jah­ren im Exil zu Ver­hand­lun­gen mit dem Mili­tär­rat in den Sudan zurück­ge­kehrt. Mit der Ver­haf­tung haben die Angrif­fe der Mili­tär­re­gie­rung auf die Oppo­si­tio­nel­len eine wei­te­re Zuspit­zung erfah­ren. Ganz offen­sicht­lich ist der Mili­tär­rat an kei­ner fried­li­chen Eini­gung mit der Oppo­si­ti­on und einer Über­ga­be der Macht an eine noch zu wäh­len­de demo­kra­ti­sche legi­ti­mier­te Regie­rung gele­gen. Die Fest­nah­me Arm­ans macht deut­lich, wie gefähr­det Rückkehrer*innen sind.

Vor die­sem Hin­ter­grund und der Tat­sa­che, dass IOM das Rück­kehr­pro­gramm in den Sudan auf Grund der schlech­ten Sicher­heits­la­ge aus­setzt, unter­stützt PRO ASYL die For­de­rung des Flücht­lings­rats Nie­der­sach­sen nach einem sofor­ti­gen Abschie­bungs­stopp.

Eine aus­führ­li­che Ana­ly­se fin­den Sie in unse­ren Flücht­lings­po­li­ti­schen Anlie­gen zur Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz.

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