14.12.2016

Brei­tes Bünd­nis for­dert: Nein zu Dub­lin IV! – Mit Dub­lin IV wird Recht auf Asyl in Euro­pa ver­hin­dert und ein Euro­pa der Soli­da­ri­tät zerstört.

Ein brei­tes Bünd­nis von Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, Rich­ter- und Anwalts­ver­ei­ni­gun­gen sowie in der Flücht­lings­ar­beit täti­gen Ver­bän­den appel­liert in einem Auf­ruf an die 28 euro­päi­schen Regie­rungs­chefs, die sich am mor­gi­gen Don­ners­tag im Euro­päi­schen Rat in Brüs­sel zusam­men­fin­den, die Reform­vor­schlä­ge der EU-Kom­mis­si­on zum Dub­lin-Sys­tem, das soge­nann­te Dub­lin IV, abzu­leh­nen. Die­ses regelt die Zustän­dig­keit der EU-Mit­glied­staa­ten für die Durch­füh­rung des Asylverfahrens.

Sys­te­ma­tisch sol­len künf­tig Schutz­su­chen­de, die in der EU einen Asyl­an­trag stel­len wol­len, in ein angeb­lich siche­res Dritt­land außer­halb der EU zurück­ge­schickt wer­den. „Das ist ein Fron­tal­an­griff auf das indi­vi­du­el­le Recht auf Asyl in der EU. Das Recht auf Asyl in Euro­pa wird mit sol­chen Vor­schlä­gen ad absur­dum geführt. Dub­lin IV ist nicht nur men­schen­rechts­feind­lich, es zer­stört auch ein Euro­pa der Soli­da­ri­tät“, warnt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

Der Schutz von Flücht­lin­gen wird auf die Staa­ten außer­halb Euro­pas abge­wälzt. „Grenz­schlie­ßun­gen und Schüs­se, wie wir sie an der tür­kisch-syri­schen Gren­ze erle­ben, sind die Fol­ge. Euro­pa schaut dem Krieg in Syri­en zu und unter­nimmt nichts, damit die Men­schen sich ret­ten kön­nen. Nun sol­len sys­te­ma­tisch auch recht­lich die Wege ver­sperrt wer­den,“ so Gün­ter Burkhardt.

Schaf­fen es Flücht­lin­ge trotz­dem z.B. bis nach Deutsch­land zu flie­hen, so sol­len sie in die Grenz­staa­ten wie z.B. Grie­chen­land, Ungarn oder Bul­ga­ri­en zurück­ge­schickt wer­den – im Unter­schied zum jet­zi­gen Recht ohne jeg­li­che zeit­li­che Befris­tung. Die Erst­ein­rei­se­staa­ten am Ran­de Euro­pas blei­ben auf ewig für Asyl­su­chen­de Asyl­ver­fah­ren zuständig.

Die auf dem Tisch lie­gen­den Vor­schlä­ge ver­sto­ßen ekla­tant gegen Flücht­lings­recht und Men­schen­recht. »Euro­pa einigt sich auf Kos­ten der Flücht­lin­ge und der süd­eu­ro­päi­schen Ein­rei­se­staa­ten. Die rei­chen Indus­trie­staa­ten im Zen­trum und Nor­den Euro­pas wol­len sich der Flücht­lin­ge ent­le­di­gen, sich frei­kau­fen und mit Dub­lin IV den Rand­staa­ten die Ver­ant­wor­tung auf­bür­den,“ sagt Burkhardt.

Im Ein­zel­nen kri­ti­sie­ren die Orga­ni­sa­tio­nen vor allem:

  1. Am Zustän­dig­keits­kri­te­ri­um der Erst­ein­rei­se wird trotz der brei­ten öffent­li­chen Kri­tik fest­ge­hal­ten. Wie­der wer­den die Erst­ein­rei­se­staa­ten der EU über­wie­gend für die Auf­nah­me der Flücht­lin­ge ver­ant­wort­lich sein. Bestehen­de Ermes­sens­klau­seln und sons­ti­ge Mög­lich­kei­ten des Zustän­dig­keits­wech­sels für die Bear­bei­tung von Asyl­an­trä­gen – etwa durch Ablauf von Über­stel­lungs­fris­ten – auch in Här­te­fäl­len, sol­len nahe­zu aus­ge­schlos­sen wer­den. Betrof­fe­ne Asyl­su­chen­de haben künf­tig auch über Jah­re kei­ne Mög­lich­keit mehr, im Staat ihres tat­säch­li­chen Auf­ent­halts Zugang zu einem Asyl­ver­fah­ren zu erhal­ten, in dem ihre Flucht­grün­de inhalt­lich geprüft wer­den. Der Staat, der als zustän­di­ger Staat bestimmt wird, bleibt zustän­dig – auch wenn EU-Stan­dards hin­sicht­lich der Auf­nah­me­be­din­gen und der ver­fah­rens­recht­li­chen Garan­tien nicht ein­ge­hal­ten werden.
  2. Jeder Flücht­ling läuft Gefahr, ohne Prü­fung der Flucht­grün­de in einen Nicht-EU-Staat abge­scho­ben zu wer­den, über den er ein­ge­reist ist. Die neue Dub­lin-Ver­ord­nung führt ver­pflich­tend die Prü­fung von Anträ­gen auf Unzu­läs­sig­keit ein. Damit soll geprüft wer­den, ob der Antrags­stel­ler in einen drit­ten Staat abge­scho­ben wer­den kann. Erfüllt der Antrag­stel­ler ein sol­ches Kri­te­ri­um, darf er nicht im Rah­men des Dub­lin-Ver­fah­rens in einen ande­ren EU-Staat ver­teilt wer­den. Dies bedeu­tet, dass haupt­säch­lich die Staa­ten an den Außen­gren­zen der EU die Ver­ant­wor­tung für die Prü­fung und ggf. Rück­füh­rung abge­lehn­ter Asyl­su­chen­der inne­ha­ben werden.
  3. Mit Sank­tio­nie­run­gen sol­len Asyl­su­chen­de gezwun­gen wer­den, unab­hän­gig von den Auf­nah­me- und Ver­fah­rens­be­din­gun­gen im zustän­di­gen Mit­glied­staat zu ver­blei­ben. Hal­ten sie sich nicht im Staat ihrer Zuwei­sung auf, sol­len sie von „mate­ri­el­len Leis­tun­gen im Rah­men der Auf­nah­me“ mit Aus­nah­me der „medi­zi­ni­schen Not­ver­sor­gung“ aus­ge­schlos­sen wer­den. Selbst das phy­si­sche Exis­tenz­mi­ni­mum soll nicht gewährt wer­den. Die­ser Vor­schlag ver­stößt gegen Men­schen­rech­te und wider­spricht der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts in Deutsch­land. Dies ist menschenunwürdig.

Der Auf­ruf »Nein zu Dub­lin IV« wur­de unter­zeich­net von: PRO ASYL, Amnes­ty Inter­na­tio­nal, Dia­ko­nie Deutsch­land, der Pari­tä­ti­sche Gesamt­ver­band, Arbei­ter­wohl­fahrt, Neue Rich­ter­ver­ei­ni­gung, die Arbeits­ge­mein­schaft Migra­ti­ons­recht des Deut­schen Anwalts­ver­eins, der Jesui­ten­flücht­lings­dienst und der Repu­bli­ka­ni­sche Anwaltsverein.

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