19.06.2024

In einem gemein­sa­men offe­nen Brief an Bun­des­kanz­ler Scholz und die Ministerpräsident*innen bekräf­ti­gen 309 Orga­ni­sa­tio­nen – von loka­len Initia­ti­ven der Flücht­lings­hil­fe bis hin zu bun­des­wei­ten Orga­ni­sa­tio­nen –, dass sie zu einer Gesell­schaft gehö­ren wol­len, die flie­hen­de Men­schen men­schen­wür­dig auf­nimmt. Kurz vor deren Tref­fen for­dert das Bünd­nis den Bun­des­kanz­ler und die Ministerpräsident*innen auf, die Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren klar abzu­leh­nen und sich statt­des­sen gemein­sam mit der Zivil­ge­sell­schaft für eine zukunfts­fä­hi­ge Auf­nah­me von Schutz­su­chen­den in Deutsch­land stark zu machen.

Am 20. Juni, dem Welt­flücht­lings­tag, wer­den Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz und die Ministerpräsident*innen wäh­rend ihrer gemein­sa­men Tagung über eine mög­li­che Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren dis­ku­tie­ren. Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um wird einen Sach­stands­be­richt zu einem Prüf­auf­trag vor­le­gen, der bei Bund-Län­der-Bera­tun­gen im Novem­ber 2023 beschlos­sen wurde.

ie Orga­ni­sa­tio­nen war­nen vor der Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren. Bis­he­ri­ge Ver­su­che zei­gen, dass sie zu mehr Leid bei den Betrof­fe­nen und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen füh­ren, nicht funk­tio­nie­ren und extrem teu­er sind. Eine zukunfts­fä­hi­ge Gesell­schaft braucht Viel­falt, Offen­heit und ein kon­se­quen­tes Ein­ste­hen für die Men­schen­rech­te für alle, so das Bündnis.

„Mit über 300 bei der Auf­nah­me von Flücht­lin­gen enga­gier­ten Orga­ni­sa­tio­nen set­zen wir ein star­kes Zei­chen: Wir wol­len wei­ter­hin flie­hen­de Men­schen schüt­zen! Mit Schre­cken sehen wir, wie der­zeit die Gren­ze des Sag­ba­ren immer wei­ter ver­scho­ben wird und Men­schen­rech­te in Fra­ge gestellt wer­den. Vor­schlä­ge, Asyl­ver­fah­ren aus­zu­la­gern, müs­sen klar abge­lehnt wer­den. In der Pra­xis hat sich immer wie­der gezeigt, dass sie zu gra­vie­ren­den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und viel Leid füh­ren“, so Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL.

Das Bünd­nis wur­de initi­iert von PRO ASYL, dem Pari­tä­ti­schen Gesamt­ver­band, Ärz­te ohne Gren­zen, Brot für die Welt, Dia­ko­nie Deutsch­land und Amnes­ty Inter­na­tio­nal. Der offe­ne Brief mit den unter­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen ist hier zu fin­den. Im Rah­men der Sach­ver­stän­di­gen­an­hö­run­gen beim Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um zum Prüf­auf­trag war auch PRO ASYL gela­den und hat eine Stel­lung­nah­me eingereicht.

Der offe­ne Brief von über 300 Orga­ni­sa­tio­nen im Wortlaut:

Men­schen schüt­zen statt Asyl­ver­fah­ren auslagern

Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler,

sehr geehr­te Minis­ter­prä­si­den­tin­nen und Ministerpräsidenten,

Mensch­lich­keit ist sowohl in Deutsch­land als auch in Euro­pa die Basis unse­res Zusam­men­le­bens. Sie zu schüt­zen ist unse­re gesell­schaft­li­che Pflicht. Dazu gehört auch: Die unbe­ding­te Ach­tung der Men­schen­wür­de. Sie steht aus gutem Grund seit 75 Jah­ren in unse­rem Grund­ge­setz und gilt für alle Men­schen, egal woher sie kommen.

Aus­ge­rech­net am Welt­flücht­lings­tag bera­ten Sie die Idee der Aus­la­ge­rung des Flücht­lings­schut­zes aus Deutsch­land und Euro­pa in Dritt­staa­ten. Wir, 309 Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven, möch­ten Teil einer Gesell­schaft sein, die geflüch­te­te Men­schen men­schen­wür­dig auf­nimmt. Wer Schutz bei uns in Deutsch­land sucht, soll ihn auch hier bekom­men. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht.

Bit­te ertei­len Sie Plä­nen zur Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren eine kla­re Absage.

Als im Flücht­lings­schutz akti­ve Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven wis­sen wir: Auf­nah­me und Teil­ha­be funk­tio­nie­ren, wenn alle an einem Strang zie­hen und der poli­ti­sche Wil­le vor­han­den ist. Vor den der­zei­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen ver­schlie­ßen wir dabei nicht die Augen. Wir begeg­nen ihnen viel­mehr mit kon­struk­ti­ven, pra­xis­na­hen und somit tat­säch­lich rea­lis­ti­schen Vor­schlä­gen für eine zukunfts­fä­hi­ge Auf­nah­me. Dafür set­zen wir uns jetzt und auch zukünf­tig mit allen uns zur Ver­fü­gung ste­hen­den Kräf­ten ein – gera­de auch auf kom­mu­na­ler Ebene.

Plä­ne, Flücht­lin­ge in außer­eu­ro­päi­sche Dritt­staa­ten abzu­schie­ben oder Asyl­ver­fah­ren außer­halb der EU durch­zu­füh­ren, funk­tio­nie­ren hin­ge­gen in der Pra­xis nicht, sind extrem teu­er und stel­len eine Gefahr für die Rechts­staat­lich­keit dar. Sie wür­den abseh­bar zu schwe­ren Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen füh­ren, wie pau­scha­le Inhaf­tie­rung oder dass Men­schen in Län­der abge­scho­ben wer­den, in denen ihnen men­schen­un­wür­di­ge Behand­lung oder Ver­fol­gung dro­hen. Bei Geflüch­te­ten lösen sol­che Vor­ha­ben oft gro­ße Angst aus und erhö­hen die Gefahr von Selbst­ver­let­zun­gen und Sui­zi­den. Dies gilt gera­de für beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Geflüch­te­te wie Men­schen mit Behin­de­rung, Kin­der, que­e­re Men­schen, Über­le­ben­de von Fol­ter oder sexua­li­sier­ter Gewalt. Das zei­gen uns die Erfah­run­gen der letz­ten Jah­re, etwa das Elend auf den grie­chi­schen Inseln als Fol­ge der EU-Türkei-Erklärung.

Aktu­ell leben drei Vier­tel der geflüch­te­ten Men­schen welt­weit in Län­dern mit nied­ri­gem und mitt­le­rem Ein­kom­men. Set­zen Sie sich des­we­gen für eine glaub­haf­te, nach­hal­ti­ge und gerech­te glo­ba­le Ver­ant­wor­tungs­tei­lung im Flücht­lings­schutz ein.

Wir sind uns sicher: Rea­lis­ti­sche und men­schen­rechts­ba­sier­te Poli­tik stärkt den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt. Dass Anfang des Jah­res so vie­le Men­schen wie noch nie in Deutsch­land auf die Stra­ße gegan­gen sind, um ein Zei­chen für eine offe­ne und diver­se Gesell­schaft und gegen Rechts­extre­mis­mus zu set­zen, macht uns Mut. Eine zukunfts­fä­hi­ge Gesell­schaft braucht Viel­falt, Offen­heit und ein kon­se­quen­tes Ein­ste­hen für Men­schen­rech­te für alle.

Für Dop­pel­sen­dun­gen des offe­nen Briefs wird sich entschuldigt. 

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