08.12.2022

Der Schen­gen-Bei­tritt Kroa­ti­ens steht auf der Tages­ord­nung des heu­ti­gen Tref­fens des EU-Innenminister*innen. Stim­men die Minister*innen für die Auf­nah­me Kroa­ti­ens, igno­rie­ren sie damit die umfang­rei­chen Bele­ge von sys­te­ma­ti­schen Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Kroa­ti­ens Gren­zen sowie Ver­let­zun­gen des Schen­ge­ner Grenz­ko­dex selbst.

Seit 2016 doku­men­tie­ren die unter­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen, inter­na­tio­na­le Medi­en und  zwi­schen­staat­li­che Orga­ni­sa­tio­nen fort­lau­fend  die ekla­tan­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen Kroa­ti­ens an den EU-Außen­gren­zen. Die sys­te­ma­ti­schen Rechts­ver­let­zun­gen und die Fäl­le von Grenz­ge­walt wer­den durch die Poli­zei und ande­re staat­li­che Akteu­re ver­übt. Den­noch haben die zustän­di­gen kroa­ti­schen Behör­den bis­her kei­ne effek­ti­ven Ermitt­lun­gen ein­ge­lei­tet, viel­mehr wer­den die Vor­fäl­le beharr­lich geleugnet.

Die unter­zeich­nen­den  Orga­ni­sa­tio­nen (dar­un­ter PRO ASYL) for­dern, dass die­se Rechts­ver­let­zun­gen und das Ver­sa­gen Kroa­ti­ens, mini­ma­le Rechts­stan­dards ein­zu­hal­ten, nicht mit dem Schen­gen-Bei­tritt belohnt wer­den darf. Die Frei­zü­gig­keit von kroa­ti­schen Staatsbürger*innen inner­halb des Schen­gen-Raums ist wün­schens­wert, doch in dem Auf­nah­me­pro­zess offen­bart sich das wah­re Gesicht von „Schen­gen“: Die Frei­zü­gig­keit im Innern bedeu­tet die Abschot­tung nach außen – im Zwei­fel durch ein bru­ta­les Grenzregime.

„Push­backs sind nicht nur eine direk­te Ver­let­zung des Schen­ge­ner Grenz­ko­dex, sie ver­let­zen außer­dem inter­na­tio­na­les Recht wie die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on. Die­se Rechts­ver­let­zun­gen müs­sen in den Län­dern been­det wer­den, die bereits Teil des Schen­gen-Raums sind. Außer­dem muss eine kla­re Nach­richt gesen­det wer­den: Kein Land, das Men­schen­rech­te miss­ach­tet, kann Teil des Schen­gen-Raums wer­den“, kom­men­tiert Anto­nia Pin­du­lić vom Cent­re for Peace Stu­dies in Zagreb.

Die EU-Insti­tu­tio­nen beschrän­ken ihre Bedin­gun­gen für die Auf­nah­me Kroa­ti­ens auf die Ein­rich­tung eines unab­hän­gi­gen Men­schen­rechts­be­ob­ach­tungs­me­cha­nis­mus. Ein wirk­lich unab­hän­gi­ger Mecha­nis­mus wäre zwar begrü­ßens­wert, jedoch war der bis­he­ri­ge Men­schen­rechts­be­ob­ach­tungs­me­cha­nis­mus des kroa­ti­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums dys­funk­tio­nal und nicht mehr als ein Feigenblatt.

Zudem sind Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen durch staat­li­che Akteu­re in Kroa­ti­en bereits bes­tens doku­men­tiert. Die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen fan­den Ein­gang in meh­re­re natio­na­le Gerichts­ur­tei­le, vom Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te wur­de Kroa­ti­en bereits ver­ur­teilt. Es ist jetzt an der Zeit, dass für die Tau­sen­den Ver­bre­chen der kroa­ti­schen Poli­zei gegen Schutz­su­chen­de die Ver­ant­wort­li­chen zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den. Es müs­sen grund­le­gen­de Ände­run­gen im kroa­ti­schen Poli­zei­ap­pa­rat vor­ge­nom­men und ein effek­ti­ver und unab­hän­gi­ger Men­schen­rechts­be­ob­ach­tungs­me­cha­nis­mus an Kroa­ti­ens Gren­zen ein­ge­rich­tet sowie poli­ti­sche Kon­se­quen­zen durch die EU gezo­gen werden.

Der Auf­nah­me­pro­zess Kroa­ti­ens ver­deut­licht ein wei­te­res Mal den Stel­len­wert von Men­schen­rech­ten und Rechts­staat­lich­keit im euro­päi­schen Grenz­re­gime seit 2016: Par­al­lel zu der Gewalt­es­ka­la­ti­on haben die EU-Insti­tu­tio­nen den Weg für Kroa­ti­en in den Schen­gen-Raum frei gemacht.

Auch ein­zel­ne Mit­glied­staa­ten wie Deutsch­land haben durch die poli­ti­sche und logis­ti­sche Unter­stüt­zung des kroa­ti­schen Grenz­schut­zes den Auf­nah­me­pro­zess mit vor­an­ge­trie­ben. Vor einem Jahr hat die neue deut­sche Regie­rungs­ko­ali­ti­on noch erklärt, „die ille­ga­len Zurück­wei­sun­gen und das Leid an den Außen­gren­zen“ been­den zu wol­len. Eine Zustim­mung Deutsch­lands zum Schen­gen-Bei­tritt Kroa­ti­ens wür­de mit die­sem Vor­ha­ben brechen.

Push­backs und Poli­zei­ge­walt gegen Schutz­su­chen­de in Euro­pa muss mit ent­schlos­se­nen recht­li­chen und poli­ti­schen Kon­se­quen­zen begeg­net wer­den. Nichts zu unter­neh­men unter­gräbt die Rechts­staat­lich­keit in der EU und ermu­tigt Mit­glied­staa­ten, euro­päi­sche Rechts­stan­dards zu missachten.

Unter­zeich­nen­de Organisationen:

  • Bal­kan­brü­cke
  • Cent­re for Peace Studies
  • Dutch Coun­cil for Refugees
  • Euro­pean Cent­re for Con­sti­tu­tio­nal and Human Rights
  • PRO ASYL
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