Pro Asyl fordert anläßlich der Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingskinder in Deutschland eine 2 Stufen-Lösung.
„Den Ansatz der EU-Kommission begrüßen wir, er ist aber nicht ausreichend. Gnade ersetzt kein Recht. Die katastrophale Lage der Flüchtlinge in Griechenland wurde bewußt herbeigeführt. Die EU muß sich von dem Phantomgebilde, die Türkei sei ein sicherer Staat für Flüchtlinge, in den man zurückschieben kann, verabschieden. Erdogans Türkei ist kein Rechtsstaat, der Flüchtlinge schützt und ihnen Rechte gewährt. Humanitäre Gnadenakte sind dringend erforderlich, wir fordern aber auch die Rückkehr zur Geltung der Menschenrechte an den EU-Grenzen und die Evakuierung der Flüchtlinge von den Inseln.“ so Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Bundesinnenminister Seehofer lenkt von der eigenen Schuld ab, indem er eine europäische Lösung verlangt. Er muß handeln. Die Hilfsbedürftigen sind in einer ausweglosen Stiuation, bei einem großen Teil gibt es Angehörige in Deutschland.“
Pro Asyl fordert:
1. Flüchtlingskinder müssen aus den Lagern evakuiert werden.
Kindern mit Angehörigen in Deutschland muss sofort die Einreise nach Deutschland erlaubt werden.
Für Kinder ohne Angehörige muß eine ad hoc Lösung gefunden werden. Das gebietet die UN-Kinderrechtskonvention und der menschliche Anstand. Pro Asyl unterstützt den Vorstoß der EU-Kommission für eine solidarische Flüchtlingsaufnahme in der Europäischen Union. Hierzu müssen keine europäischen Gesetze geändert werden. Sie müssen nur angewandt werden. Nach Artikel 17 der Dublin-Verordnung kann jedes Land Asylanträge selbst durchführen und sich für zuständig erklären. Pro Asyl fordert die politische Bereitschaft der EU-Staaten, die in Griechenland angekommenen Bootsflüchtlinge zu evakuieren und aufzunehmen. „Was bei den auf Hoher See geretteten Bootsflüchtlingen möglich ist, muß auch für die gelten, die es an Land geschafft haben.“
2. Rückkehr zum Rechtsstaat an Europas Grenzen.
Gnade ersetzt aber kein Recht. Pro Asyl fordert den Zugang zum Asylverfahren und die inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe. Dies wird durch den EU-Türkei Deal verhindert, wonach die Türkei als sicher deklariert wird. Um nach europäischem Recht als „sicherer Drittstaat“ zu gelten, müssen folgende Kriterien erfüllt werden: Das völkerrechtliche Abschiebungsverbot muss eingehalten werden (Non-Refoulement-Gebot), die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) muss ratifiziert sein und die Person die darin garantierten Rechte in Anspruch nehmen können und ihr darf in dem Land keine asylrelevante Verfolgung drohen. Mit dem EU-Türkei Deal wurde politisch entschieden, die Türkei sei ein solcher „sicherer Drittstaat“. Weder rechtlich noch faktisch ist sie dies, denn sie hat die GFK nur eingeschränkt ratifiziert und schiebt völkerrechtswidrig Menschen nach Syrien ab. Die Realität in der Türkei sieht so aus.
Weitere Information zur rechtlichen Lage und der Situation der Flüchtlingskinder:
Ein großer Teil von ihnen hat Angehörige in Deutschland. Pro Asyl fordert den Innenminister auf, statt Ablenkungsmanöver auf europäischer Ebene zu initiieren, selbst zu handeln. Eine Vielzahl der festsitzenden Flüchtlingskinder hat Angehörige, die bereits in Deutschland leben und hier im Asylverfahren sind. Ihre Aufnahme ist kein Gnadenakt sondern beruht auf einem Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung. Er folgt aus der Dublin-Verordnung. Nach Artikel 21 muss dabei innerhalb von drei Monaten von Griechenland aus ein sogenanntes Aufnahmegesuch an Deutschland gestellt werden. An dieser Frist scheitern aktuell jedoch viele Asylsuchenden. Wer in Dreck und Morast von Moria und anderen Hotspots festsitzt, hat kaum Zugang zu rechtlichen Strukturen. Und Deutschland lehnt Übernahmeersuche von Familienangehörigen aus Griechenland mittlerweile systematisch mit der Begründung, die Fristen seien bereits abgelaufen, ab. 2017 wurde noch 5.310 von 5.807 Übernahmeersuchen aus Griechenland von Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugestimmt. Seither ist eine deutlich rigidere Haltung feststellbar. 2018 lehnte Deutschland 1.496 von 2.482 bearbeiteten Übernahmegesuchen aufgrund familiärer Bindungen von Griechenland ab – fast 60 Prozent aller Anträge. 2019 wurden von Januar bis Mai sogar 75 Prozent aller Anträge auf Familienzusammenführung zurückgewiesen. Gleichzeitig ist auch die Zahl der Anträge drastisch gesunken. Von nur noch 626 Übernahmeersuchen wurden 472 abgelehnt.