24.12.2019

Pro Asyl for­dert anläß­lich der Debat­te über die Auf­nah­me von Flücht­lings­kin­der in Deutsch­land eine 2 Stufen-Lösung.

„Den Ansatz der EU-Kom­mis­si­on begrü­ßen wir, er ist aber nicht aus­rei­chend. Gna­de ersetzt kein Recht. Die kata­stro­pha­le Lage der Flücht­lin­ge in Grie­chen­land wur­de bewußt her­bei­ge­führt. Die EU muß sich von dem Phan­tom­ge­bil­de, die Tür­kei sei ein siche­rer Staat für Flücht­lin­ge, in den man zurück­schie­ben kann, ver­ab­schie­den. Erdo­gans Tür­kei ist kein Rechts­staat, der Flücht­lin­ge schützt und ihnen Rech­te gewährt. Huma­ni­tä­re Gna­den­ak­te sind drin­gend erfor­der­lich, wir for­dern aber auch die Rück­kehr zur Gel­tung der Men­schen­rech­te an den EU-Gren­zen und die Eva­ku­ie­rung der Flücht­lin­ge von den Inseln.“ so Pro Asyl-Geschäfts­füh­rer Gün­ter Burk­hardt. „Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer lenkt von der eige­nen Schuld ab, indem er eine euro­päi­sche Lösung ver­langt. Er muß han­deln. Die Hilfs­be­dürf­ti­gen sind in einer aus­weg­lo­sen Stiua­ti­on, bei einem gro­ßen Teil gibt es Ange­hö­ri­ge in Deutschland.“

Pro Asyl fordert:

1. Flücht­lings­kin­der müs­sen aus den Lagern eva­ku­iert wer­den.

Kin­dern mit Ange­hö­ri­gen in Deutsch­land muss sofort die Ein­rei­se nach Deutsch­land erlaubt werden.

Für Kin­der ohne Ange­hö­ri­ge muß eine ad hoc Lösung gefun­den wer­den. Das gebie­tet die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on und der mensch­li­che Anstand. Pro Asyl unter­stützt den Vor­stoß der EU-Kom­mis­si­on für eine soli­da­ri­sche Flücht­lings­auf­nah­me in der Euro­päi­schen Uni­on. Hier­zu müs­sen kei­ne euro­päi­schen Geset­ze geän­dert wer­den. Sie müs­sen nur ange­wandt wer­den. Nach Arti­kel 17 der Dub­lin-Ver­ord­nung kann jedes Land Asyl­an­trä­ge selbst durch­füh­ren und sich für zustän­dig erklä­ren. Pro Asyl for­dert die poli­ti­sche Bereit­schaft der EU-Staa­ten, die in Grie­chen­land ange­kom­me­nen Boots­flücht­lin­ge zu eva­ku­ie­ren und auf­zu­neh­men. „Was bei den auf Hoher See geret­te­ten Boots­flücht­lin­gen mög­lich ist, muß auch für die gel­ten, die es an Land geschafft haben.“

2. Rück­kehr zum Rechts­staat an Euro­pas Gren­zen.

Gna­de ersetzt aber kein Recht. Pro Asyl for­dert den Zugang zum Asyl­ver­fah­ren und die inhalt­li­che Prü­fung der Flucht­grün­de. Dies wird durch den EU-Tür­kei Deal ver­hin­dert, wonach die Tür­kei als sicher dekla­riert wird. Um nach euro­päi­schem Recht als „siche­rer Dritt­staat“ zu gel­ten, müs­sen fol­gen­de Kri­te­ri­en erfüllt wer­den: Das völ­ker­recht­li­che Abschie­bungs­ver­bot muss ein­ge­hal­ten wer­den (Non-Refou­le­ment-Gebot), die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) muss rati­fi­ziert sein und die Per­son die dar­in garan­tier­ten Rech­te in Anspruch neh­men kön­nen und ihr darf in dem Land kei­ne asyl­re­le­van­te Ver­fol­gung dro­hen. Mit dem EU-Tür­kei Deal wur­de poli­tisch ent­schie­den, die Tür­kei sei ein sol­cher „siche­rer Dritt­staat“. Weder recht­lich noch fak­tisch ist sie dies, denn sie hat die GFK nur ein­ge­schränkt rati­fi­ziert und schiebt völ­ker­rechts­wid­rig Men­schen nach Syri­en ab. Die Rea­li­tät in der Tür­kei sieht so aus.

Wei­te­re Infor­ma­ti­on zur recht­li­chen Lage und der Situa­ti­on der Flüchtlingskinder: 

Ein gro­ßer Teil von ihnen hat Ange­hö­ri­ge in Deutsch­land. Pro Asyl for­dert den Innen­mi­nis­ter auf, statt Ablen­kungs­ma­nö­ver auf euro­päi­scher Ebe­ne zu initi­ie­ren, selbst zu han­deln.  Eine Viel­zahl der fest­sit­zen­den Flücht­lings­kin­der hat Ange­hö­ri­ge, die bereits in Deutsch­land leben und hier im Asyl­ver­fah­ren sind. Ihre Auf­nah­me ist kein Gna­den­akt son­dern beruht auf einem Rechts­an­spruch auf Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung. Er folgt aus der Dub­lin-Ver­ord­nung. Nach Arti­kel 21 muss dabei inner­halb von drei Mona­ten von Grie­chen­land aus ein soge­nann­tes Auf­nah­me­ge­such an Deutsch­land gestellt wer­den. An die­ser Frist schei­tern aktu­ell jedoch vie­le Asyl­su­chen­den. Wer in Dreck und Morast von Moria und ande­ren Hot­spots fest­sitzt, hat kaum Zugang zu recht­li­chen Struk­tu­ren. Und Deutsch­land lehnt Über­nah­me­ersu­che von Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen aus Grie­chen­land mitt­ler­wei­le sys­te­ma­tisch mit der Begrün­dung, die Fris­ten sei­en bereits abge­lau­fen, ab. 2017 wur­de noch 5.310 von 5.807 Über­nah­me­ersu­chen aus Grie­chen­land von Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) zuge­stimmt. Seit­her ist eine deut­lich rigi­de­re Hal­tung fest­stell­bar. 2018 lehn­te Deutsch­land 1.496 von 2.482 bear­bei­te­ten Über­nah­me­ge­su­chen auf­grund fami­liä­rer Bin­dun­gen von Grie­chen­land ab – fast 60 Pro­zent aller Anträ­ge. 2019 wur­den von Janu­ar bis Mai sogar 75 Pro­zent aller Anträ­ge auf Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung zurück­ge­wie­sen. Gleich­zei­tig ist auch die Zahl der Anträ­ge dras­tisch gesun­ken. Von nur noch 626 Über­nah­me­ersu­chen wur­den 472 abgelehnt.

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