Die Seenotretter*innen dürfen nicht für das Retten von Menschenleben kriminalisiert werden
Seit zwei Wochen harren die geretteten Menschen und die Crew der »Sea Watch 3« nun auf dem Rettungsschiff aus. Weil ihnen die Einfahrt verweigert wird, fuhren sie bis heute an der Grenze der italienischen Gewässer vor der Insel Lampedusa auf und ab.
Die Verfassung der Schutzsuchenden verschlechtert sich immer weiter. Kapitänin Carola Rackete sieht dadurch einen solchen Notstand, der es rechtfertigt, die Menschen so schnell wie möglich auszuschiffen und nimmt Kurs auf Lampedusa. PRO ASYL fordert die sofortige Ausschiffung und Aufnahme der Geretteten. Die Seenotrettung darf nicht durch Einlaufverbote in einen sicheren Hafen behindert werden.
Am 11. Juni erließt die italienische Regierung ein Dekret, das Strafen von bis zu 50.000 € für die Rettung von Schutzsuchenden vorsieht und polizeiliche Maßnahmen gegen Seenotretter*innen erleichtert. Absurd, wenn man sich die Arbeit von Seenotrettungsorganisationen vergegenwärtigt: Im Mittelmeer verteidigen sie das Recht auf Leben. Sie halten sich streng an völkerrechtliche Verpflichtungen.
Zum Fall: Am 12. Juni hatte die »Sea Watch 3« 53 Menschen gerettet. Weder Malta noch Italien erlauben ihnen jedoch, die Personen an Land zu bringen. Lediglich elf Kinder, Schwangere und Kranke durften bisher auf Lampedusa an Land gehen. Der italienische Innenminister Matteo Salvini ging sogar so weit, die Kapitänin des Schiffs aufzufordern, den Anweisungen der sogenannten »libyschen Küstenwache« Folge zu leisten und die Schutzsuchenden nach Tripolis zurück zu bringen. Ein weiteres Mal fordert Salvini damit offen zum Bruch völkerrechtlicher Verpflichtungen auf.
Lösung der Ausschiffungskrise
Seit Juni 2018 kam es schon mehrfach zu solchen »Standoffs« vor der italienischen bzw. maltesischen Küste. Um den aktuellen Fall zu lösen und zukünftige Fälle dieser Art zu verhindern, muss unter Koordination der EU-Kommission eine Koalition aufnahmebereiter Mitgliedstaaten einen geregelten Ablauf zur Ausschiffung und Verteilung Schutzsuchender etablieren. In ganz Europa haben sich Städte und Kommunen freiwillig zur Aufnahme bereit erklärt. Alleine in Deutschland sind es bereits 60 Kommunen.
Für eine politische Lösung der Situation im Mittelmeer hängen wir einen von über 400 Organisationen unterstützten Forderungskatalog an. Wir rufen die Bundesregierung auf, die Forderungen aus der Zivilgesellschaft ernst zu nehmen und auf ihnen aufbauend eine Lösung zu erreichen.
- Notfallplan für Bootsflüchtlinge: Eine Koalition aufnahmebereiter Staaten soll sich mit der EU-Kommission zusammenschließen und unter Koordination des Asylunterstützungsbüros EASO die Menschen unter Anwendung der Humanitären Klausel der Dublin-Verordnung nach einem vorher festgelegten Schlüssel verteilen. Den Schutzsuchenden muss nach Anlandung in einem sicheren europäischen Hafen eine menschenwürdige Aufnahme und Zugang zu einem fairen Asylverfahren gewährt werden.
Der Europäische Flüchtlingsrat hat dazu einen praktikablen Vorschlag gemacht.
- »Sichere Häfen« ermöglichen: Wir bitten die Bundesregierung, aufnahmebereiten Kommunen in unserem Land die freiwillige Aufnahme von zusätzlichen Schutzsuchenden in einem europäischen Relocation-Verfahren zu ermöglichen. Für Kommunen muss eine Möglichkeit geschaffen werden, über ihre Aufnahmepflicht gemäß Königsteiner Schlüssel hinaus, zusätzlich freiwillig Schutzsuchenden aufzunehmen – entweder auf Grundlage bestehender oder neuer rechtlicher Regelungen.
- Keine Rückführungen nach Libyen: Die EU und die Bundesrepublik müssen das Non-Refoulement-Gebot als zwingendes Völkerrecht achten und umsetzen. UN- und Botschaftsberichte belegen, dass Schutzsuchende in Libyen systematisch Folter, Versklavung und Gewalt ausgesetzt sind. Dementsprechend darf es keine Zurückführung nach Libyen geben. Daraus ergibt sich auch, dass die Bundesregierung und die EU jede Unterstützung und Ausbildung der sogenannten »libyschen Küstenwache« einstellen müssen. Diese fängt fliehende Menschen auf Hoher See ab und bringt sie mit Gewalt nach Libyen zurück. Auch andere Staaten dürfen nicht dabei unterstützt werden, schutzsuchende Menschen abzuwehren, in Gefahr zurückzudrängen oder unter unmenschlichen Bedingungen festzuhalten.