25.08.2021

PRO ASYL Geschäfts­füh­rer Gün­ter Burk­hardt for­dert die Fort­set­zung der Ad hoc Eva­ku­ie­rung von gefähr­de­ten Afghan*innen über den 31.8. hin­aus. PRO ASYL hat über­dies gemein­sam mit Jurist*innen her­aus­ge­ar­bei­tet, wie Schutz­su­chen­den aus Afgha­ni­stan schnell die Auf­nah­me in Deutsch­land ermög­licht wer­den kann und sollte. 

„Die Gefähr­de­ten dür­fen nicht in Afgha­ni­stan zurück­ge­las­sen wer­den. Ein Ende der Eva­ku­ie­rung ist unver­ant­wort­lich. Es dür­fen nicht erneut Men­schen im Stich gelas­sen wer­den, für die Deutsch­land und ande­re Staa­ten eine Ver­ant­wor­tung tra­gen“, sagt Gün­ter Burk­hardt anläss­lich der heu­te bevor­ste­hen­den Regie­rungs­er­klä­rung von Bun­des­kanz­le­rin Merkel.

Gleich­wohl ist ein Ende der Eva­ku­ie­rung lei­der abseh­bar, auch wenn der Zeit­punkt hof­fent­lich nicht der 31. August ist. Des­halb for­dert PRO ASYL: „Die Bun­des­kanz­le­rin muss für die Bun­des­re­gie­rung end­lich klar Stel­lung bezie­hen zu einer Aus­wei­tung der Ad hoc Eva­ku­ie­rung zu einem dau­er­haf­ten Auf­nah­me­pro­gramm auch aus den Nach­bar­staa­ten Afgha­ni­stans. Auch Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge von in Deutsch­land leben­den Schutz­be­dürf­ti­gen sind in Gefahr. Ihre ver­zwei­fel­te Situa­ti­on ist bis­her in Deutsch­land nicht ange­mes­sen wahr­ge­nom­men wor­den“, sagt Burkhardt.

Es müs­sen jetzt sys­te­ma­ti­sche und recht­li­che Miss­stän­de in Deutsch­land besei­tigt wer­den. An den deut­schen Bot­schaf­ten in Islam­abad (Paki­stan) und Neu-Delhi (Indi­en), die für Fami­li­en­nach­zug aus Afgha­ni­stan zustän­dig sind, war­ten rund 3.000 Afgha­nen auf einen Ter­min, um einen Visa­an­trag stel­len zu dür­fen. Auch sie brau­chen umge­hend Auf­nah­me­zu­sa­gen – eben­so alle anhän­gi­gen Anträ­ge auf Fami­li­en­nach­zug, die bereits gestellt wurden.

Begriff der Kern­fa­mi­lie muss aus­ge­wei­tet werden

„Wir for­dern schrift­li­che Auf­nah­me­zu­sa­gen für alle Afgha­nen, die auf den Eva­ku­ie­rungs­lis­ten ste­hen. Sie müs­sen auch nach dem Ende der Mili­tär­ak­ti­on aus Afgha­ni­stan oder aus Nach­bar­staa­ten zur Ein­rei­se nach Deutsch­land berech­tigt sein. Dies muss jetzt sofort vor­be­rei­tet wer­den, um den Betrof­fe­nen Hoff­nung zu geben. Ein Ende der mili­tä­risch gesi­cher­ten Luft­brü­cke darf nicht das Ende der Auf­nah­me nach Deutsch­land sein“, for­dert Burkhardt.

PRO ASYL for­dert zudem, die Auf­nah­me­kri­te­ri­en aus­zu­wei­ten. Auch die voll­jäh­ri­gen Töch­ter und Söh­ne, die bei der Auf­nah­me von Orts­kräf­ten und auch beim Fami­li­en­nach­zug in der Regel nicht berück­sich­tigt wer­den, müs­sen Visa erhal­ten. Die Aus­sa­ge des Bun­des­in­nen­mi­nis­ters, dass zur Fami­lie auch die erwach­se­nen Söh­ne und Töch­ter gehö­ren, muss auf­ent­halts­recht­lich umge­setzt wer­den. Die Tali­ban inter­es­siert der Begriff der soge­nann­ten Kern­fa­mi­lie aus dem deut­schen Auf­ent­halts­recht nicht, sie bedro­hen und ver­fol­gen auch Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge, die nicht der Kern­fa­mi­lie angehören.

Recht­li­che Spiel­räu­me – was jetzt pas­sie­ren muss

Bereits am 18.8. hat PRO ASYL in einer gemein­sa­men Pres­se­mit­tei­lung von Repu­bli­ka­ni­scher Anwäl­tin­nen- und Anwäl­te­ver­ein (RAV), Deut­scher Anwalt­ver­ein (Arbeits­ge­mein­schaft Migra­ti­ons­recht, DAV), Euro­pä­isch Demo­kra­ti­sche Anwält*innen (EDA), PRO ASYL, Ver­ei­ni­gung Demo­kra­ti­scher Juris­tin­nen und Juris­ten (VDJ), Rechts­be­ra­ter­kon­fe­renz der Wohl­fahrts­ver­bän­de unter ande­rem gefordert:

- umge­hen­de Wei­sung, wonach jede deut­sche Aus­lands­ver­tre­tung zur Annah­me von Visa­an­trä­gen zustän­dig ist;

- umge­hen­de Bear­bei­tung aller Anträ­ge auf Fami­li­en­nach­zug ein­schließ­lich einer sofor­ti­gen Auf­sto­ckung der per­so­nel­len und sach­li­chen Res­sour­cen an den Bot­schaf­ten, ins­be­son­de­re in Islam­abad, Neu-Delhi und Tehe­ran, um die zügi­ge Bear­bei­tung von Visa zu gewährleisten;

- Aus­schöp­fung aller Ermes­senspiel­räu­me und Abse­hen von Ertei­lungs­vor­aus­set­zun­gen wegen Vor­lie­gens aty­pi­scher Fall­ge­stal­tun­gen im Rah­men von Fami­li­en­nach­zugs­ver­fah­ren im Hin­blick auf Sprach­nach­wei­se und Vor­la­ge von Identitätsdokumenten;

- groß­zü­gi­ge Anwen­dung von § 36 Abs. 2 Auf­enthG zuguns­ten von Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen außer­halb der for­ma­len Kern­fa­mi­lie, ins­be­son­de­re zuguns­ten von voll­jäh­ri­gen allein­ste­hen­den Kindern;

- Ein­rich­tung eines Auf­nah­me­pro­gramms gem. § 23 Auf­enthG zuguns­ten von beson­ders vul­ner­ablen und gefähr­de­ten Per­so­nen / Per­so­nen­grup­pen, und groß­zü­gi­ge Anwen­dung von § 22 AufenthG;

- Auf­nah­me von afgha­ni­schen Flücht­lin­gen aus Grie­chen­land, Ser­bi­en, Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na und der Türkei;

- Auf­he­bung des Ent­schei­dungs­stopps des BAMF und Schutz­ge­wäh­rung von afgha­ni­schen Schutzsuchenden;

- Ein­stel­lung aller Wider­rufs- und Rück­nah­me­ver­fah­ren zu Asyl­ver­fah­ren von afgha­ni­schen Schutzsuchenden;

- sofor­ti­ger und von der IMK und dem BMI zu beschlie­ßen­der und unbe­fris­te­ter Abschie­be­stopp für Afghanistan.

Alle Presse­mitteilungen