PRO ASYL Geschäftsführer Günter Burkhardt fordert die Fortsetzung der Ad hoc Evakuierung von gefährdeten Afghan*innen über den 31.8. hinaus. PRO ASYL hat überdies gemeinsam mit Jurist*innen herausgearbeitet, wie Schutzsuchenden aus Afghanistan schnell die Aufnahme in Deutschland ermöglicht werden kann und sollte.
„Die Gefährdeten dürfen nicht in Afghanistan zurückgelassen werden. Ein Ende der Evakuierung ist unverantwortlich. Es dürfen nicht erneut Menschen im Stich gelassen werden, für die Deutschland und andere Staaten eine Verantwortung tragen“, sagt Günter Burkhardt anlässlich der heute bevorstehenden Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel.
Gleichwohl ist ein Ende der Evakuierung leider absehbar, auch wenn der Zeitpunkt hoffentlich nicht der 31. August ist. Deshalb fordert PRO ASYL: „Die Bundeskanzlerin muss für die Bundesregierung endlich klar Stellung beziehen zu einer Ausweitung der Ad hoc Evakuierung zu einem dauerhaften Aufnahmeprogramm auch aus den Nachbarstaaten Afghanistans. Auch Familienangehörige von in Deutschland lebenden Schutzbedürftigen sind in Gefahr. Ihre verzweifelte Situation ist bisher in Deutschland nicht angemessen wahrgenommen worden“, sagt Burkhardt.
Es müssen jetzt systematische und rechtliche Missstände in Deutschland beseitigt werden. An den deutschen Botschaften in Islamabad (Pakistan) und Neu-Delhi (Indien), die für Familiennachzug aus Afghanistan zuständig sind, warten rund 3.000 Afghanen auf einen Termin, um einen Visaantrag stellen zu dürfen. Auch sie brauchen umgehend Aufnahmezusagen – ebenso alle anhängigen Anträge auf Familiennachzug, die bereits gestellt wurden.
Begriff der Kernfamilie muss ausgeweitet werden
„Wir fordern schriftliche Aufnahmezusagen für alle Afghanen, die auf den Evakuierungslisten stehen. Sie müssen auch nach dem Ende der Militäraktion aus Afghanistan oder aus Nachbarstaaten zur Einreise nach Deutschland berechtigt sein. Dies muss jetzt sofort vorbereitet werden, um den Betroffenen Hoffnung zu geben. Ein Ende der militärisch gesicherten Luftbrücke darf nicht das Ende der Aufnahme nach Deutschland sein“, fordert Burkhardt.
PRO ASYL fordert zudem, die Aufnahmekriterien auszuweiten. Auch die volljährigen Töchter und Söhne, die bei der Aufnahme von Ortskräften und auch beim Familiennachzug in der Regel nicht berücksichtigt werden, müssen Visa erhalten. Die Aussage des Bundesinnenministers, dass zur Familie auch die erwachsenen Söhne und Töchter gehören, muss aufenthaltsrechtlich umgesetzt werden. Die Taliban interessiert der Begriff der sogenannten Kernfamilie aus dem deutschen Aufenthaltsrecht nicht, sie bedrohen und verfolgen auch Familienangehörige, die nicht der Kernfamilie angehören.
Rechtliche Spielräume – was jetzt passieren muss
Bereits am 18.8. hat PRO ASYL in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), Deutscher Anwaltverein (Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht, DAV), Europäisch Demokratische Anwält*innen (EDA), PRO ASYL, Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), Rechtsberaterkonferenz der Wohlfahrtsverbände unter anderem gefordert:
- umgehende Weisung, wonach jede deutsche Auslandsvertretung zur Annahme von Visaanträgen zuständig ist;
- umgehende Bearbeitung aller Anträge auf Familiennachzug einschließlich einer sofortigen Aufstockung der personellen und sachlichen Ressourcen an den Botschaften, insbesondere in Islamabad, Neu-Delhi und Teheran, um die zügige Bearbeitung von Visa zu gewährleisten;
- Ausschöpfung aller Ermessenspielräume und Absehen von Erteilungsvoraussetzungen wegen Vorliegens atypischer Fallgestaltungen im Rahmen von Familiennachzugsverfahren im Hinblick auf Sprachnachweise und Vorlage von Identitätsdokumenten;
- großzügige Anwendung von § 36 Abs. 2 AufenthG zugunsten von Familienangehörigen außerhalb der formalen Kernfamilie, insbesondere zugunsten von volljährigen alleinstehenden Kindern;
- Einrichtung eines Aufnahmeprogramms gem. § 23 AufenthG zugunsten von besonders vulnerablen und gefährdeten Personen / Personengruppen, und großzügige Anwendung von § 22 AufenthG;
- Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen aus Griechenland, Serbien, Bosnien-Herzegowina und der Türkei;
- Aufhebung des Entscheidungsstopps des BAMF und Schutzgewährung von afghanischen Schutzsuchenden;
- Einstellung aller Widerrufs- und Rücknahmeverfahren zu Asylverfahren von afghanischen Schutzsuchenden;
- sofortiger und von der IMK und dem BMI zu beschließender und unbefristeter Abschiebestopp für Afghanistan.