24.04.2024

Mit einem heu­te ver­öf­fent­lich­ten Gut­ach­ten machen PRO ASYL und Wadi e.V. auf die düs­te­re Lage der Jesid*innen im Irak auf­merk­sam – und for­dern zugleich einen sofor­ti­gen bun­des­wei­ten Abschie­be­stopp für Jesid*innen. Zudem müs­sen sie eine dau­er­haf­te und siche­re Blei­be­per­spek­ti­ve in Deutsch­land bekom­men.

Obwohl der Deut­sche Bun­des­tag Anfang 2023 die Ver­fol­gung der Jesid*innen als Völ­ker­mord aner­kannt hat und obwohl die Lage im Irak nach wie vor sehr unsi­cher ist, schie­ben seit eini­gen Mona­ten meh­re­re Bun­des­län­der wie­der Jesid*innen in den Irak ab. Und Tau­sen­de Jesid*innen fürch­ten, dass es ihnen bald eben­so ergeht.

„Es ist völ­lig unver­ant­wort­lich, jesi­di­sche Män­ner, Frau­en und Kin­der in ein Land abzu­schie­ben, in dem sie kei­ne Lebens­grund­la­ge haben und kein siche­res Leben füh­ren kön­nen. Abzu­schie­ben in das Land des Völ­ker­mords, in dem sie ehe­ma­li­gen Tätern begeg­nen und sich stän­dig bedroht füh­len müs­sen. Des­halb muss es sofort einen bun­des­wei­ten Abschie­be­stopp für Jesid*innen geben, damit Tau­sen­de Jesid*innen nicht wei­ter in Angst vor einer Abschie­bung leben müs­sen“, sagt Karl Kopp, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

Bun­des­re­gie­rung muss Ver­ant­wor­tung übernehmen 

PRO ASYL und Wadi for­dern die Bun­des­re­gie­rung auf, end­lich Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und Klar­heit zu schaf­fen. Ob Jesid*innen abge­scho­ben wer­den oder nicht, darf nicht ein­zel­nen Bun­des­län­dern über­las­sen werden.

Spä­tes­tens seit dem Völ­ker­mord durch die Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on Isla­mi­scher Staat im Jahr 2014 ist das Sin­jar-Gebiet im Nord­irak, in dem die Jesid*innen seit Jahr­hun­der­ten leben, zu einem lebens­ge­fähr­li­chen Brenn­punkt gewor­den, beschreibt das Gut­ach­ten „Zehn Jah­re nach dem Völ­ker­mord: Zur Lage der Jesi­din­nen und Jesi­den im Irak“. Dort kämp­fen staat­li­che und nicht-staat­li­che Akteu­re rück­sichts­los um Macht und Einfluss.

In dem stra­te­gisch wich­ti­gen Grenz­ge­biet zwi­schen Irak, Syri­en, Tür­kei und Iran pral­len die Inter­es­sen auf­ein­an­der – und die Jesid*innen ste­hen mit­ten­drin und zwi­schen allen Fron­ten. Rund 200.000 har­ren noch immer in ira­ki­schen Flücht­lings­la­gern aus ohne Aus­sicht, sie ver­las­sen zu kön­nen. Auch die Rede von einer soge­nann­ten inner­i­ra­ki­schen Flucht­al­ter­na­ti­ve geht an der Rea­li­tät vor­bei, weil eine jesi­di­sche Fami­lie nicht in einen ande­ren Lan­des­teil gehen könn­te: Dort wäre sie ohne die lebens­wich­ti­ge Gemein­schaft und ohne Schutz.

Nicht in das Land des Völ­ker­mords abschieben

„Men­schen, die als Opfer eines Völ­ker­mords aner­kannt wur­den, dür­fen nicht in das Land des Völ­ker­mords abge­scho­ben wer­den. Wenn der Bun­des­tag in Ber­lin weni­ge Hun­dert Meter ent­fernt vom Holo­caust-Denk­mal einen Völ­ker­mord aner­kennt, soll­te er die dar­aus ent­ste­hen­de Ver­ant­wor­tung ernst neh­men. Dies wäre auch ein wich­ti­ges Zei­chen für ande­re euro­päi­sche Län­der. Deutsch­land muss den Jesid*innen Sicher­heit geben, erst recht, nach­dem es sie als Opfer eines Völ­ker­mords aner­kannt hat“, sagt Tho­mas von der Osten-Sacken, Geschäfts­füh­rer von Wadi e.V.

In Deutsch­land exis­tiert mit rund 250.000 Men­schen nicht nur die größ­te jesi­di­sche Dia­spo­ra in Euro­pa, son­dern nach dem Irak die zweit­größ­te welt­weit. Sie leben vor allem in Nie­der­sach­sen und Nord­rhein-West­fa­len. Geschätzt sind der­zeit 5.000 bis 10.000 ira­ki­sche Jesid*innen aus­rei­se­pflich­tig und von Abschie­bun­gen in den Irak bedroht. Denn Mit­te 2023 began­nen die ers­ten Bun­des­län­der auf dem Hin­ter­grund einer enger wer­den­den Koope­ra­ti­on mit dem Irak und Gerichts­ur­tei­len, wonach es im Irak kei­ne grup­pen­spe­zi­fi­sche Ver­fol­gung mehr gebe, Jesid*innen in den Irak abzuschieben.

Gut­ach­ten als Ent­schei­dungs­grund­la­ge für Behör­den und Gerichte

Das von PRO ASYL und Wadi e.V. in deut­scher und eng­li­scher Spra­che her­aus­ge­ge­be­ne Gut­ach­ten stellt die tra­gi­sche Lage der jesi­di­schen Gemein­schaft im Irak und die Hin­ter­grün­de dazu dar – kom­pakt und umfas­send samt der inner­i­ra­ki­schen Kon­flik­te. Damit wol­len die bei­den Orga­ni­sa­tio­nen eine Infor­ma­ti­ons­lü­cke schlie­ßen und eine Grund­la­ge für qua­li­fi­zier­te Ent­schei­dun­gen schaf­fen. Denn immer wie­der ent­schei­den Behör­den und Gerich­te über die Zukunft jesi­di­scher Men­schen und las­sen dabei die dra­ma­ti­sche Situa­ti­on, in die sie die Men­schen schi­cken, außer Acht.

Im Gut­ach­ten geht es auch um die Jesid*innen als Grup­pe, deren Lebens­grund­la­gen sys­te­ma­tisch – und dar­um geht es beim Völ­ker­mord – zer­stört wur­den. Das unter­schei­det sie von vie­len ande­ren aus dem Nahen Osten, die vor Krieg und Zer­stö­rung flie­hen: Der Isla­mi­sche Staat woll­te nicht nur Jesid*innen ver­nich­ten, son­dern die jesi­di­sche Exis­tenz. So wächst mit jeder Abschie­bung die Angst, dass nicht nur Ein­zel­ne gewalt­sam aus ihrer neu­en Hei­mat geris­sen und in eine unge­wis­se Zukunft geschickt wer­den, son­dern dass auch hier die jesi­di­sche kol­lek­ti­ve Exis­tenz bedroht ist.

Seit vie­len Mona­ten for­dern jesi­di­sche und ande­re Orga­ni­sa­tio­nen wie PRO ASYL und Wadi e.V. einen Abschie­be­stopp für Jesid*innen, unter ande­rem mit einem offe­nen Brief an die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten.

Das Gut­ach­ten kann in deut­scher und eng­li­scher Spra­che her­un­ter­ge­la­den werden.

Kon­takt:
Pres­se­stel­le PRO ASYL, presse@proasyl.de, 069 24 23 14 30
Wadi e.V., Tho­mas von der Osten-Sacken, Geschäfts­füh­rer, thomas.osten-sacken@wadi-online.de, 0151 56 90 60 02

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