PRO ASYL fordert die Länder auf, am Freitag den Vermittlungsausschuss anzurufen
Anlässlich der morgen im Bundesrat stattfindenden Anhörung fordert PRO ASYL den Bundesrat auf, die Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates ernst zu nehmen und den Vermittlungsausschuss anzurufen. Neben dem öffentlich beachteten Geordnete-Rückkehr-Gesetz, sind auch das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und das Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung inakzeptabel.
PRO ASYL befürchtet, dass SPD- und Unionsregierte Länder sich scheuen, die Länderinteressen zu vertreten: »Die Länder und die Kommunen werden für die Abschreckungs- und Desintegrationspolitik der Bundesregierung einen hohen Preis in Millionenhöhe zahlen«, warnt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. »Die Treue zur GroKo darf nicht über den Länderinteressen und dem Rechtstaat stehen. Wir fordern, dass die Bundesländer am Freitag Rückgrat zeigen und den Vermittlungsausschuss anrufen«.
PRO ASYL appelliert an Grüne und Linke in den Bundesländern, dieser drastischen Mittelkürzung nicht zuzustimmen. Bei der Abstimmung über das AsylbLG zählen Enthaltungen faktisch als Nein-Stimmen. So kann erst einmal verhindert werden, dass das Gesetz in Kraft tritt.
Zum Asylbewerberleistungsgesetz
Beim Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) drohen massive Kürzungen aufgrund der Definition von zufällig zusammengewürfelten Menschen als »Schicksalsgemeinschaft«. Die Situation in vielen Gemeinschaftsunterkünften ist bereits jetzt erheblich angespannt; während eine Integration durch die Isolierung in Großunterkünftigen behindert wird. Es ist absehbar, dass die weitere Stigmatisierung durch erhebliche Mittelkürzungen zu weiterer Frustration in einer ohnehin angespannten Situation führen wird.
Erwachsene Leistungsberechtigte, die in Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, sollen nur noch Leistungen der Regelbedarfsstufe 2 erhalten. Dies bedeutet eine Leistungskürzung um 10 Prozent (34 Euro) gegenüber der bisher geltenden Regelsatzstufe 1. Gerechtfertigt wird dies laut Gesetzesbegründung mit vermeintlichen »Einspareffekten«, die denen in Paarhaushalten vergleichbar seien. Aufgrund eines zu erwartenden »gemeinsamen Wirtschaftens«. Die Leistungsberechtigten bildeten »der Sache nach eine Schicksalsgemeinschaft«, es könne daher von einer entsprechenden »Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung« ausgegangen werden.
Diese Begründung ist schlicht abwegig. In einer Partnerschaft oder Familie als »Einstandsgemeinschaft« kann man möglicherweise ein gemeinsames Wirtschaften annehmen, nicht aber in einer Gemeinschaftsunterkunft. Es handelt sich nämlich nicht um ein frei gewähltes Zusammenleben, sondern um eine Zwangsgemeinschaft, in der ein gemeinsames Wirtschaften nicht zu erwarten ist.
Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber etwa Leistungsberechtigte nach dem SGB II, die in einer Wohngemeinschaft leben, nicht der Regelbedarfsstufe 2, sondern der Regelbedarfsstufe 1 zugeordnet – er erwartet in diesem (frei gewählten) Zusammenleben also kein gemeinsames Wirtschaften.
Zum Geordnete Rückkehr Gesetz:
PRO ASYL stimmt der Einschätzung der Ausschüsse des Bundesrates zu, dass das »Hau-Ab«-Gesetz zu Unrecht vom Bundestag als nicht zustimmungspflichtig eingestuft wurde. Dies bedeutet, dass die Mehrheit der Länder aktiv den Vermittlungsausschuss anrufen muss. Im Gegensatz zur Abstimmung beim AsylbLG wird mit einer Enthaltung die Wahrscheinlichkeit steigen, dass das Gesetz in der jetzigen Fassung in Kraft tritt.
Nach den Empfehlungen der Fachausschüsse der Bundesländer wird das »Hau-Ab«-Gesetz zu Mehrkosten führen und ist deshalb zustimmungspflichtig. Allein die baulichen Maßnahmen für die ca. 3.000 Gemeinschaftseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft werden allein in NRW zu einer geschätzten Investitionssumme von 150 Millionen Euro führen (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 3). Die Folgekosten der Ausweitung der Zwangsisolierung in der Erstaufnahme und der Zwang, Sachleistungen zu zahlen wird zu einer Steigerung von 31,43 Euro auf 47,51 Euro bei Unterbringung in der Erstaufnahme führen (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 7). Dies ist eine Steigerung um rund 50%. Die Ausweitung der Zwangsunterbringung in der Erstaufnahme von 6 auf 18 Monate und länger bringt weitere enorme Folgekosten für die Länder mit sich: Die Kosten des menschlichen Leids, der Tatsache, dass Existenzen psychisch zerstört werden und die Integration in Ausbildung und Arbeit verhindert wird, sind enorm und nicht eingerechnet. Hier werden Menschen in die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen getrieben.
Das Gesetz ist zudem rechtswidrig, da die geplante Vermischung von Strafhaft und Abschiebungshaft die Menschenwürde verletzt und klar dem Europarecht zuwiderläuft. Der Rechtsausschuss des Bundesrates hat prägnant die Rechtswidrigkeit des Gesetzes dargelegt (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 4 f). Extrem problematisch ist außerdem die neue Möglichkeit, ausreisepflichtige Personen schon 30 Tage nach Ablauf ihrer Ausreisefrist ins Ausreisegewahrsam zu nehmen – unabhängig davon, ob es Anzeichen dafür gibt, untertauchen zu wollen. Gleichzeitig soll im Rahmen der Abschiebung den Behörden ermöglicht werden, ohne richterlichen Beschluss die Wohnung der Betroffenen zu betreten und diese zum Flughafen zu bringen.