27.06.2019

PRO ASYL for­dert die Län­der auf, am Frei­tag den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anzurufen 

Anläss­lich der mor­gen im Bun­des­rat statt­fin­den­den Anhö­rung for­dert PRO ASYL den Bun­des­rat auf, die Emp­feh­lun­gen der Aus­schüs­se des Bun­des­ra­tes ernst zu neh­men und den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anzu­ru­fen. Neben dem öffent­lich beach­te­ten Geord­ne­te-Rück­kehr-Gesetz, sind auch das Drit­te Gesetz zur Ände­rung des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes und das Gesetz über Dul­dung bei Aus­bil­dung und Beschäf­ti­gung inakzeptabel.

PRO ASYL befürch­tet, dass SPD- und Uni­ons­re­gier­te Län­der sich scheu­en, die Län­der­in­ter­es­sen zu ver­tre­ten: »Die Län­der und die Kom­mu­nen wer­den für die Abschre­ckungs- und Des­in­te­gra­ti­ons­po­li­tik der Bun­des­re­gie­rung einen hohen Preis in Mil­lio­nen­hö­he zah­len«, warnt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. »Die Treue zur Gro­Ko darf nicht über den Län­der­in­ter­es­sen und dem Recht­staat ste­hen. Wir for­dern, dass die Bun­des­län­der am Frei­tag Rück­grat zei­gen und den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anrufen«.

PRO ASYL appel­liert an Grü­ne und Lin­ke in den Bun­des­län­dern, die­ser dras­ti­schen Mit­tel­kür­zung nicht zuzu­stim­men. Bei der Abstim­mung über das Asyl­bLG zäh­len Ent­hal­tun­gen fak­tisch als Nein-Stim­men. So kann erst ein­mal ver­hin­dert wer­den, dass das Gesetz in Kraft tritt.

Zum Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz

Beim Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz (Asyl­bLG) dro­hen mas­si­ve Kür­zun­gen auf­grund der Defi­ni­ti­on von zufäl­lig zusam­men­ge­wür­fel­ten Men­schen als »Schick­sals­ge­mein­schaft«. Die Situa­ti­on in vie­len Gemein­schafts­un­ter­künf­ten ist bereits jetzt erheb­lich ange­spannt; wäh­rend eine Inte­gra­ti­on durch die Iso­lie­rung in Groß­un­ter­künf­ti­gen behin­dert wird. Es ist abseh­bar, dass die wei­te­re Stig­ma­ti­sie­rung durch erheb­li­che Mit­tel­kür­zun­gen zu wei­te­rer Frus­tra­ti­on in einer ohne­hin ange­spann­ten Situa­ti­on füh­ren wird.

Erwach­se­ne Leis­tungs­be­rech­tig­te, die in Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen oder Gemein­schafts­un­ter­künf­ten unter­ge­bracht sind, sol­len nur noch Leis­tun­gen der Regel­be­darfs­stu­fe 2 erhal­ten. Dies bedeu­tet eine Leis­tungs­kür­zung um 10 Pro­zent (34 Euro) gegen­über der bis­her gel­ten­den Regel­satz­stu­fe 1. Gerecht­fer­tigt wird dies laut Geset­zes­be­grün­dung mit ver­meint­li­chen »Ein­spar­ef­fek­ten«, die denen in Paar­haus­hal­ten ver­gleich­bar sei­en. Auf­grund eines zu erwar­ten­den »gemein­sa­men Wirt­schaf­tens«. Die Leis­tungs­be­rech­tig­ten bil­de­ten »der Sache nach eine Schick­sals­ge­mein­schaft«, es kön­ne daher von einer ent­spre­chen­den »Soli­da­ri­sie­rung in der Gemein­schafts­un­ter­brin­gung« aus­ge­gan­gen werden.

Die­se Begrün­dung ist schlicht abwe­gig. In einer Part­ner­schaft oder Fami­lie als »Ein­stands­ge­mein­schaft« kann man mög­li­cher­wei­se ein gemein­sa­mes Wirt­schaf­ten anneh­men, nicht aber in einer Gemein­schafts­un­ter­kunft. Es han­delt sich näm­lich nicht um ein frei gewähl­tes Zusam­men­le­ben, son­dern um eine Zwangs­ge­mein­schaft, in der ein gemein­sa­mes Wirt­schaf­ten nicht zu erwar­ten ist.

Aus gutem Grund hat der Gesetz­ge­ber etwa Leis­tungs­be­rech­tig­te nach dem SGB II, die in einer Wohn­ge­mein­schaft leben, nicht der Regel­be­darfs­stu­fe 2, son­dern der Regel­be­darfs­stu­fe 1 zuge­ord­net – er erwar­tet in die­sem (frei gewähl­ten) Zusam­men­le­ben also kein gemein­sa­mes Wirtschaften.

Zum Geord­ne­te Rück­kehr Gesetz: 

PRO ASYL stimmt der Ein­schät­zung der Aus­schüs­se des Bun­des­ra­tes zu, dass das »Hau-Ab«-Gesetz zu Unrecht vom Bun­des­tag als nicht zustim­mungs­pflich­tig ein­ge­stuft wur­de. Dies bedeu­tet, dass die Mehr­heit der Län­der aktiv den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anru­fen muss. Im Gegen­satz zur Abstim­mung beim Asyl­bLG wird mit einer Ent­hal­tung die Wahr­schein­lich­keit stei­gen, dass das Gesetz in der jet­zi­gen Fas­sung in Kraft tritt.

Nach den Emp­feh­lun­gen der Fach­aus­schüs­se der Bun­des­län­der wird das »Hau-Ab«-Gesetz zu Mehr­kos­ten füh­ren und ist des­halb zustim­mungs­pflich­tig. Allein die bau­li­chen Maß­nah­men für die ca. 3.000 Gemein­schafts­ein­rich­tun­gen in kom­mu­na­ler Trä­ger­schaft wer­den allein in NRW zu einer geschätz­ten Inves­ti­ti­ons­sum­me von 150 Mil­lio­nen Euro füh­ren (Bun­des­rats­druck­sa­che 275/1/19, Sei­te 3). Die Fol­ge­kos­ten der Aus­wei­tung der Zwangs­iso­lie­rung in der Erst­auf­nah­me und der Zwang, Sach­leis­tun­gen zu zah­len wird zu einer Stei­ge­rung von 31,43 Euro auf 47,51 Euro bei Unter­brin­gung in der Erst­auf­nah­me füh­ren (Bun­des­rats­druck­sa­che 275/1/19, Sei­te 7). Dies ist eine Stei­ge­rung um rund 50%. Die Aus­wei­tung der Zwangs­un­ter­brin­gung in der Erst­auf­nah­me von 6 auf 18 Mona­te und län­ger bringt wei­te­re enor­me Fol­ge­kos­ten für die Län­der mit sich: Die Kos­ten des mensch­li­chen Leids, der Tat­sa­che, dass Exis­ten­zen psy­chisch zer­stört wer­den und die Inte­gra­ti­on in Aus­bil­dung und Arbeit ver­hin­dert wird, sind enorm und nicht ein­ge­rech­net. Hier wer­den Men­schen in die Abhän­gig­keit von staat­li­chen Leis­tun­gen getrieben.

Das Gesetz ist zudem rechts­wid­rig, da die geplan­te Ver­mi­schung von Straf­haft und Abschie­bungs­haft die Men­schen­wür­de ver­letzt und klar dem Euro­pa­recht zuwi­der­läuft. Der Rechts­aus­schuss des Bun­des­ra­tes hat prä­gnant die Rechts­wid­rig­keit des Geset­zes dar­ge­legt (Bun­des­rats­druck­sa­che 275/1/19, Sei­te 4 f). Extrem pro­ble­ma­tisch ist außer­dem die neue Mög­lich­keit, aus­rei­se­pflich­ti­ge Per­so­nen schon 30 Tage nach Ablauf ihrer Aus­rei­se­frist ins Aus­rei­se­ge­wahr­sam zu neh­men – unab­hän­gig davon, ob es Anzei­chen dafür gibt, unter­tau­chen zu wol­len. Gleich­zei­tig soll im Rah­men der Abschie­bung den Behör­den ermög­licht wer­den, ohne rich­ter­li­chen Beschluss die Woh­nung der Betrof­fe­nen zu betre­ten und die­se zum Flug­ha­fen zu bringen.

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