19.10.2023

PRO ASYL und Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te (GFF) zie­hen für die Unver­letz­lich­keit der Woh­nung in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen vor das Bundesverfassungsgericht.

GFF und PRO ASYL erhe­ben heu­te mit dem Klä­ger Alas­sa Mfoua­pon Ver­fas­sungs­be­schwer­de, um den grund­recht­li­chen Schutz der Woh­nung für geflüch­te­te Men­schen zu stär­ken. Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de rich­tet sich gegen ein Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts-Urteil im Juni die­ses Jah­res, das nach Auf­fas­sung der Orga­ni­sa­tio­nen das Grund­recht auf Schutz der Woh­nung verletzte.

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ent­schied, dass die Poli­zei 2018 ohne Durch­su­chungs­be­schluss nachts in das Schlaf­zim­mer von Alas­sa Mfoua­pon in der Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung Ell­wan­gen ein­drin­gen durf­te, um ihn abzu­schie­ben. Die Poli­zei habe das klei­ne Wohn­heim­zim­mer auf einen Blick erfas­sen kön­nen, eine Durch­su­chung im engen Sin­ne habe nicht statt­ge­fun­den. Außer­dem begrün­de die Aus­rei­se­pflicht des Klä­gers eine drin­gen­de Gefahr und recht­fer­ti­ge das Betre­ten des Zimmers.

Die ein­ge­reich­te Ver­fas­sungs­be­schwer­de zielt dar­auf ab, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die gel­ten­den Schutz­stan­dards zum Schutz der Woh­nung klarzieht.

„Die­ses Urteil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts kön­nen wir nicht ste­hen­las­sen. Das Gericht ent­kernt den grund­recht­li­chen Schutz der Woh­nung. Die Unver­letz­lich­keit der Woh­nung ist wenig wert, wenn staat­li­che Akteu­re die Zim­mer in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen nach Belie­ben und sogar nachts betre­ten kön­nen“, kri­ti­siert Sarah Lin­coln, Rechts­an­wäl­tin bei der GFF. „Dabei brau­chen gera­de Geflüch­te­te, die häu­fig durch Krieg, Ver­fol­gung und Flucht schwer trau­ma­ti­siert sind, einen geschütz­ten Rückzugsraum.“

„War­um kann die Poli­zei nicht klop­fen und war­ten, bis ich an die Tür kom­me? Statt­des­sen stürmt sie ein­fach nachts mein Zim­mer, ohne Vor­ankün­di­gung, ohne Abwar­ten und vor allem ohne einen Durch­su­chungs­be­schluss“, kri­ti­siert der Beschwer­de­füh­rer Alas­sa Mfoua­pon. „Ich wün­sche mir eine Klar­stel­lung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, dass die Rech­te von Geflüch­te­ten genau­so viel zäh­len, wie die Rech­te von ande­ren Menschen.“

„Das Urteil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts fügt sich naht­los in den der­zei­ti­gen Trend ein, die Grund­rech­te von Geflüch­te­ten für popu­lis­ti­sche migra­ti­ons­po­li­ti­sche For­de­run­gen zu opfern. Mit dem neus­ten Hau-Ab-Gesetz aus dem Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um soll dies nun noch ver­schärft wer­den. Wenn die Poli­zei nachts in jedes Zim­mer darf, ver­brei­tet das gro­ße Angst und ist voll­kom­men unver­hält­nis­mä­ßig“, kom­men­tiert Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL. „Es ist Zeit für ein kla­res Signal aus Karls­ru­he: Geflüch­te­te und Migran­ten dür­fen grund­recht­lich nicht wie Men­schen zwei­ter Klas­se behan­delt werden!“

Die Unver­letz­lich­keit der Woh­nung gilt für alle Men­schen in Deutsch­land und schützt davor, dass der Staat in den Rück­zugs­raum der eige­nen vier Wän­de ein­dringt. Das Recht auf räum­li­che Pri­vat­sphä­re hat einen star­ken Bezug zur Men­schen­wür­de. Auch des­we­gen stellt das Grund­ge­setz stren­ge Anfor­de­run­gen an staat­li­che Ein­grif­fe in die Pri­vat­sphä­re der Woh­nung. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt bestä­tig­te im Juni zwar, dass die grund­recht­li­che Unver­letz­lich­keit der Woh­nung auch für Zim­mer in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen gilt. Gleich­zei­tig riss das Gericht jedoch die bewusst hoch gesetz­ten Hür­den für Ein­grif­fe in die­ses Grund­recht wie­der ein, indem es eine Durch­su­chung nur bei tat­säch­lich erfor­der­li­chem Suchen annahm und für eine drin­gen­de Gefahr wie­der­um die voll­zieh­ba­re Aus­rei­se­pflicht genü­gen ließ.

Der­zeit ste­hen meh­re­re ein­schnei­den­de Vor­schlä­ge der Bun­des­re­gie­rung im Raum – wie das Aus­le­sen von Han­dys geflüch­te­ter Men­schen oder die Kür­zung von Sozi­al­leis­tun­gen für Men­schen in Sam­mel­un­ter­künf­ten –, die bereits von obers­ten Gerich­ten für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt wur­den. Aus Sicht der GFF und von PROASYL wer­den Ver­fah­ren wie die­se zur Beweis­pro­be, dass staat­li­che Stel­len die Bin­dung an Ver­fas­sung und Grund­rech­te ernstnehmen.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Ver­fah­ren fin­den Sie unter: 

https://freiheitsrechte.org/themen/soziale-teilhabe/lea-ellwangen

 

Bei Rück­fra­gen wen­den Sie sich an:

Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te (GFF): Dr. Maria Schar­lau, presse@freiheitsrechte.org, 030/549 08 10 55 oder 01579/2493108

PRO ASYL: presse@proasyl.de, 069/24231430

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