29.08.2023

Zum 40. Todes­tag von Cemal Kemal Alt­un, der ange­sichts sei­ner dro­hen­den Aus­lie­fe­rung an die tür­ki­sche Mili­tär­dik­ta­tur in den Tod sprang, mahnt PRO ASYL, das indi­vi­du­el­le Asyl­recht zu ver­tei­di­gen. Auch heu­te muss auf­grund der dor­ti­gen Repres­sio­nen ein Augen­merk auf die Flucht­be­we­gung aus der Tür­kei gelegt wer­den. Die Tür­kei gehört in die­sem Jahr zu den drei Haupt­her­kunfts­län­dern von Schutz­su­chen­den in Deutschland.

Vor 40 Jah­ren, am Mor­gen des 30. August 1983, stürz­te sich Cemal Kemal Alt­un (13.04.1960 – 30.08.1983) aus Angst vor sei­ner dro­hen­den Aus­lie­fe­rung in die Tür­kei aus dem 6. Stock des Ver­wal­tungs­ge­richts in Ber­lin. Über ein Jahr ver­brach­te er zuvor in Aus­lie­fe­rungs­haft. Alt­un war vor der tür­ki­schen Mili­tär­dik­ta­tur, die bekannt dafür war, Regimekritiker*innen zu fol­tern, nach Deutsch­land geflo­hen. Nach­dem er aus den Medi­en erfuhr, dass in der Tür­kei sei­ne Per­son in Ver­bin­dung mit einem Mord gebracht und gesucht wur­de, stell­te er einen Asyl­an­trag. Die dama­li­ge Bun­des­re­gie­rung nahm pro­ak­tiv Kon­takt zu den tür­ki­schen Behör­den auf und hielt selbst dann noch an der Aus­lie­fe­rung fest, als Alt­un durch die dama­li­ge Behör­de als asyl­be­rech­tigt aner­kannt wurde.

„Cemal Kemal Alt­un wur­de von der deut­schen Poli­tik in den Tod getrie­ben. Sein Tod zeigt die Bedeu­tung von Asyl als grund­le­gen­des Men­schen­recht und die Ver­ant­wor­tung demo­kra­ti­scher Staa­ten, nie­man­den an einen Ver­fol­ger­staat aus­zu­lie­fern. In Alt­uns Fall hat­te sich die deut­sche Poli­tik als Hand­lan­ger eines dik­ta­to­ri­schen Unrechts­staats erwie­sen. Das darf nie wie­der pas­sie­ren!,“ so Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL.

Flucht aus der Tür­kei nimmt wie­der zu

Auch heu­te flie­hen wie­der zuneh­mend Men­schen aus der Tür­kei. Bis Juni 2023 stell­ten 19.208 tür­ki­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge erst­mals einen Asy­l­erst­an­trag, mehr Anträ­ge wur­den nur von Schutz­su­chen­den aus Syri­en und Afgha­ni­stan regis­triert. In den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren wur­den unter der Regie­rung von Staats­prä­si­dent Erdoğan rechts­staat­li­che Insti­tu­tio­nen abge­baut, die Men­schen­rechts­la­ge ist ero­diert. Beson­ders nach der dies­jäh­ri­gen Wie­der­wahl Erdoğans haben vie­le Men­schen in der Tür­kei jeg­li­che Hoff­nung auf bal­di­ge Ver­bes­se­run­gen verloren.

Sys­te­ma­tisch nutzt die tür­ki­sche Regie­rung den Jus­tiz­ap­pa­rat, um Oppo­si­tio­nel­le, Kritiker*innen und Min­der­hei­ten zu ver­fol­gen. Auch wenn das Rechts­staat­lich­keits­de­fi­zit ins­be­son­de­re bei poli­ti­schen Ver­fah­ren unbe­strit­ten ist, wer­den in deut­schen Asyl­ver­fah­ren nach Beob­ach­tung von PRO ASYL den­noch Tat­vor­wür­fe der tür­ki­schen Straf­jus­tiz immer wie­der unkri­tisch über­nom­men. Ins­be­son­de­re aus der kur­di­schen Com­mu­ni­ty wird PRO ASYL zudem regel­mä­ßig auf Fäl­le auf­merk­sam gemacht, in denen zumin­dest zwei­fel­haf­te Abschie­be­ver­su­che unter­nom­men wer­den. Beson­ders bri­sant war der Fall der kur­di­schen Akti­vis­tin Naz­dar Ece­vit, deren Abschie­bung 2021 in letz­ter Sekun­de gestoppt und der in einem Fol­ge­ver­fah­ren letzt­lich sogar Asyl zuge­spro­chen wurde.

„Trotz der bekann­ten mise­ra­blen Men­schen­rechts­la­ge wird poli­ti­sche Ver­fol­gung in der Tür­kei vom Bun­des­amt und von Gerich­ten immer wie­der ver­kannt. Die Kon­se­quenz ist, dass gefähr­de­te Men­schen abge­scho­ben wer­den sol­len. Dabei ist bekannt, dass Straf- und Ter­ro­ris­mus­ver­fah­ren von der tür­ki­schen Regie­run­gen gezielt dafür genutzt wer­den, unlieb­sa­me Per­so­nen zu ver­fol­gen. Es braucht end­lich ein Umden­ken von Behör­den und Gerich­ten,“ for­dert Judith.

Infor­ma­tio­nen zur Gedenk­ver­an­stal­tung am 30. August ab 18.30 Uhr in Berlin

PRO ASYL lädt gemein­sam mit einer Künstler*innen-Initiative zum Geden­ken an Cemal Kemal Alt­un ein:

Gedenk­ver­an­stal­tung
am 30.08. zwi­schen 18:30 und 20 Uhr
Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung in Berlin

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zur Ver­an­stal­tung sowie den Link zur Anmel­dung fin­den Sie hier. Im Anschluss an die Ver­an­stal­tung wer­den beim Gedenk­stein für Cemal Kemal Alt­un in der Har­den­berg­stra­ße 20 in Berlin/Charlottenburg Blu­men niedergelegt.

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