15.09.2023

Am Frei­tag, den 15. Sep­tem­ber 2023, wird in meh­re­ren von PRO ASYL unter­stüt­zen Kla­ge­ver­fah­ren am Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin dar­über ver­han­delt, ob Deutsch­land die Orts­kräf­te eines Poli­zei­pro­jek­tes in Afgha­ni­stan auf­neh­men muss, um sie so vor den Tali­ban zu ret­ten. PRO ASYL kri­ti­siert die will­kür­li­che Aus­le­se bei akut bedroh­ten Ver­bün­de­ten und for­dert die Bun­des­re­gie­rung auf, ihr Ver­spre­chen zu halten.

Der Rechts­an­walt Mat­thi­as Leh­nert ver­tritt in dem vom PRO ASYL Rechts­hil­fe­fonds finan­zier­ten Ver­fah­ren meh­re­re Afgha­nen, die in einem gemein­sa­men Poli­zei­pro­jekt (PCP) der Deut­schen Gesell­schaft für Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit (GIZ) und des ehe­ma­li­gen afgha­ni­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums gear­bei­tet haben. Sie waren als Lehr­per­so­nal für die Aus­bil­dung afgha­ni­scher Polizist*innen im gan­zen Land tätig und gaben unter ande­rem Schu­lun­gen zu Men­schen­rechts­fra­gen. Dies macht sie nun zur Ziel­schei­be der Tali­ban, vie­le wer­den bedroht. Bei einem der Klä­ger – der sich an einem ande­ren Ort ver­steckt hielt – fan­den bei­spiels­wei­se in den letz­ten Mona­ten immer wie­der Durch­su­chun­gen sei­nes alten Hau­ses statt. Die Tali­ban bezeich­ne­ten ihn dabei als Spi­on der Deut­schen. Der Klä­ger wur­de schließ­lich doch von den Tali­ban fest­ge­nom­men, für etwa drei Wochen in Haft gehal­ten und immer wie­der mit einem Schlag­stock ver­prü­gelt. Nach Zah­lung einer Kau­ti­on wur­de er vor­erst auf frei­en Fuß gesetzt.

Auch bei vie­len ande­ren der über 3.000 PCP-Mitarbeiter*innen kam es immer wie­der zu Droh­an­ru­fen, Vor­la­dun­gen und Haus­durch­su­chun­gen durch die Tali­ban, in eini­gen Fäl­len sogar zu Fest­nah­men und Fol­te­run­gen. Die Bun­des­re­gie­rung hat­te ver­spro­chen, gefähr­de­ten Orts­kräf­ten unbü­ro­kra­tisch zu hel­fen. Doch vie­le der Hil­fe­er­su­chen wur­den abge­lehnt, so auch die der Klä­ger in den anhän­gi­gen Ver­fah­ren. Der Grund: Sie hat­ten „nur“ einen Werk­ver­trag mit der GIZ und kei­nen Arbeitsvertrag.

„Deutsch­land hat in Afgha­ni­stan mas­siv auf loka­le Arbeits­kräf­te gesetzt. Sie waren das Gesicht des deut­schen Enga­ge­ments in dem Land und wer­den des­we­gen von den Tali­ban ver­folgt. Das gilt erst recht für die PCP-Mit­ar­bei­te­rin­nen und ‑Mit­ar­bei­ter, die öffent­lich sicht­bar im Sicher­heits­sek­tor tätig waren Trotz­dem lässt die Bun­des­re­gie­rung sie im Stich und schiebt büro­kra­ti­sche Details vor. Als ob die Tali­ban sich erst ein­mal die Ver­trä­ge mit deut­schen Orga­ni­sa­tio­nen oder Behör­den anschau­en wür­den, bevor sie ent­füh­ren oder ermor­den. Das ist eine per­fi­de Stra­te­gie, um die Auf­nah­me­zah­len gering zu hal­ten. Die­se Men­schen müs­sen nach Deutsch­land in Sicher­heit kom­men!“, for­dert Peter von Auer, rechts­po­li­ti­scher Refe­rent bei PRO ASYL.

„In der poli­ti­schen Debat­te wird stets sug­ge­riert, dass die Auf­nah­me von Orts­kräf­ten ein Gna­den­akt oder huma­ni­tä­re Groß­zü­gig­keit wäre. Das stimmt aber nicht. Natür­lich hat Deutsch­land hier eine ver­fas­sungs­recht­li­che Schutz­pflicht. Denn die Ver­fol­gung der ehe­ma­li­gen Orts­kräf­te durch die Tali­ban ist Deutsch­land zure­chen­bar“, ergänzt Rechts­an­walt Mat­thi­as Leh­nert. Dies zeigt auch eine Expert Opi­ni­on der Human Rights Cli­nic des Cent­re for Human Rights Erlan­gen-Nürn­berg vom August 2022, die in Koope­ra­ti­on mit PRO ASYL erstellt wur­de (Kurz­fas­sung sie­he hier).

Einer der afgha­ni­schen Klä­ger beschreibt sei­ne Lage wie folgt: „Wir befin­den uns seit zwei Jah­ren in einer sehr schlech­ten Lebens­la­ge und haben durch die Zusam­men­ar­beit mit deut­schen Orga­ni­sa­tio­nen gro­ße mate­ri­el­le und imma­te­ri­el­le Ver­lus­te erlitten.“

PRO ASYL for­dert von der Ampel-Regie­rung die schnel­le und unbü­ro­kra­ti­sche Auf­nah­me von Orts­kräf­ten, die in Afgha­ni­stan für Deutsch­land gear­bei­tet und sich somit in Lebens­ge­fahr bege­ben haben – unab­hän­gig von der Aus­ge­stal­tung ihrer Verträge.

Infor­ma­tio­nen zu den Verhandlungen

Die Ver­hand­lun­gen fin­den am Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin, Kirch­stra­ße 7, 10557 Ber­lin statt und star­ten um 12:00 Uhr. Für PRO ASYL wird Peter von Auer vor Ort sein. Die münd­li­chen Ver­hand­lun­gen sind öffentlich.

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