09.09.2022

PRO ASYL und rund 60 NGOs aus ganz Euro­pa war­nen in einem Brand­brief vom 8. Sep­tem­ber ange­sichts einer der­zeit dis­ku­tier­ten EU-Ver­ord­nung vor einer weit­rei­chen­den Aus­he­be­lung des euro­päi­schen Asylrechts. 

In Brüs­sel und den euro­päi­schen Haupt­städ­ten soll im Hau­ruck-Tem­po eine EU-Ver­ord­nung durch­ge­peitscht wer­den, die das euro­päi­sche Asyl­sys­tem weit­ge­hend aus­he­belt. „Die­se Ver­ord­nung darf nicht ver­ab­schie­det wer­den – sie ist ein Fron­tal­an­griff auf das euro­päi­sche Asyl­sys­tem und die Rechts­staat­lich­keit in Euro­pa. Die Bun­des­re­gie­rung darf ihr im Rat kei­nes­falls zustim­men“, for­dert Karl Kopp, Lei­ter der Euro­pa-Abtei­lung von PRO ASYL.

Im Dezem­ber 2021 leg­te die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on einen Vor­schlag für eine Ver­ord­nung vor, die den EU-Mit­glied­staa­ten in Situa­tio­nen der „Instru­men­ta­li­sie­rung“ von Migra­ti­on und Asyl ermög­licht, von ihren Ver­pflich­tun­gen nach dem EU-Asyl­recht abzu­wei­chen. Aus­lö­ser war die Initia­ti­ve des bela­rus­si­schen Dik­ta­tors Lukaschen­ko, der die Not von Schutz­su­chen­den scham­los aus­nutz­te und die­se an die EU-Gren­ze brach­te. Der Mecha­nis­mus, der nun dis­ku­tiert wird, soll den EU-Mit­glied­staa­ten dau­er­haft zur Ver­fü­gung ste­hen und in ver­schie­de­nen Situa­tio­nen in Anspruch genom­men wer­den. Die Fol­ge ist, dass die Natio­nal­staa­ten nach Belie­ben von ihren men­schen­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen abwei­chen können.

„Wir beob­ach­ten seit Jah­ren eine Ero­si­on des Asyl­rechts und der Rechts­staat­lich­keit an den euro­päi­schen Außen­gren­zen. Doch mit die­ser Ver­ord­nung wür­den schä­bi­ge Prak­ti­ken von Rechts­brü­chen in Geset­zes­form gegos­sen. Das bedeu­tet einen Frei­fahrt­schein für repres­si­ve Regie­run­gen in der EU, die die Rech­te von Schutz­su­chen­den mit Füßen tre­ten“, warnt Karl Kopp.

Gefähr­li­cher Prä­ze­denz­fall: Rechts­staat­lich­keit in Euro­pa wird in Fra­ge gestellt 

Die Stel­lung­nah­me wur­de von knapp sech­zig NGOs aus ganz Euro­pa unter­zeich­net, dar­un­ter der Euro­päi­sche Flücht­lings­rat ECRE, Amnes­ty Inter­na­tio­nal, Cari­tas Euro­pa und Human Rights Watch. Sie war­nen: Eine Eini­gung über die soge­nann­te Instru­men­ta­li­sie­rungs­ver­ord­nung wird der letz­te Schlag gegen ein gemein­sa­mes euro­päi­sches Asyl­sys­tem in Euro­pa sein. Die unter­zeich­nen­den Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen leh­nen die Ein­füh­rung und Anwen­dung des Kon­zepts der Instru­men­ta­li­sie­rung und sei­ne Kodi­fi­zie­rung im EU-Recht ent­schie­den ab. Wir leh­nen fer­ner Refor­men ab, die weit­rei­chen­de Aus­nah­men vom EU-Recht ermög­li­chen“, heißt es in dem am 8. Sep­tem­ber ver­öf­fent­lich­ten Posi­ti­ons­pa­pier (hier in deut­scher Übersetzung).

Die vor­ge­schla­ge­nen Aus­nah­me­re­ge­lun­gen sind unver­hält­nis­mä­ßig, kon­tra­pro­duk­tiv, unnö­tig, fehl­ge­lei­tet und unge­recht, wie in der Stel­lung­nah­me der NGOs wei­ter aus­ge­führt wird. „Dar­über hin­aus besteht die Gefahr, dass die­se Refor­men die Ach­tung des EU-Rechts ins­ge­samt unter­gra­ben. Die Ein­füh­rung eines Modells, das (…) belie­bi­ge Aus­nah­men zulässt, könn­te einen Prä­ze­denz­fall schaf­fen, ins­be­son­de­re da die Rechts­staat­lich­keit in ganz Euro­pa in Fra­ge gestellt wird.“

Soweit bekannt, gibt es unter den Mit­glied­staa­ten eine brei­te Unter­stüt­zung für die vor­ge­schla­ge­ne Ver­ord­nung. Die tsche­chi­sche Rats­prä­si­dent­schaft strebt die Ver­ab­schie­dung einer gemein­sa­men Ver­hand­lungs­po­si­ti­on bis Dezem­ber an. Die zustän­di­ge Asyl­ar­beits­grup­pe des Rates wird vor­aus­sicht­lich am 21. Sep­tem­ber wei­ter über das The­ma beraten.


Für Rück­fra­gen und wei­te­re Infor­ma­tio­nen ste­hen Ihnen zur Verfügung: 

PRO ASYL: Karl Kopp, presse@proasyl.de; Tel.: 069‑2423 1430
ECRE: Vil­lads Zah­le, vzahle@ecre.org; Tel.: 0032–472 23 00 41

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