24.07.2024

PRO ASYL und die Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te (GFF) haben gemein­sam mit einer schutz­su­chen­den Fami­lie vor dem Sozi­al­ge­richt Ham­burg einen Erfolg gegen die restrik­ti­ven Beschrän­kun­gen der Bezahl­kar­te erzielt. Die Eil­ent­schei­dung des Sozi­al­ge­richts Ham­burg stellt klar: Die pau­scha­le Fest­set­zung des Bar­geld­be­tra­ges auf 50 Euro ohne Berück­sich­ti­gung der per­sön­li­chen und ört­li­chen Umstän­de der Betrof­fe­nen ist rechts­wid­rig. Mit der Ent­schei­dung ist ein Schritt mehr getan, um das men­schen­wür­di­ge Leben schutz­su­chen­der Men­schen in Deutsch­land zu sichern.

 

Das Ham­bur­ger Amt für Migra­ti­on darf sich nach der sozi­al­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung nicht auf die Beschluss­emp­feh­lung der Ministerpräsident*innenkonferenz beru­fen, die im Juni die­ses Jah­res eine Bar­geld­be­schrän­kung von 50 Euro pro Per­son ver­ein­bart hat­te. Das Gericht spricht der Fami­lie zunächst einen Bar­geld­be­trag von knapp 270 Euro zu.

Meh­re­re Kla­gen gegen die Bezahlkarte 

PRO ASYL und die GFF zie­len der­zeit mit meh­re­ren Kla­gen dar­auf ab, die Ein­füh­rung von restrik­tiv aus­ge­stal­te­ten Bezahl­kar­te zu stop­pen, weil sie Grund­rech­te von Geflüch­te­ten verletzen.

„Die Ein­füh­rung einer Bezahl­kar­te mit erheb­li­chen Beschrän­kun­gen miss­ach­tet die Grund­rech­te der Betrof­fe­nen. Die Ent­schei­dung aus Ham­burg bestä­tigt, dass eine pau­scha­le Bar­geld­ober­gren­ze von maxi­mal 50 Euro für Schutz­su­chen­de nicht halt­bar ist, ohne das men­schen­wür­di­ge Exis­tenz­mi­ni­mum zu gefähr­den“, betont Lena Fre­richs, Ver­fah­rens­ko­or­di­na­to­rin und Juris­tin bei der GFF. „Exis­tenz­si­chern­de Leis­tun­gen müs­sen sich an den kon­kre­ten Bedürf­nis­sen und Umstän­den des Ein­zel­falls ori­en­tie­ren. Eine Mam­mut­auf­ga­be für die Ver­wal­tung – aber unab­ding­bar zur Wah­rung der Grundrechte.“

Bezahl­kar­te: büro­kra­ti­scher Irrsinn

„Die Bezahl­kar­te in Ham­burg erschwert den All­tag der Betrof­fe­nen mas­siv. Geflüch­te­te kön­nen sich kaum ange­mes­sen ver­sor­gen. Güns­ti­ge Online­ein­käu­fe oder pri­va­te Gebraucht­wa­ren­ein­käu­fe sind mit der Bezahl­kar­te eben­so wenig mög­lich wie der Abschluss eines Han­dy­ver­tra­ges oder die Anmel­dung im Sport­ver­ein; auch akzep­tiert nicht jeder Laden die Bezahl­kar­te. Dass die­se Unter­ver­sor­gung ver­fas­sungs­wid­rig ist, zeigt die Eil­ent­schei­dung. Die Ent­schei­dung zeigt auch, wel­cher büro­kra­ti­scher Irr­sinn auf die Kom­mu­nen zukommt, die eine Bezahl­kar­te ein­füh­ren wol­len. Sie soll­ten sich drei­mal über­le­gen, ob sie sich die­se Mehr­be­las­tung ihrer Ver­wal­tung wirk­lich leis­ten kön­nen“, erklärt Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL.

Zum Fall

Der kla­gen­den Fami­lie, die in einer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung in Ham­burg wohnt, steht seit Ein­füh­rung der Bezahl­kar­te pau­schal ein Bar­geld­be­trag von 110 Euro zur Ver­fü­gung, den sie von der Bezahl­kar­te abhe­ben kann. Mit die­sem Betrag kön­nen die schwan­ge­re Antrag­stel­le­rin, ihr Klein­kind und ihr Mann nicht die nöti­gen lebens­not­wen­di­gen Ein­käu­fe täti­gen, die Bar­geld erfor­dern. Die Ent­schei­dung des Sozi­al­ge­richts Ham­burg erteilt der pau­scha­len Bar­geld­ober­gren­ze der Bezahl­kar­te nun eine Absage.

Aktu­el­le Pra­xis der Bezahlkarte

Bis auf Bay­ern und Meck­len­burg-Vor­pom­mern haben sich die Bun­des­län­der auf die ein­heit­li­che Ein­füh­rung einer Bezahl­kar­te ver­stän­digt. Mit Beschluss der Ministerpräsident*innenkonferenz im Juni die­ses Jah­res einig­ten sich die Bun­des­län­der auf eine Bar­geld­ober­gren­ze von maxi­mal 50 Euro.

Ham­burg star­te­te im Febru­ar 2024 als ers­tes Bun­des­land mit der Bezahl­kar­te in Form der Ham­bur­ger Social­Card. Das Sozi­al­ge­richt Ham­burg stellt nun klar, dass das Ham­bur­ger Amt für Migra­ti­on sich bei der Fest­le­gung der Bar­geld­ober­gren­ze nicht ohne Prü­fung des Ein­zel­fal­les am emp­feh­len­den Beschluss der Ministerpräsident*innenkonferenz ori­en­tie­ren darf.

In der Kon­se­quenz bedeu­tet die Ein­füh­rung einer Bezahl­kar­te mit Bar­geld­be­schrän­kun­gen für die über­las­te­ten Kom­mu­nen einen erheb­lich grö­ße­ren Auf­wand als die Aus­ga­be einer Bezahl­kar­te ohne Bar­geld­be­schrän­kun­gen, da die Bar­geld­ober­gren­ze jeweils im Ein­zel­fall fest­ge­legt wer­den muss oder Leis­tun­gen teil­wei­se in bar aus­ge­zahlt wer­den müssen.

Das Ham­bur­ger Amt für Migra­ti­on kann gegen die Ent­schei­dung des Sozi­al­ge­richts Beschwer­de ein­le­gen. PRO ASYL und die GFF gehen mit wei­te­ren Ver­fah­ren gegen restrik­ti­ve Bezahl­kar­ten­re­ge­lun­gen vor, die den grund­recht­li­chen Anspruch auf ein men­schen­wür­di­ges Exis­tenz­mi­ni­mum schutz­su­chen­der Men­schen missachten.

PRO ASYL finan­ziert die­se und wei­te­re Kla­gen mit dem Rechts­hil­fe­fonds, mit dem PRO ASYL jähr­lich Hun­der­te von Men­schen dabei unter­stützt, zu ihrem Recht zu kommen.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Ver­fah­ren fin­den Sie unter: 
https://freiheitsrechte.org/bezahlkarte

Für Rück­fra­gen:

Pres­se­stel­le von PRO ASYL
presse@proasyl.de
Tel. 069/24 23 14 30

Pres­se­stel­le der GFF
presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55

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