07.07.2016

Gemein­sa­me Erklä­rung von PRO ASYL und wei­te­ren euro­päi­schen Orga­ni­sa­tio­nen zur heu­ti­gen Abstim­mung im Euro­päi­schen Par­la­ment zum Kon­zept „siche­re“ Herkunftsländer

Wie weit wird die Euro­päi­sche Uni­on in ihrem Bestre­ben gehen, Flücht­lin­ge um jeden Preis von ihrem Hoheits­ge­biet fern­zu­hal­ten? Der schnö­de Rea­lis­mus des „Jeder für sich“ hat in Euro­pa ein­mal mehr die Ober­hand gewon­nen. Ob nun die Auf­nah­me von Geflüch­te­ten abge­lehnt oder ihre Zahl dras­tisch beschränkt wird – die Euro­päi­sche Uni­on ver­sucht, juris­tisch ein Vor­ge­hen zu begrün­den, das nichts ande­res als eine Ver­wei­ge­rung des Asyl­rechts dar­stellt. Um die­ses Ziel zu errei­chen, möch­te die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on die Ver­ab­schie­dung einer Lis­te „siche­rer Her­kunfts­län­der“ erwir­ken, die für alle Mit­glied­staa­ten der Euro­päi­schen Uni­on ver­bind­lich gel­ten soll. Die illu­so­ri­sche Annah­me dahin­ter: Ein „siche­res Land“ ist eine Art Eldo­ra­do, ein Land, in dem die Men­schen­rech­te respek­tiert wer­den, in dem es prak­tisch kei­ne Ver­fol­gun­gen gibt bzw. kein Risi­ko einer Ver­fol­gung besteht. Für die Betrof­fe­nen bedeu­tet dies: Kei­ne sorg­fäl­ti­ge Prü­fung der Flucht­grün­de, Schnell­ver­fah­ren ohne wirk­sa­mes Rechts­mit­tel mit dem Risi­ko einer schnel­len Abschie­bung von Schutz­be­dürf­ti­gen in das Herkunftsland.

Die Idee an sich, dass ein Land pau­schal als sicher ange­se­hen wer­den könn­te, ist absurd. Wir müs­sen uns nur die Euro­päi­sche Uni­on selbst anse­hen: Wer kann ernst­haft die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass nicht auch heu­te noch gewis­se Min­der­hei­ten hier mas­si­ven Dis­kri­mi­nie­run­gen, beglei­tet von manch­mal töd­li­cher Gewalt, aus­ge­setzt sind? Wie sieht es mit Maze­do­ni­en, dem Koso­vo, Mon­te­ne­gro, Alba­ni­en und ande­ren Län­dern aus? Selbst die Tür­kei soll als „siche­res Her­kunfts­land“ ein­ge­stuft wer­den, obwohl Berich­te über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in der Tür­kei nicht abrei­ßen und der Krieg gegen die kur­di­sche Bevöl­ke­rung im Land eskaliert.

Eini­ge Län­der der Euro­päi­schen Uni­on, dar­un­ter Frank­reich und Deutsch­land, ver­fü­gen bereits über eine Lis­te „siche­rer“ Her­kunfts­län­der. Die Kri­te­ri­en die­ser Lis­ten sind vage und inkon­sis­tent. Doch dies kann nicht als Recht­fer­ti­gung für die Kom­mis­si­on die­nen, dar­aus eine all­ge­mei­ne Regel zu machen und damit Gefahr zu lau­fen, die Lis­te mor­gen auf Län­der wie den Sudan oder Eri­trea aus­zu­wei­ten, um nur die Län­der zu nen­nen, mit denen die Kom­mis­si­on heu­te die Rück­füh­rung von Geflüch­te­ten verhandelt.

Wir wol­len mit Nach­druck dar­auf hin­wei­sen, dass der Begriff „siche­re Her­kunfts­län­der“ nichts wei­ter als ein erbärm­li­cher Ver­such ist, unter dem Anschein der Lega­li­tät das Haupt­an­lie­gen der Euro­päi­schen Uni­on und ihrer Mit­glied­staa­ten zu ver­ber­gen: eine Mög­lich­keit zu fin­den, das Asyl­recht nicht anzuwenden.

Die Ver­wei­ge­rung des Asyl­rechts stellt vor allem eine Ver­leug­nung der Wer­te dar, auf die sich die Euro­päi­sche Uni­on beruft. Das Schick­sal von Flücht­lin­gen war stets ein Maß­stab für die demo­kra­ti­sche Ver­fasst­heit einer Gesell­schaft. Auf die Ver­nei­nung der Rech­te der Flücht­lin­ge, die uns die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on in Aus­sicht stellt, wird über kurz oder lang eine Schwä­chung der Rech­te aller Men­schen in Euro­pa fol­gen. Die Ver­tei­di­gung des Asyl­rechts ist kein Akt der Wohl­tä­tig­keit. Men­schen­rech­te sind nicht verhandelbar.

Domi­ni­que Gui­bert, Prä­si­dent von AEDH, der Euro­päi­schen Ver­ei­ni­gung zur Ver­tei­di­gung  der Menschenrechte

Michel Tubia­na, Prä­si­dent von Euro­Med Droits

Karim Lahid­ji, Prä­si­dent der Inter­na­tio­na­len Föde­ra­ti­on der Ligen für Menschenrechte

Fran­çoi­se Dumont, Prä­si­den­tin der Fran­zö­si­schen Liga für Menschenrechte

Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL

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