11.04.2025

Schutz­su­chen­de sind in Grie­chen­land in einem büro­kra­ti­schen Teu­fels­kreis gefan­gen. Weil es für sie schier unmög­lich ist, nöti­ge Doku­men­te zu beschaf­fen, droht vie­len die Obdach­lo­sig­keit. Das doku­men­tiert ein aktu­el­ler Bericht von PRO ASYL und der grie­chi­schen PRO ASYL-Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on RSA. Auch Men­schen, die aus Deutsch­land nach Grie­chen­land abge­scho­ben wer­den, droht die Ver­elen­dung. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wird sich kom­men­de Woche mit der Situa­ti­on in Grie­chen­land beschäftigen.

Ein die­se Woche ver­öf­fent­lich­ter Bericht von PRO ASYL und der grie­chi­schen PRO ASYL- Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on Refu­gee Sup­port Aege­an (RSA) zeigt, vor welch enor­men Hür­den aner­kann­te Flücht­lin­ge in Grie­chen­land ste­hen, um ihr blan­kes Über­le­ben zu sichern.

Wer in Deutsch­land als Flücht­ling aner­kannt wird, kann auf­at­men: end­lich in Sicher­heit. In Grie­chen­land sieht das ganz anders aus. Men­schen, die dort einen Schutz­sta­tus erhal­ten, sind von die­sem Zeit­punkt an völ­lig auf sich allein gestellt, zudem gibt es kei­nen ein­klag­ba­ren Rechts­an­spruch auf Grund­ver­sor­gung. Inner­halb von 30 Tagen nach Aner­ken­nung müs­sen sie die Asyl­un­ter­kunft ver­las­sen und lan­den häu­fig völ­lig mit­tel­los auf der Stra­ße. Der Zugang zum Arbeits­markt, zu Sozi­al­leis­tun­gen und selbst zu Obdach­lo­sen­un­ter­künf­ten bleibt ihnen oft versperrt.

Eines EU-Lan­des unwürdig

„Mit dem Asyl­be­scheid kommt für vie­le die Obdach­lo­sig­keit. Der aktu­el­le Bericht zeigt deut­lich, dass die Poli­tik der Ver­elen­dung fort­be­steht. Von Ver­bes­se­run­gen fehlt jede Spur. Das ist eines EU-Lan­des unwür­dig“, sagt Karl Kopp, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL und Lei­ter der Europaabteilung.

PRO ASYL begrüßt, dass die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on Anfang 2023 ein Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Grie­chen­land ein­ge­lei­tet hat, weil Schutz­be­rech­tig­te dort von den meis­ten Sozi­al­leis­tun­gen aus­ge­schlos­sen sind. PRO ASYL erwar­tet von der Bun­des­re­gie­rung und der EU-Kom­mis­si­on, dass sie mehr Druck auf die grie­chi­sche Regie­rung aus­üben, damit die­se end­lich drin­gend not­wen­di­ge Refor­men ein­lei­tet, sodass in Grie­chen­land auch geflüch­te­te Men­schen ein Leben in Wür­de füh­ren können.

Kaf­ka­es­ke büro­kra­ti­sche Pro­zes­se ver­sper­ren den Zugang zu Grundrechten

Das grie­chi­sche Recht und der Ver­wal­tungs­ap­pa­rat, der es umsetzt, erin­nern an Erzäh­lun­gen Kaf­kas: Nur wer eine Auf­ent­halts­er­laub­nis hat, die zu erlan­gen sich über Mona­te hin­zieht, kann eine Sozi­al­ver­si­che­rungs­num­mer bean­tra­gen, wel­che wie­der­um auch für den Zugang zum Arbeits­markt und für den Bezug von Sozi­al­leis­tun­gen gebraucht wird. Die Sozi­al­ver­si­che­rungs­num­mer wird jedoch nur akti­viert, wenn bereits ein Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis besteht oder in Aus­sicht gestellt wird. Ohne lega­le Arbeit und eine Mel­de­adres­se aber gibt es kei­ne akti­ve Sozialversicherungsnummer.

Zudem gibt es ohne eine akti­ve Sozi­al­ver­si­che­rungs­num­mer auch kei­ne Gesund­heits­ver­sor­gung, und selbst für eine Obdach­lo­sen­un­ter­kunft ist die­se Num­mer nötig.

Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt befasst sich mit der Situa­ti­on Schutz­be­rech­tig­ter in Griechenland

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ver­han­delt am kom­men­den Mitt­woch (16. April 2025) öffent­lich über dro­hen­de Abschie­bun­gen von Deutsch­land nach Grie­chen­land. Es ist das ers­te Mal, dass sich das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt mit der Situa­ti­on in Grie­chen­land beschäf­tigt, dazu liegt ihm unter ande­rem der neue Bericht von PRO ASYL und RSA vor.

Es geht um die Fra­ge, ob die Situa­ti­on in Grie­chen­land für jun­ge gesun­de allein­ste­hen­de Män­ner zumut­bar ist. Mög­li­cher­wei­se wer­den die Richter*innen noch am sel­ben Tag ein Urteil spre­chen. „Die neu­es­ten Erkennt­nis­se zur Situa­ti­on von Schutz­be­rech­tig­ten in Grie­chen­land und die seit Jah­ren bestehen­den sys­te­mi­schen Män­gel zei­gen, dass eine Rück­kehr auch für jun­ge geflüch­te­te Män­ner unzu­mut­bar ist“, sagt Karl Kopp, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

Die Klä­ger sind ein in Nord-Gaza gebo­re­ner 34-jäh­ri­ger Mann und ein 32-jäh­ri­ger soma­li­scher Staats­an­ge­hö­ri­ger. Ihnen wur­de in Grie­chen­land inter­na­tio­na­ler Schutz zuer­kannt. Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge lehn­te die in Deutsch­land gestell­ten wei­te­ren Asyl­an­trä­ge als unzu­läs­sig ab und droh­te den Klä­gern die Abschie­bung nach Grie­chen­land an.

Hin­ter­grund
Ange­sichts die­ser hoff­nungs­lo­sen Lage zie­hen vie­le aner­kann­te Flücht­lin­ge in ande­re EU-Län­der wei­ter. In Deutsch­land haben im ver­gan­ge­nen Jahr laut Sta­tis­tik des Bun­des­am­tes für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge 25.112 Men­schen einen Asyl­an­trag gestellt, die zuvor in Grie­chen­land als Flücht­lin­ge aner­kannt wur­den. Ange­sichts des Elends war sich die deut­sche Recht­spre­chung bis Som­mer 2024 weit­ge­hend einig, dass eine Abschie­bung nach Grie­chen­land men­schen­rechts­wid­rig ist. Nach zwei umstrit­te­nen Urtei­len, die das anders sehen, steigt jedoch die Zahl der Abschie­bun­gen. 2024 wur­den ins­ge­samt 220 Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge nach Grie­chen­land abge­scho­ben, Ten­denz steigend.

Eine Zusam­men­fas­sung des Berichts „Zur Situa­ti­on von inter­na­tio­nal Schutz­be­rech­tig­ten in Grie­chen­land“ von PRO ASYL und RSA fin­den Sie hier.

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