Schutzsuchende sind in Griechenland in einem bürokratischen Teufelskreis gefangen. Weil es für sie schier unmöglich ist, nötige Dokumente zu beschaffen, droht vielen die Obdachlosigkeit. Das dokumentiert ein aktueller Bericht von PRO ASYL und der griechischen PRO ASYL-Partnerorganisation RSA. Auch Menschen, die aus Deutschland nach Griechenland abgeschoben werden, droht die Verelendung. Das Bundesverwaltungsgericht wird sich kommende Woche mit der Situation in Griechenland beschäftigen.
Ein diese Woche veröffentlichter Bericht von PRO ASYL und der griechischen PRO ASYL- Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA) zeigt, vor welch enormen Hürden anerkannte Flüchtlinge in Griechenland stehen, um ihr blankes Überleben zu sichern.
Wer in Deutschland als Flüchtling anerkannt wird, kann aufatmen: endlich in Sicherheit. In Griechenland sieht das ganz anders aus. Menschen, die dort einen Schutzstatus erhalten, sind von diesem Zeitpunkt an völlig auf sich allein gestellt, zudem gibt es keinen einklagbaren Rechtsanspruch auf Grundversorgung. Innerhalb von 30 Tagen nach Anerkennung müssen sie die Asylunterkunft verlassen und landen häufig völlig mittellos auf der Straße. Der Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Sozialleistungen und selbst zu Obdachlosenunterkünften bleibt ihnen oft versperrt.
Eines EU-Landes unwürdig
„Mit dem Asylbescheid kommt für viele die Obdachlosigkeit. Der aktuelle Bericht zeigt deutlich, dass die Politik der Verelendung fortbesteht. Von Verbesserungen fehlt jede Spur. Das ist eines EU-Landes unwürdig“, sagt Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL und Leiter der Europaabteilung.
PRO ASYL begrüßt, dass die Europäische Kommission Anfang 2023 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland eingeleitet hat, weil Schutzberechtigte dort von den meisten Sozialleistungen ausgeschlossen sind. PRO ASYL erwartet von der Bundesregierung und der EU-Kommission, dass sie mehr Druck auf die griechische Regierung ausüben, damit diese endlich dringend notwendige Reformen einleitet, sodass in Griechenland auch geflüchtete Menschen ein Leben in Würde führen können.
Kafkaeske bürokratische Prozesse versperren den Zugang zu Grundrechten
Das griechische Recht und der Verwaltungsapparat, der es umsetzt, erinnern an Erzählungen Kafkas: Nur wer eine Aufenthaltserlaubnis hat, die zu erlangen sich über Monate hinzieht, kann eine Sozialversicherungsnummer beantragen, welche wiederum auch für den Zugang zum Arbeitsmarkt und für den Bezug von Sozialleistungen gebraucht wird. Die Sozialversicherungsnummer wird jedoch nur aktiviert, wenn bereits ein Beschäftigungsverhältnis besteht oder in Aussicht gestellt wird. Ohne legale Arbeit und eine Meldeadresse aber gibt es keine aktive Sozialversicherungsnummer.
Zudem gibt es ohne eine aktive Sozialversicherungsnummer auch keine Gesundheitsversorgung, und selbst für eine Obdachlosenunterkunft ist diese Nummer nötig.
Bundesverwaltungsgericht befasst sich mit der Situation Schutzberechtigter in Griechenland
Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt am kommenden Mittwoch (16. April 2025) öffentlich über drohende Abschiebungen von Deutschland nach Griechenland. Es ist das erste Mal, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Situation in Griechenland beschäftigt, dazu liegt ihm unter anderem der neue Bericht von PRO ASYL und RSA vor.
Es geht um die Frage, ob die Situation in Griechenland für junge gesunde alleinstehende Männer zumutbar ist. Möglicherweise werden die Richter*innen noch am selben Tag ein Urteil sprechen. „Die neuesten Erkenntnisse zur Situation von Schutzberechtigten in Griechenland und die seit Jahren bestehenden systemischen Mängel zeigen, dass eine Rückkehr auch für junge geflüchtete Männer unzumutbar ist“, sagt Karl Kopp, Geschäftsführer von PRO ASYL.
Die Kläger sind ein in Nord-Gaza geborener 34-jähriger Mann und ein 32-jähriger somalischer Staatsangehöriger. Ihnen wurde in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die in Deutschland gestellten weiteren Asylanträge als unzulässig ab und drohte den Klägern die Abschiebung nach Griechenland an.
Hintergrund
Angesichts dieser hoffnungslosen Lage ziehen viele anerkannte Flüchtlinge in andere EU-Länder weiter. In Deutschland haben im vergangenen Jahr laut Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 25.112 Menschen einen Asylantrag gestellt, die zuvor in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt wurden. Angesichts des Elends war sich die deutsche Rechtsprechung bis Sommer 2024 weitgehend einig, dass eine Abschiebung nach Griechenland menschenrechtswidrig ist. Nach zwei umstrittenen Urteilen, die das anders sehen, steigt jedoch die Zahl der Abschiebungen. 2024 wurden insgesamt 220 Drittstaatsangehörige nach Griechenland abgeschoben, Tendenz steigend.
Eine Zusammenfassung des Berichts „Zur Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland“ von PRO ASYL und RSA finden Sie hier.