25.01.2018

Ver­bän­de und Orga­ni­sa­tio­nen in Sor­ge: Zugang zu fai­rem Asyl­ver­fah­ren in Euro­pa in Gefahr

Unmit­tel­bar vor Beginn der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen, dem bevor­ste­hen­den Tref­fen der EU-Innen- und Jus­tiz­mi­nis­ter sowie anste­hen­den Ver­hand­lun­gen im Euro­päi­schen Par­la­ment über das geplan­te Gemein­sa­me Euro­päi­sche Asyl­sys­tem (GEAS) for­dern Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, Wohl­fahrts­ver­bän­de und Juris­ten- und Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen den Erhalt des Zugangs zum indi­vi­du­el­len Asyl­recht in Europa.

Zu den Unter­zeich­ne­rIn­nen gehö­ren: PRO ASYL, Amnes­ty Inter­na­tio­nal, Cari­tas, Der Pari­tä­ti­sche Gesamt­ver­band, Arbei­ter­wohl­fahrt, Dia­ko­nie Deutsch­land, Neue Rich­ter­ver­ei­ni­gung, Repu­bli­ka­ni­scher Anwäl­tin­nen- und Anwäl­te­ver­ein, Rechts­be­ra­ter­kon­fe­renz, Jesui­ten-Flücht­lings­dienst, Bun­des­wei­te Arbeits­ge­mein­schaft der psy­cho­lo­gi­schen Zen­tren für Flücht­lin­ge und Fol­ter­op­fer und der Bun­des­fach­ver­band für unbe­glei­te­te min­der­jäh­ri­ge Flüchtlinge.

Nach den aktu­el­len Vor­schlä­gen des EU-Rats und der Kom­mis­si­on soll der Flücht­lings­schutz ver­stärkt auf Dritt­staa­ten außer­halb der Euro­päi­schen Uni­on ver­la­gert wer­den. Hier­für soll das Kon­zept der soge­nann­ten siche­ren Dritt­staa­ten aus­ge­wei­tet wer­den. Das hat zur Fol­ge, dass die Mit­glied­staa­ten an den EU-Außen­gren­zen die betrof­fe­nen Asyl­su­chen­den ohne inhalt­li­che Prü­fung der Asyl­grün­de in Dritt­staa­ten zurück­wei­sen sol­len. Dies wäre ein schwe­rer Ein­griff in die Grund- und Men­schen­rech­te der Asylsuchenden.

PRO ASYL weist dar­auf hin, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in sei­nem Grund­satz­ur­teil vom 14. Mai 1996 (2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93, Rn. 164) prä­zi­se Kri­te­ri­en, wann ein Dritt­staat als sicher gilt, for­mu­liert hat. Eine Dritt­staa­ten­re­ge­lung, die nicht zwin­gend die vor­be­halt­lo­se Rati­fi­ka­ti­on der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on vor­aus­setzt, ist mit deut­schem Ver­fas­sungs­recht nicht vereinbar.

Bei den Ver­hand­lun­gen über die Ver­än­de­rung der Asyl­ver­fah­rens­ver­ord­nung  hat die deut­sche Bun­des­re­gie­rung die Pflicht, sich für eine ver­fas­sungs­kon­for­me Rege­lung ein­zu­set­zen. Die unter­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen und Ver­bän­de for­dern: Die gel­ten­den völ­ker­recht­li­chen, men­schen­recht­li­chen und euro­pa­recht­li­chen Stan­dards müs­sen erhal­ten bleiben.

Zu den For­de­run­gen im Einzelnen:

Kei­ne Sen­kung der Stan­dards für den Flüchtlingsschutz

Die Rati­fi­zie­rung und vor allem die prak­ti­sche Umset­zung der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) ohne geo­gra­phi­sche Beschrän­kung als das erfor­der­li­che Schutz­ni­veau für die Benen­nung eines »siche­ren« Dritt­lan­des müs­sen gelten.

  • Die blo­ße Durch­rei­se darf nicht als aus­rei­chen­de Ver­bin­dung (»meaningful link«) mit dem betref­fen­den siche­ren Dritt­land nor­miert wer­den. Vor­schlä­ge aus den Mit­glieds­staa­ten, auf jeg­li­che Ver­bin­dungs­an­for­de­rung (»Aus­tra­li­sche Lösung«) zu ver­zich­ten, müs­sen unmiss­ver­ständ­lich abge­lehnt wer­den. Eben­so ist die Anwen­dung des Kon­zepts des »siche­ren Dritt­lan­des« auf ledig­lich bestimm­te Zonen/Teile eines Dritt­staa­tes eine kla­re Absa­ge zu erteilen.
  • In jedem Fall muss dem Asyl­su­chen­den effek­ti­ver Rechts­schutz gegen eine Abwei­sung in einen Dritt­staat gewähr­leis­tet wer­den, damit es mög­lich ist, die ver­mu­te­te Sicher­heit für den Asyl­su­chen­den in dem Dritt­staat zu wider­le­gen. Rechts­mit­tel müs­sen eine auf­schie­ben­de Wir­kung haben.
  • Die Ein­füh­rung einer ver­pflich­ten­den Anwen­dung der Dritt­staa­ten­re­ge­lung ist abzulehnen.

Kei­ne Ver­schär­fung des Dublin-Systems 

Durch das Bemü­hen um einen neu­en Soli­da­ri­täts­me­cha­nis­mus dür­fen die Grund­rech­te der Asyl­su­chen­den sowie rechts­staat­li­che Ver­fah­ren nicht ein­ge­schränkt wer­den. Der zügi­ge Zugang zum Asyl­ver­fah­ren mit einer inhalt­li­chen Prü­fung des Asyl­ge­suchs muss wei­ter garan­tiert sein.

  • Die Fris­ten­re­ge­lun­gen, die nach Frist­ab­lauf einen Zugang zum Asyl­ver­fah­ren im Auf­ent­halts­staat garan­tie­ren, müs­sen erhal­ten blei­ben. Rechts­schutz und Selbst­ein­tritts­recht müs­sen unein­ge­schränkt erhal­ten blei­ben. Eine Über­stel­lung von unbe­glei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen darf nur dann erfol­gen, wenn hier­durch das Kin­des­wohl geschützt wird, also ins­be­son­de­re wenn eine Zusam­men­füh­rung mit Ver­wand­ten erfol­gen soll.
  • Das Recht auf Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung im Rah­men des Dub­lin-Ver­fah­rens muss inner­halb der EU voll­um­fäng­lich umge­setzt werden.
  • Der Schutz von Min­der­jäh­ri­gen muss obers­te Prio­ri­tät haben. Die Anwen­dung von Abschie­bungs­haft und Schnell­ver­fah­ren sind mit dem Kin­des­wohl nicht zu vereinbaren.
  • EU-wei­te ver­pflich­ten­de Wider­rufs­ver­fah­ren leh­nen wir ab.
  • Die Schaf­fung eines euro­päi­schen Resett­le­ment-Rah­mens ist zu begrü­ßen, er muss jedoch den Kri­te­ri­en von UNHCR ent­spre­chen. Flücht­lings­auf­nah­me durch die EU darf nicht die Gegen­leis­tung für Migra­ti­ons­kon­trol­le der Erst­auf­nah­me­staa­ten sein.

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