08.06.2016

BAMF ändert Ent­schei­dungs­pra­xis bei syri­schen Flücht­lin­gen – mehr Men­schen von Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs betroffen

Die neu­en Asyl­zah­len des BAMF bestä­ti­gen die gro­ßen Befürch­tun­gen, die PRO ASYL bereits in der Öffent­lich­keit kom­mu­ni­ziert hat: Gegen­über den Vor­mo­na­ten gibt es eine deut­li­che Zunah­me von Beschei­den über den sub­si­diä­ren Schutz, ins­be­son­de­re bei syri­schen Flücht­lin­gen.  Gegen­über einem Wert von 9,3 % im April 2016, ist der Anteil der sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten im Mai 2016 auf 15,3 Pro­zent (5.595 Per­so­nen) ange­stie­gen. Zum Ver­gleich: Im gesam­ten Jahr 2015 erhiel­ten gera­de ein­mal 0,7 Pro­zent (1.707 Per­so­nen) der Gesamtantragssteller/innen den sub­si­diä­ren Schutz. Die bit­te­re Kon­se­quenz für die Betrof­fe­nen: Sie sind für zwei Jah­re vom Fami­li­en­nach­zug aus­ge­schlos­sen. Die Behaup­tung der Gro­ßen Koali­ti­on ist hin­fäl­lig, die Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs wür­de nur weni­ge Per­so­nen betref­fen. Viel­mehr ist davon aus­zu­ge­hen, dass sich der Anteil sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ter in den nächs­ten Mona­ten noch wei­ter erhö­hen wird.

Auf Anord­nung des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums hat das BAMF sei­ne Ent­schei­dungs­pra­xis zu syri­schen Flücht­lin­gen geän­dert, um den Fami­li­en­nach­zug zu ver­hin­dern. Dabei funk­tio­niert der Fami­li­en­nach­zug auch für Berech­tig­te in der Pra­xis über­haupt nicht: PRO ASYL hat bereits am 07.04.2016 auf die sys­te­ma­ti­sche Ver­hin­de­rung des Fami­li­en­nach­zugs durch deut­sche Behör­den hin­ge­wie­sen. Im Zeit­raum Anfang 2014 bis Okto­ber 2015 wur­den nur 18.400 Visa für syri­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge zum Fami­li­en­nach­zug zu Schutz­be­rech­tig­ten erteilt – bei 127.000 Anerkennungen.

Nach Ansicht von PRO ASYL ist die geän­der­te Ent­schei­dungs­pra­xis des BAMFs  mit der dra­ma­ti­schen Situa­ti­on in Syri­en nicht in Ein­klang zu brin­gen. Die Ent­schei­dungs­pra­xis der Ober­ge­rich­te sieht ganz über­wie­gend indi­vi­du­el­le Ver­fol­gungs­grün­de als gege­ben an. Durch die Auf­nah­me der syri­schen Flücht­lin­ge gilt die Bun­des­re­pu­blik in Syri­en mitt­ler­wei­le als Hort oppo­si­tio­nel­ler Kräf­te. Auch der syri­sche Geheim­dienst ist  in Deutsch­land aktiv und durch­leuch­tet die hie­si­gen Exil­ak­ti­vi­tä­ten. Die Macht­stel­lung von Assad ist zudem seit der Inter­ven­ti­on Russ­lands im  Syri­en­kon­flikt deut­lich gestärkt wor­den. Von einer Unfä­hig­keit des  Regimes, sei­ne Bespit­ze­lung der Oppo­si­ti­on fort­zu­füh­ren, wie es das BAMF offen­bar unter­stellt, wird man nicht aus­ge­hen können.

Syri­sche Flücht­lin­ge müs­sen also bei ihrer Rück­kehr nach Syri­en mit indi­vi­du­el­ler Ver­fol­gung rech­nen, wes­we­gen ihnen der Flücht­lings­sta­tus nach der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) zuer­kannt wer­den muss.

Das BAMF behaup­tet dem­ge­gen­über die geän­der­te Pass­aus­stel­lungs­pra­xis der syri­schen Behör­den hät­te die dama­li­ge Grund­la­ge der Recht­spre­chung geän­dert. Doch wie PRO ASYL in einem rechts­po­li­ti­schen Papier vom 19.05.2016 dar­ge­legt hat, tref­fen die­se Grün­de nicht zu. Das BAMF kann nicht auto­ma­tisch davon aus­ge­hen, dass eine geän­der­te Pass­aus­stel­lungs­pra­xis zu einer ande­ren Behand­lung von syri­schen Rückehrer*innen führt. Das syri­sche Regime ver­folgt mit sei­ner geän­der­ten Pra­xis auch öko­no­mi­sche Inter­es­sen: An der Aus­stel­lung von ca. 800.000 Päs­sen ver­dient es ca. 470 Mio. Euro. Auch UNHCR kommt  im Novem­ber 2015, also zu einem Zeit­punkt, an dem sich bereits die Pass­ertei­lungs­pra­xis ver­än­dert hat, wei­ter zu dem Schluss, syri­schen Flücht­lin­gen den Sta­tus nach der GFK zuzu­er­ken­nen. Ins­be­son­de­re die Viel­zahl von poten­zi­el­len Ver­fol­gungs­ak­teu­ren in Syri­en (Assad-Regime, der sog. Isla­mi­sche Staat, die Freie Syri­sche Armee etc.) spricht für eine begrün­de­te Furcht von syri­schen Flücht­lin­gen bei ihrer Rückkehr.

PRO ASYL emp­fiehlt allen syri­schen Flücht­lin­gen eine Ver­fah­rens­be­ra­tung auf­zu­su­chen und sich umfas­send auf Anhö­run­gen beim BAMF vor­zu­be­rei­ten. Soll­te das BAMF ihre Anträ­ge nur mit dem sub­si­diä­ren Schutz beschei­den, soll­te der Kla­ge­weg beschrit­ten werden.

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