PRO ASYL: Verfahrensrechtliche Standards sollen gezielt unterlaufen werden
PRO ASYL kritisiert die aktuellen Vorschläge Horst Seehofers für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. Zu deren Durchführung sollen Asylsuchende dort interniert, einem Schnellverfahren unterzogen und gegebenenfalls unmittelbar abgeschoben werden.
Vom Zugang zum Recht auf Asyl kann nicht die Rede sein, wenn Seehofer davon spricht, dass lediglich die »Aussicht auf Asyl« an den Außengrenzen geprüft werden und nur »bei einer positiven Prognose« das eigentliche Asylverfahren nach einer Übernahme in den EU-Mitgliedsstaaten durchgeführt werden soll. Was Asylverfahren genannt wird, wäre lediglich eine grob geschnitzte Plausibilitätsprüfung. Für deren mangelhafte Qualität dürften voraussichtlich EU-Agenturen, von EASO bis FRONTEX, sorgen. Dieser Vorschlag hebelt den Rechtsstaat aus. In Elends- und Massenlagern gibt es keine fairen Verfahren und keinen Zugang zu unabhängigen Gerichten, die das Handeln der Behörden kontrollieren. Das gilt auch für jetzt in den Raum geworfene »Plausibilitätsprüfungen«.
Dass vor diesem Hintergrund, der SPD-»Migrationsexperte« Lars Castellucci diesen Modellversuch unterstützt, ist absurd. Wer wissen will, wie Asylverfahren nicht funktionieren können, der blicke auf die griechischen Inseln. Schon heute harren Zehntausende unter unerträglichen Lebensbedingungen in einem solchen Massenmodellversuch in sogenannten Hotspots wie Moria auf Lesvos. Es gibt dort weder eine anwaltliche Unterstützung noch die Überprüfung der behördlichen Fehlentscheidungen durch Gerichte. Die Hauptleidtragenden: Folteropfer, Minderjährige, Traumatisierte.
PRO ASYL stimmt Seehofer in einem Punkt zu: Das Dublin Verfahren ist gescheitert. Begonnen allerdings hat dieser Prozess mit dem jahrelangen massiven Versuch Deutschlands, aus seiner komfortablen geographischen Mittellage heraus den Randstaaten die Verantwortung für Asylsuchende aufzubürden. Dieselben Staaten sollen jetzt als Betreiber weiterer Internierungszentren alten und neuen Typs herangezogen werden. Sie werden sich wie bisher fragen, ob sie am Ende nicht doch für einen Großteil der Ankommenden zuständig bleiben werden. Die Pläne laufen auf niedrige Anerkennungsquoten im »Vorab-Pseudo-Asylverfahren« und damit verbundene Abschiebebrutalität hinaus. Wer den Gordischen Knoten der Dublin-Reform lösen will, muss stattdessen eine solidarische Verteilung nach Ankunft ernsthaft ins Auge fassen. Nach den jetzigen Planungen bleiben die Randstaaten in der Hauptverantwortung.
Castelluccis Verweis, für über Flughäfen Einreisende bliebe das Asylsystem »unberührt«, ist Augenwischerei. Das ist seit jeher eine überschaubare Minderheit gewesen. Und selbst die ist den Scharfmachern beim Asylthema noch zu groß. Das zeigt die drastisch zunehmende Zahl von 48-Stunden-Flughafenasylverfahren, in denen die Antragstellenden als »offensichtlich unbegründet« abgelehnt werden.
Entscheidungen im Flughafenverfahren von 2014 bis 1. Halbjahr 2019
Mitteilung § 18a VI AsylG o.u.-Ablehnung (davon gem. 29a) / prozentualer Anteil
2014 539 56 (5) / 9%
2015 549 74 (2) / 12%
2016 191 68 (3) + 1 eingestellt / 26%
2017 264 127 (6) / 32%
2018 253 229 (2) / 48%
2019 (1. HJ) 104 111 (1) / 52%
Erläuterung zur Mitteilung § 18a VI AsylG: Wenn das Bundesamt m Flughafenverfahren nicht innerhalb von 2 Tagen entschieden hat, wird dem*der Asylsuchenden nach § 18a VI die Einreise gestattet und das Asylverfahren wird im Inland durchgeführt.