09.03.2021

PRO ASYL for­dert Abschiebestopp 

PRO ASYL pro­tes­tiert ener­gisch und mit Nach­druck gegen die Rea­li­täts­ver­wei­ge­rung der Innenminister*innen eini­ger Bun­des­län­der und for­dert den ange­setz­ten Abschie­be­flug nach Afgha­ni­stan zu stop­pen. „Es ist uner­träg­lich, dass die Innenminister*innen eini­ger Bun­des­län­der mit stoi­scher Gleich­gül­tig­keit unge­ach­tet der Lage Abschie­bun­gen durch­zie­hen“, so Gün­ter Burkhardt.

PRO ASYL hat wie­der­holt dar­ge­legt, dass die Sicher­heits­la­ge kata­stro­phal ist und es in Afgha­ni­stan kei­ne siche­ren Gebie­te gäbe, in die Geflüch­te­te zurück­keh­ren könn­ten. Hin­zu kommt die Pan­de­mie, der zuneh­mend Gerich­te, nicht aber die abschie­be­wil­li­gen Behör­den, Rech­nung tragen.

Man­che Abschie­bun­gen wer­den von Gerich­ten in letz­ter Minu­te gestoppt, ande­re nicht. Es hängt oft vom Zufall ab, ob ein Afgha­ne, der über­fall­ar­tig zum Zwe­cke der Abschie­bung ver­haf­tet wird, einen Rechts­bei­stand fin­det. Die­ser wie­der­um muss dann noch das Glück haben, auf ein Gericht zu tref­fen, das den Mut hat, dem Druck der Innenminister*innen stand­zu­hal­ten, und den Fall erneut auf­rollt um die Abschie­bung in letz­ter Minu­te zu stop­pen. »Genau des­halb müs­sen die Innen­mi­nis­te­ri­en end­lich han­deln und die Abschie­bun­gen stop­pen«, for­dert Burkhardt.

Die afgha­ni­sche Bevöl­ke­rung lei­det enorm unter den wirt­schaft­li­chen Fol­gen der Pan­de­mie. Nichts­des­to­trotz wur­de eine pan­de­mie­be­ding­te Unter­bre­chung von Abschie­bun­gen in das Bür­ger­kriegs­land nach weni­gen Mona­ten im Dezem­ber 2020 wie­der auf­ge­ho­ben. Ins­ge­samt wur­den 989 Men­schen seit 2016 in das Bür­ger­kriegs­land abgeschoben.

Hohe Gerich­te stop­pen Abschie­bun­gen auf­grund der Pandemiesituation

Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg erkennt an, dass auf­grund der gra­vie­ren­den Ver­schlech­te­rung der wirt­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen in Afgha­ni­stan es auch für jun­ge, gesun­de Rück­keh­rer der­zeit nur mög­lich ist, ein Exis­tenz­mi­ni­mum zu erwirt­schaf­ten, wenn begüns­ti­gen­de Umstän­de vor­lie­gen. Das Gericht sieht abge­scho­be­ne Per­so­nen ohne die Unter­stüt­zung eines fami­liä­ren oder sozia­len Netz­werks aktu­ell nicht in der Lage, eine Beschäf­ti­gung auf dem Tage­löh­ner­markt zu fin­den, um sich ein Exis­tenz­mi­ni­mum zu erwirt­schaf­ten. Die weni­gen ver­blie­be­nen Arbeits­mög­lich­kei­ten wer­den nach Erkennt­nis­sen des Gerichts in der Regel über per­sön­li­che Bezie­hun­gen ver­ge­ben. Der Auf­bau eines Netz­werks aus eige­ner Kraft sei hin­ge­gen äußerst unwahrscheinlich.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat mit Beschluss vom 09.02.2021 im Rah­men einer einst­wei­li­gen Anord­nung die Abschie­bung eines von der Sam­mel­ab­schie­bung am glei­chen Tage betrof­fe­nen dro­gen­ab­hän­gi­gen jun­gen Man­nes nach Afgha­ni­stan unter­sagt. Laut Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt wur­de vom zustän­di­gen Ver­wal­tungs­ge­richt die aus der Rechts­schutz­ga­ran­tie des Art. 19 Abs. 4 GG resul­tie­ren­de Auf­klä­rungs­pflicht für die Situa­ti­on von Rück­keh­rern ver­letzt. Denn das Ver­wal­tungs­ge­richt habe sich nicht damit beschäf­tigt, wie sich die Covid-19-Pan­de­mie auf das afgha­ni­sche Gesund­heits­sys­tem aus­wirkt, auf das es den Betrof­fe­nen im Hin­blick auf des­sen Dro­gen- und Sub­sti­tu­ti­ons­the­ra­pie aber gleich­zei­tig ver­weist. Außer­dem habe sich das Ver­wal­tungs­ge­richt nicht mit den Aus­wir­kun­gen der Covid-19-Pan­de­mie auf die wirt­schaft­li­che Situa­ti­on in Afgha­ni­stan auseinandergesetzt.

Aus­wär­ti­ges Amt sieht ohne Nen­nung von Grün­den ver­bes­ser­te Lage

Afgha­ni­stan wur­de am 31.01.2021 vom Robert-Koch-Insti­tut (RKI) als »Hoch­in­zi­denz­ge­biet« – also als Gebiet mit beson­ders hohem Infek­ti­ons­ri­si­ko durch beson­ders hohe Inzi­den­zen für die Ver­brei­tung des Coro­na­vi­rus SARS-CoV‑2 – ein­ge­stuft. In den Rei­se- und Sicher­heits­hin­wei­sen des Aus­wär­ti­gen Amtes (AA) hieß es vor die­sem Hin­ter­grund: »Afgha­ni­stan ist von COVID-19 beson­ders stark betrof­fen. Das Gesund­heits­sys­tem hält den Belas­tun­gen nicht stand« (aus der Afgha­ni­stan-News vom 08.02.2021).

Nun hat das AA die Ein­schät­zung geän­dert und for­mu­liert ohne Nen­nung von Grün­den nur noch: »Mit Wir­kung vom 21. Febru­ar 2021 gilt Afgha­ni­stan nicht mehr als Hochinzidenz‑, son­dern als Risi­ko­ge­biet.« PRO ASYL for­dert das RKI und das AA auf, offen zu legen, wie sie inner­halb einer so kur­zen Zeit zu die­ser Ände­rung der Lage­ein­schät­zung kommen.

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