01.12.2011

Der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Hans-Peter Fried­rich hat am 28. Novem­ber ange­kün­digt, dass Deutsch­land für ein wei­te­res Jahr dar­auf ver­zich­ten wird, Flücht­lin­ge nach Grie­chen­land abzu­schie­ben. Die­sen Ver­zicht auf soge­nann­te Rück­über­stel­lun­gen im Rah­men der Dub­lin-II-Ver­ord­nung begrüßt PRO ASYL als rich­ti­gen Schritt. Gleich­zei­tig aller­dings hat sich die Bun­des­re­gie­rung dar­auf fest­ge­legt, um jeden Preis am Dub­lin-Sys­tem festzuhalten.

Das bedeu­tet auch im nächs­ten Jahr: Nur wer sich auf eige­ne Faust aus Grie­chen­land nach Deutsch­land durch­schlägt, hat eine Chan­ce, dem Elend der Flücht­lin­ge in Grie­chen­land zu ent­kom­men. PRO ASYL for­dert die Bun­des­re­gie­rung auf, sich einer Reform des Dub­lin-Sys­tems nicht mehr län­ger in den Weg zu stellen.

Auf­grund der unmensch­li­chen Bedin­gun­gen, unter denen die Flücht­lin­ge leben, reicht es nach Auf­fas­sung von PRO ASYL nicht aus, auf Abschie­bun­gen nach Grie­chen­land zu ver­zich­ten. Es ist drin­gend gebo­ten, dass Euro­pa einen Ret­tungs­schirm für Schutz­su­chen­de auf­spannt und Deutsch­land beson­ders schutz­be­dürf­ti­ge Flücht­lin­ge, die in Grie­chen­land obdach­los und per­spek­tiv­los im Elend leben, aktiv aufnimmt.

Mit der Ent­schei­dung kon­sta­tiert das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, dass sich an den Ver­hält­nis­sen in Grie­chen­land nichts zum Posi­ti­ven geän­dert hat. Ein Schutz­sys­tem für Asyl­su­chen­de exis­tiert in Grie­chen­land nicht. Noch immer wer­den dort Flücht­lin­ge – dar­un­ter auch zahl­rei­che unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge – unter voll­kom­men men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen oft mona­te­lang inhaf­tiert. Nach der Ent­las­sung aus den Haft­la­gern blei­ben die Flücht­lin­ge sich selbst über­las­sen und lan­den meist obdach­los auf der Stra­ße. Das Elend der Flücht­lin­ge wird durch die wirt­schaft­li­che und mitt­ler­wei­le auch sozia­le Kri­se Grie­chen­lands wei­ter verschärft.

Die Situa­ti­on der Flücht­lin­ge in Grie­chen­land ist umfas­send doku­men­tiert. Im Auf­trag von PRO ASYL haben von August 2010 bis Okto­ber 2011 zwei Anwäl­tin­nen und eine Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin die Bedin­gun­gen der Flücht­lings­haft­la­ger in der grie­chi­schen Evros-Regi­on unter­sucht. Der Bericht beschäf­tigt sich unter ande­rem mit der dra­ma­ti­schen Situa­ti­on von Flüchtlingskindern.

Das Elend der Flücht­lin­ge in Grie­chen­land ist nicht nur eine grie­chi­sche, son­dern eine euro­päi­sche Tra­gö­die. Denn die Dub­lin-II-Ver­ord­nung sorgt dafür, dass Flücht­lin­ge nur in dem­je­ni­gen EU-Mit­glieds­staat Asyl bean­tra­gen kön­nen, den sie zuerst betre­ten haben. Wäh­rend das im Inne­ren der Euro­päi­schen Uni­on gele­ge­ne Deutsch­land daher weni­ge der der­zeit nach Euro­pa flie­hen­den Men­schen auf­neh­men muss, wird die Ver­ant­wor­tung für die Schutz­su­chen­den vor allem den Staa­ten an den EU-Außen­gren­zen zuge­scho­ben. Die­ses unso­li­da­ri­sche Sys­tem sorgt für Kon­flik­te zwi­schen den Mit­glied­staa­ten, die auf dem Rücken der Flücht­lin­ge aus­ge­tra­gen wer­den: Ihr Elend wird zum Druck­mit­tel der Staa­ten an den EU-Außen­gren­zen gegen­über den Staa­ten im Zen­trum der Union. 

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