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Zelte, Container und Kasernen für Flüchtlinge: Provisorien dürfen nicht zur Dauerlösung zu werd
Wo können neue Unterbringungsplätze entstehen, ist die zentrale Frage in der Debatte um steigende Flüchtlingszahlen. Dabei müsste die Frage eigentlich lauten: Wie können Flüchtlinge möglichst schnell aus den Unterkünften ausziehen?
Viele Kommunen zeigen sich mit der Unterbringung der Schutzsuchenden überfordert, allerorts wird über neue Unterkünfte debattiert. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger fordert, dass möglichst schnell leer stehende Kasernen oder Kliniken genutzt werden und erklärt, dass viele Bundesländer ihre Kapazitätsgrenzen erreicht haben. Der Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt ruft dazu auf Flüchtlinge in Privathaushalten aufzunehmen. In Nürnberg, Gießen und Friedland wurden Flüchtlinge bereits in Zelten untergebracht.
In vielen deutschen Städten werden ehemalige Schulen, Turnhallen oder Containerlager genutzt, um Flüchtlinge unterzubringen. Die Debatte dreht sich dabei meist um die Frage: Wie und wo können Unterbringungsplätze entstehen? Dabei müsste die Frage eigentlich lauten: Wie können Flüchtlinge möglichst schnell aus den Unterkünften ausziehen und so Platz für Neuankommende machen?
Wohnungen oder Flüchtlingslager: Ein Ländervergleich
Auch neu geschaffene Unterkünfte werden bald überfüllt sein, wenn nicht konsequent dafür gesorgt wird, dass Flüchtlinge schnell aus den Flüchtlingslagern in Privatwohnungen ziehen können. Die Konzepte der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen mit Wohnungsquoten zwischen 85 und 92 Prozent (Stand 2012) können hier als Beispiel dienen. Länder wie Bayern und Sachsen müssen umdenken. Dies ist abseits der Kapazitätsfrage auch menschlich und fiskalisch geboten: Die Enge, der Lärm und die hygienischen Bedingungen in Flüchtlingslagern machen krank und die Lagerunterbringung ist im Durchschnitt teurer als die Unterbringung in Privatwohnungen.
In acht Bundesländern gilt jedoch immer noch die sogenannte Lagerpflicht, die einen Auszug in Privatwohnungen für viele Flüchtlinge unmöglich macht. Wer jedoch nur dafür sorgt das Flüchtlinge auf der einen Seite ins Flüchtlingslager kommen, aber sie auf der anderen Seite nicht wieder hinaus lässt, darf sich nicht wundern, dass die Unterkünfte irgendwann voll sind. PRO ASYL fordert, dass die Lagerpflicht in allen Bundesländern abgeschafft wird. Programme zur Unterstützung bei der Wohnungssuche müssen aufgelegt und bürokratische Hürden abgebaut werden.
Integration fördern, rechtliche Ausgrenzung beenden
Für viele Kommunen sind die Erstattungspauschalen der Bundesländer bei der Aufnahme von Flüchtlingen zudem nicht kostendeckend. Dies führt zu Defiziten bei Unterbringung und Integration. Erschreckende Bilder von beengter und unhygienischer Unterbringung in maroden Gebäuden sind viel zu Oft die Folge. PRO ASYL fordert, dass die Kommunen in viel stärkerem Maße finanziell unterstützt werden. Es muss verhindert werden, dass zehntausende Menschen über Jahre hinweg in Not- und Großunterkünften ohne Chance auf Arbeit und Bildung isoliert werden. Flüchtlingen muss es darüber hinaus ermöglicht werden, möglichst schnell auf eigenen Füßen zu stehen, sie müssen die Sprache lernen können und dabei unterstützt werden, Arbeit zu finden. Die Integrationskurse müssen für Asylsuchende geöffnet werden. Der Bund muss die Arbeitsverbote und das Nachrangigkeitsprinzip ersatzlos streichen.
Wohnungsbau statt Container und Zelte
Die Unterbringung von Flüchtlingen in Containersiedlungen, Kasernen und Zelten dürfen keine Dauerlösung werden. Insbesondere in Ballungsräumen reichen die beschriebenen Maßnahmen jedoch nicht aus. Flüchtlinge, die ausziehen dürfen, finden oft keine bezahlbare Wohnung. Bei der Versorgung mit Privatwohnung fehlt es an Unterstützungsprogrammen, aber vor allem an langfristiger Planung, Ideen, bauplanungsrechtliche Umsetzungsmöglichkeiten und öffentlichen Geldern. Zudem verlieren jedes Jahr mindestens 100.000 Wohnungen ihren früheren Status als Sozialwohnung. Die Altbestände des sozialen Wohnungsbaus sind weitgehend privatisiert. Die Frage der angemessenen Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen stellt sich vor diesem Hintergrund als eine Teilfrage eines größeren sozialen Problems dar: Wie können Menschen mit begrenztem Einkommen zu bezahlbarem Wohnraum kommen?
Unlösbar erscheint diese Aufgabe nicht. Sie erreicht nicht annähernd die Größenordnung, mit der sich der soziale Wohnungsbau in den fünfziger Jahren auseinanderzusetzen hatte. Acht Millionen Flüchtlinge benötigten damals in der Bundesrepublik ein Dach über dem Kopf. Da sollte ein um ein Vielfaches reicher gewordenes Land in der Lage sein, Lösungen zu finden. Nicht nur für Flüchtlinge, sondern für Einkommensschwache insgesamt.
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