Image
Eine Auslagerung von Flüchtlingsschutz bedeutet auch mehr bewachte Lager hinter Stacheldraht, wie auf Lampedusa (IT) Foto: PRO ASYL

Am 20. Juni wird der Kanzler mit den Ministerpräsident*innen über die Auslagerung von Asylverfahren und damit über die Aushöhlung des Flüchtlingsschutzes diskutieren. Im Rahmen eines Prüfauftrags äußern sich die meisten Sachverständigen zu solchen Plänen kritisch. Mit einem offenen Brief von über 300 Organisationen gibt es starken Protest.

Es ist bezeich­nend, dass der dies­jäh­ri­ge Welt­flücht­lings­tag ganz im Schat­ten einer Debat­te um Aus­la­ge­rung, Abschot­tung und dem Angriff auf das indi­vi­du­el­le Asyl­recht steht. Am 20. Juni wird zwi­schen Bun­des­kanz­ler Scholz und den Ministerpräsident*innen über den Stand des beim letz­ten Bund-Län­der-Tref­fens beschlos­se­nen Prüf­auf­trag gespro­chen. Laut die­sem soll die Bun­des­re­gie­rung die Fra­ge klä­ren, ob Asyl­ver­fah­ren men­schen­rechts­kon­form aus­ge­la­gert wer­den kön­nen. Für PRO ASYL ist klar: Nein, das ist nicht möglich!

Deutliche Ablehnung der Vorschläge durch Expert*innen

Eine Aus­la­ge­rung des Flücht­lings­schut­zes in Tran­sit- oder Dritt­staa­ten wird die Her­aus­for­de­run­gen deut­scher Kom­mu­nen bei der Auf­nah­me von Schutz­su­chen­den nicht lösen, aber gra­vie­ren­de Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, hohe Kos­ten und Auf­wand sowie Abhän­gig­keit von Dritt­staa­ten ver­ur­sa­chen. Kon­zep­te zur Aus­la­ge­rung des Flücht­lings­schut­zes sind häu­fig rechts­wid­rig und füh­ren schon jetzt in der Pra­xis zu gro­ßem Leid und Pro­ble­men. Dies zeigt sich zum Bei­spiel am EU-Tür­kei Deal, der zum Elend­sla­ger Moria führ­te. Oder an den Ver­su­chen der bri­ti­schen Regie­rung, Flücht­lin­ge nach Ruan­da abzu­schie­ben, obwohl ihre Sicher­heit vor wei­te­ren Abschie­bun­gen nicht gewähr­leis­tet ist. Das legt PRO ASYL in einer Stel­lung­nah­me an das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um im Rah­men die­ses Prüf­auf­trags dar. Die Emp­feh­lung ist ein­deu­tig: Die Bun­des­re­gie­rung soll­te kei­nen Schein­lö­sun­gen hin­ter­her­ja­gen und sol­che Vor­schlä­ge nicht wei­ter­ver­fol­gen. Statt­des­sen soll­te sie sich auf die Stär­kung des Schutz­sys­tems in Deutsch­land und Euro­pa konzentrieren.

»Vie­le Sach­ver­stän­di­ge äußer­ten sich aller­dings skep­tisch bis kri­tisch zu den recht­li­chen und tat­säch­li­chen Umsetzungsmöglichkeiten«

aus dem Sachstandsbericht

Und die meis­ten Expert*innen tei­len die­se Ein­schät­zung, wie eine Recher­che der Tages­schau zeigt. So steht laut dem Arti­kel in dem Sach­stands­be­richt, der zum Bund-Län­der-Tref­fen vor­ge­legt wird: »Vie­le Sach­ver­stän­di­ge äußer­ten sich aller­dings skep­tisch bis kri­tisch zu den recht­li­chen und tat­säch­li­chen Umset­zungs­mög­lich­kei­ten«. Mit dem Sach­stands­be­richt sol­len am 20. Juni sämt­li­che Stel­lung­nah­men ver­öf­fent­licht werden.

Offener Brief von über 300 Organisationen: Menschen schützen statt Asylverfahren auslagern

Auch aus der im Flücht­lings­schutz akti­ven Zivil­ge­sell­schaft kommt mit einem gemein­sa­men offe­nen Brief vor dem Tref­fen ein star­kes Signal: »Wir, 309 Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven, möch­ten Teil einer Gesell­schaft sein, die geflüch­te­te Men­schen men­schen­wür­dig auf­nimmt. Wer Schutz bei uns in Deutsch­land sucht, soll ihn auch hier bekom­men. Das Recht auf Asyl ist ein Men­schen­recht«, heißt es in dem von PRO ASYL, dem Pari­tä­ti­schen Gesamt­ver­band, Ärz­te ohne Gren­zen, Brot für die Welt, Amnes­ty Inter­na­tio­nal und Dia­ko­nie Deutsch­land initi­ier­ten Brief.

Gemein­sam for­dern die Orga­ni­sa­tio­nen den Bun­des­kanz­ler und die Ministerpräsident*innen auf, Vor­schlä­ge zur Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren klar abzulehnen.

»Wir, 309 Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven, möch­ten Teil einer Gesell­schaft sein, die geflüch­te­te Men­schen men­schen­wür­dig auf­nimmt. Wer Schutz bei uns in Deutsch­land sucht, soll ihn auch hier bekom­men. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht.«

aus dem Offe­nen Brief

Abschlie­ßend heißt es in dem State­ment: »Wir sind uns sicher: Rea­lis­ti­sche und men­schen­rechts­ba­sier­te Poli­tik stärkt den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt. Dass Anfang des Jah­res so vie­le Men­schen wie noch nie in Deutsch­land auf die Stra­ße gegan­gen sind, um ein Zei­chen für eine offe­ne und diver­se Gesell­schaft und gegen Rechts­extre­mis­mus zu set­zen, macht uns Mut. Eine zukunfts­fä­hi­ge Gesell­schaft braucht Viel­falt, Offen­heit und ein kon­se­quen­tes Ein­ste­hen für Men­schen­rech­te – für alle«.

Der offe­ne Brief bleibt offen für Unter­zeich­nun­gen von Orga­ni­sa­tio­nen auf Bun­des­ebe­ne, Lan­des­ebe­ne und von loka­len Initiativen.

(wj)