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Wie die EU Beitrittskandidaten zur Menschenrechtsverletzung drängt

Die EU setzt Serbien und Mazedonien unter Druck, damit sie bestimmten Bürgern das Menschenrecht auf Ausreise verweigern.
In der Regel heißt es, dass Staaten, die Mitglied der Europäischen Union werden wollen, die Menschenrechte beachten müssen. Doch bei den Beitrittskandidaten Mazedonien, Serbien und anderen Staaten der Region scheint es sich ironischerweise derzeit andersherum zu verhalten: Die EU setzt jene Staaten unter Druck und fordert, dass sie manchen ihrer Bürger das Menschenrecht auf Ausreise verweigern sollen – besonders Roma sind davon betroffen.
Der Hintergrund: Seit die Bürger der ehemaligen jugoslawischen Staaten ohne Visa in die EU einreisen dürfen, beantragen immer wieder Menschen aus diesen Ländern Asyl in EU-Staaten. Diese Asylsuchenden möchte sich die Europäische Union mit allen Mitteln vom Hals halten. Die EU-KommissarInnen Cecilia Malmström und Stefan Füle, die für Asyl- und Migrationspolitik zuständig sind, schrieben also die Regierungen der beiden Balkan-Staaten an, und warnten, dass die EU ihnen gegenüber die Visa-Freiheit zurücknehmen könne, wenn sie nicht ihre Staatsbürger davon abhielten, in EU-Staaten Asyl zu beantragen. In einem Schreiben von Füle an den mazedonischen Außenminister hieß es, das Land müsse „ sofort alle notwendigen Maßnahmen ergreifen um die Einreise von Asylsuchenden zu verhindern“.
Die Drohungen der EU zeigen Wirkung. So hat etwa Mazedonien beschlossen, den „Missbrauch der Visafreiheit in der EU und des Schengen-Abkommens“ zu kriminalisieren. Wer als abgelehnter Asylbewerber aus EU-Staaten nach Mazedonien zurückgeschoben wird, soll mit dem Entzug seines Passes bestraft werden. In Serbien sind ähnliche Maßnahmen geplant. Wer aus den betroffenen Balkan-Staaten in die EU ausreisen will, soll künftig zudem überprüft werden, und, sofern die Ausreisewilligen in Verdacht stehen, dass sie Asyl in der EU beantragen könnten, vom eigenen Staat an der Ausreise gehindert werden.
Das widerspricht eindeutig der Europäischen Menschenrechtskonvention, die das Recht zum Verlassen eines jeden Landes einschließlich des eigenen garantiert, wie nun auch der Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg betont. Zudem widerspricht die Politik der EU eklatant der Idee des Asylrechts, da sie Staaten aufruft, Bürgern zu verbieten, anderswo Schutz zu suchen. „Asyl zu ersuchen ist ein Menschenrecht, und wer Gründe für einen Schutzstatus anführen kann, dem muss ein solcher Status auch zugesprochen werden“, so Hammarberg.
Und nicht zuletzt leisten die von der EU verlangten Maßnahmen Rassismus und Diskriminierung Vorschub. Denn es sind meist die Angehörigen schwer diskriminierter und daher oft zum Leben im Elend verdammten Minderheiten, die in der EU Asyl suchen. Gerade sie geraten nun bei der Ausreise ins Visier der einheimischen Grenzer: „Es sind die Minderheiten, vor allem Roma, die hier getroffen werden. Nicht jeder kann bei der Ausreise überprüft werden, die Selektion basiert auf ‚profiling‘. Das Resultat ist eine weitere Ebene der Diskriminierung dieser Minderheit“, warnt Thomas Hammarberg.
Den Angehörigen der diskriminierten Minderheiten wird schon jetzt vorgeworfen, dass sie schuld daran seien, wenn die EU den betroffenen Staaten die Visa-Freiheit wieder entziehen sollte. Die Politik der EU sorgt so dafür, dass Roma einmal mehr als Sündenböcke herhalten müssen.
Weiterführende Informationen:
Gemeinsamer Brief zahlreicher Menschenrechtsorganisationen an Cecilia Malmström
Pressebericht: “Bosnia and Herzegovina risks losing visa-free status“
Stimmungsmache und Stigmatisierung: Bayern will Abschiebelager einrichten (22.07.15)
Balkanstaaten erledigen für Brüssel die „Drecksarbeit“ (05.03.13)
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