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Archivbild: Zaun der Abschiebungshaftanstalt Ingelheim. Foto: Reiner Frey / DWHN

Das sogenannte »Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht« tritt am 29.07. in Kraft. Im Vorfeld wurde das Vorhaben von in der Flüchtlingsarbeit aktiven Verbänden und Organisationen scharf kritisiert. Ein Paket mit teils verfassungsbedenklichen Verschärfungen, mit denen Deutschland immer weiter vom Aufnahmeland zum Abschiebeland mutiert.

PRO ASYL, Kir­chen, Wohl­fahrts- und Fach­ver­bän­de sowie wei­te­re Orga­ni­sa­tio­nen  aus der Flücht­lings­ar­beit haben sich gegen das Gesetz aus­ge­spro­chen. (Eine Über­sicht über die Stel­lung­nah­men fin­det sich im Anschluss.) Die Kri­tik stieß auf tau­be Ohren. Wie so vie­le Asyl­ge­setz­ver­schär­fun­gen der ver­gan­ge­nen Mona­te wur­de auch das soge­nann­te »Gesetz zur bes­se­ren Durch­set­zung der Aus­rei­se­pflicht« im Hau­ruck-Ver­fah­ren durchgepeitscht.

Datenauslese der besonderen Art

Schon bei Stel­lung des Asyl­an­tra­ges wer­den die Asyl­su­chen­den unter einen Gene­ral­ver­dacht gestellt, vor­sätz­lich getäuscht zu haben. Sys­te­ma­tisch sol­len bei rund der Hälf­te aller Asyl­su­chen­den die Han­dy­da­ten aus­ge­le­sen wer­den. Damit ent­steht eine mas­sen­haf­te Aus­le­sung noch vor Anhö­rung – ein fai­res Ver­fah­ren sieht anders aus. Dies ist ein tief­grei­fen­der Ein­griff in die Pri­vat­sphä­re und aus Sicht von PRO ASYL und ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen verfassungswidrig.

Das Gesetz schafft die recht­li­che Grund­la­ge für den glä­ser­nen Flücht­ling: Es muss befürch­tet wer­den, dass nicht kon­trol­liert wer­den kann, ob auch pri­va­te Daten wie Kon­tak­te zu Anwält*innen, Ärzt*innen oder Unterstützer*innen abge­grif­fen wer­den. Wäh­rend das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bei der Ent­schei­dung über den »Gro­ßen Lausch­an­griff« Ein­grif­fe in die Pri­vat­sphä­re ohne rich­ter­li­chen Beschluss ver­bo­ten hat, soll dies nun bei Asyl­su­chen­den umgan­gen werden.

Zu befürch­ten ist, dass es dabei kei­nes­wegs bei Daten zur Fest­stel­lung von Staats­an­ge­hö­rig­keit und Iden­ti­tät blei­ben wird. Schon bei der Sach­ver­stän­di­gen­an­hö­rung vor dem Bun­des­tag sprach das Bun­des­amt von der Prü­fung mate­ri­el­ler Anga­ben des Antrag­stel­lers. Inzwi­schen wer­den beim BAMF IT-Sys­te­me getes­tet, mit denen etwa Fotos oder Sprach­ein­stel­lun­gen in Han­dys von Flücht­lin­gen aus­ge­wer­tet wer­den kön­nen. Eine Aus­wei­tung auch auf Rei­se­da­ten ist auch zu befürch­ten vor dem Hin­ter­grund der Ver­hand­lun­gen der geplant Dub­lin-IV-Ver­ord­nung und den Bestre­bun­gen der Bun­des­re­gie­rung, Über­stel­lun­gen gemäß Dub­lin rigo­ros durchzusetzen.

Lagerpflicht für alle

Die Bun­des­län­der wer­den ermäch­tigt, grund­sätz­lich alle Asyl­su­chen­den bis zum Ende der Asyl­ver­fah­ren in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen fest­zu­hal­ten. Dies ver­hin­dert Kon­tak­te zu Ehren­amt­li­chen und Unter­stüt­ze­rIn­nen. Damit ste­hen sie sowohl bei der Anhö­rung, wo etli­che Feh­ler pas­sie­ren kön­nen, als auch bei der Abschie­bung ohne Hil­fe­stel­lung da. Wir müs­sen davon aus­ge­hen, dass so vie­le Schutz­su­chen­de nicht das Recht auf Asyl bekom­men, das ihnen zusteht. Selbst Min­der­jäh­ri­ge wer­den von die­ser Unter­brin­gungs­form nicht aus­ge­nom­men – das Kin­des­wohl bleibt auf der Stre­cke, damit wird schon gegen Völ­ker­recht und Euro­pa­recht verstoßen.

Überraschungsinhaftierungen und –abschiebungen

Per­so­nen, die sich über einen län­ge­ren Zeit­raum gedul­det in Deutsch­land auf­hal­ten, sol­len über­ra­schend abge­scho­ben wer­den kön­nen – ohne vor­he­ri­ge Ankün­di­gung. Bis­lang muss­te bei Dul­dun­gen von län­ger als einem Jahr die Dul­dung zunächst wider­ru­fen und die Abschie­bung min­des­tens einen Monat vor­her ange­kün­digt wer­den (ein­mo­na­ti­ge Wider­rufs­frist bei Abschie­bun­gen nach § 60a Abs. 5 Auf­enthG).

Die­se Rege­lung im Auf­ent­halts­ge­setz soll für bestimm­te Per­so­nen­grup­pen ersatz­los gestri­chen wer­den und für Per­so­nen gel­ten, die angeb­lich durch Iden­ti­täts­täu­schung oder durch Nicht­er­fül­lung zumut­ba­rer Anfor­de­run­gen an die Mit­wir­kung ihre Auf­ent­halts­be­en­di­gung ver­hin­dert oder – laut Geset­zes­be­grün­dung – »ver­zö­gert« haben. Es bleibt ins­be­son­de­re offen, ob es sich um eine aktu­el­le Täu­schungs­hand­lung han­deln muss oder nicht. Auch der Begriff der »zumut­ba­ren« Anfor­de­run­gen ist nicht wei­ter kon­kre­ti­siert. In der Pra­xis wird Flücht­lin­gen immer wie­der ohne belast­ba­re Begrün­dung vor­ge­wor­fen, ihre Abschie­bung selbst­ver­schul­det ver­hin­dert zu haben. Die Rege­lung ist so unscharf for­mu­liert, dass sie ein Ein­falls­tor für Will­kür sein kann.

Rechtsstaatswidriger Freiheitsentzug

Neben der Abschie­bungs­haft gibt es zusätz­lich die Mög­lich­keit des Aus­rei­se­ge­wahr­sams mit nied­ri­ge­ren Anfor­de­run­gen – der nun von vier auf zehn Tage ver­län­gert wird. Die Betrof­fe­nen haben dann aber nur ein­ge­schränkt Chan­cen, einen Rechts­an­walt zu beauf­tra­gen um gegen die Abschie­bung vorzugehen.

(beb/akr)