19.06.2023
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Ein Bündnis von Organisationen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, um die Klageverfahren zu unterstützen. Foto: PRO ASYL

Sind Zimmer in Geflüchtetenunterkünften vom Grundgesetz geschützte Wohnungen? Ist bei einer Abschiebung ein Durchsuchungsbeschluss notwendig? Dürfen sich ehemalige Bewohner*innen nachträglich gegen die Hausordnung wehren? Diese Fragen hatte das Bundesverwaltungsgericht zu klären – PRO ASYL war dabei und ist mehr als ernüchtert.

Am Don­ners­tag, den 15. Juni 2023, ent­schied das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig über zwei zu einem Ver­fah­ren ver­bun­de­ne Kla­gen (BVerwG 1 CN 1.22, BVerwG 1 C 10.22). In bei­den ging es um die Fra­ge des grund­recht­li­chen Schut­zes von Zim­mern in Sam­mel­un­ter­künf­ten von Geflüch­te­ten. Die Kla­ge­ver­fah­ren wur­den von einem Bünd­nis von Orga­ni­sa­tio­nen unter­stützt, dem PRO ASYL, die Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te e.V. (GFF), die Akti­on Blei­be­recht Frei­burg und der Flücht­lings­rat Baden-Würt­tem­berg angehören.

Ange­sichts der pre­kä­ren Flucht­we­ge und des exis­ten­zi­el­len Elends an den EU-Außen­gren­zen wird oft ver­ges­sen, dass die Ankunft in Deutsch­land nicht bedeu­tet, dass Schutz­su­chen­de zur Ruhe kom­men dür­fen. Sie müs­sen gemäß § 47 des Asyl­ge­set­zes zunächst bis zu 18 Mona­ten (und in man­chen Fäl­len noch län­ger) in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen leben. Dass Schutz­su­chen­de auch dort Pri­vat­sphä­re haben, soll­te eine Selbst­ver­ständ­lich­keit sein, sieht aber in der Pra­xis oft anders aus. Die Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen bedeu­ten meist repres­si­ve Mas­sen­un­ter­brin­gun­gen und Iso­la­ti­on. Vie­le Geflüch­te­te gehen dau­er­haft mit der Angst schla­fen, in der Nacht aus ihrem Zim­mer geholt und für eine Abschie­bung oder Rück­füh­rung in ein ande­res EU-Land zum Flug­ha­fen gebracht zu werden.

Um über den grund­recht­li­chen Woh­nungs­schutz Geflüch­te­ter ein­heit­lich zu ent­schei­den, hat­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig zwei Ver­fah­ren ver­bun­den und hier­zu nun eine dop­pel­deu­ti­ge Ent­schei­dung getrof­fen: Zim­mer in Sam­mel­un­ter­künf­ten sei­en zwar grund­recht­lich geschützt, den­noch sei­en Durch­su­chungs­be­schlüs­se nicht not­wen­dig und die Poli­zei dür­fe zum Zweck einer Abschie­bung pri­va­te Zim­mer betre­ten. Damit schränk­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt das zuer­kann­te Grund­recht durch die Hin­ter­tür gleich wie­der ein.

Klage 1: Restriktive Hausordnung in der Landesaufnahmeeinrichtung Freiburg

Sechs Bewoh­ner der Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung in Frei­burg hat­ten 2020 mit Unter­stüt­zung des Kla­ge­bünd­nis­ses beim Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg einen Nor­men­kon­troll­an­trag gegen ihre Haus­ord­nung ein­ge­reicht. Die in allen Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen Baden-Würt­tem­bergs ein­heit­lich (und an vie­len Orten bun­des­weit ähn­lich) aus­ge­stal­te­te Haus­ord­nung regu­liert den All­tag der Bewohner*innen umfas­send. Unter ande­rem sind die Türen zu den Schlaf­räu­men nicht abschließ­bar. Der Sicher­heits­dienst kon­trol­liert täg­lich die Zim­mer und darf die­se auch nachts und gegen den Wil­len betre­ten. Wer das Gebäu­de für Erle­di­gun­gen oder Spa­zier­gän­ge ver­lässt, wird bei der Rück­kehr in die Ein­rich­tung einer Ein­lass- und Taschen­kon­trol­le unterzogen.

Im Febru­ar 2022 ent­schied der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof, dass die in der Haus­ord­nung gere­gel­ten Befug­nis­se des Sicher­heits­diens­tes, die Zim­mer der Geflüch­te­ten jeder­zeit betre­ten und kon­trol­lie­ren zu kön­nen, unwirk­sam sind. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Stutt­gart hat­te als vor­he­ri­ge Instanz noch ent­schie­den, dass der Grund­rechts­schutz in Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen für Geflüch­te­te nur ein­ge­schränkt – ver­gleich­bar mit Geschäfts­räu­men – gilt. Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof stell­te nun aber klar, dass die Schlaf­zim­mer in Sam­mel­un­ter­künf­ten grund­recht­lich geschütz­te Wohn­räu­me gemäß Art. 13 Abs. 1 des Grund­ge­set­zes (»Die Woh­nung ist unver­letz­lich«) sind. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts fal­len unter den Schutz die­ses Grund­rechts nicht nur Woh­nun­gen, son­dern alle Räu­me, in denen der Mensch das Recht hat, in Ruhe gelas­sen zu wer­den. Die­ser hohe Schutz führt dazu, dass eine Rechts­grund­la­ge für einen Ein­griff in die Unver­letz­lich­keit der Woh­nung eine kon­kre­te Rechts­grund­la­ge ver­langt. In § 6 Abs. 3 Satz 2 Flücht­lings­auf­nah­me­ge­setz steht ledig­lich: »Das Regie­rungs­prä­si­di­um Karls­ru­he erlässt die Nut­zungs­ord­nung und trifft die zur Auf­recht­erhal­tung der Sicher­heit und Ord­nung erfor­der­li­chen Anord­nun­gen und Maß­nah­men«. Die­ser Para­graf ist als gesetz­li­che Ermäch­ti­gung zum Erlass einer Haus­ord­nung zu unbe­stimmt und generell.

Sowohl das Bun­des­land Baden-Würt­tem­berg als Beklag­te als auch das Kla­ge­bünd­nis hat­ten Revi­si­on gegen die Ent­schei­dung des Ver­wal­tungs­be­richts­hofs Baden-Würt­tem­berg ein­ge­legt. Damit soll­te das Bun­des­ge­richt als höhe­re Instanz die Haus­ord­nung noch­mals an den Grund­rech­ten mes­sen. Das Ver­fah­ren wird über den PRO ASYL Rechts­hil­fe­fonds finanziert.

Ernüchterung bei der mündlichen Verhandlung

PRO ASYL war bei der münd­li­chen Ver­hand­lung vor Ort und hat den Ver­fah­rens­gang beob­ach­tet. Der vor­sit­zen­de Rich­ter ließ schon anfangs durch­klin­gen, dass er Zwei­fel an der Zuläs­sig­keit des Nor­men­kon­troll­an­trags habe. Zum einen sind die Klä­ger nicht mehr wohn­haft in der Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung in Frei­burg und zum ande­ren ist die dama­li­ge Haus­ord­nung inzwi­schen durch eine neue abge­löst wor­den. Die Anwält*innen brach­ten dazu vor, dass es auf das Rechts­schutz­be­dürf­nis zum Zeit­punkt der Antrags­stel­lung ankom­men müs­se. Ansons­ten liegt es in den Hän­den der Antragsgegner*in, die Betrof­fe­nen in ande­re Unter­künf­te zu ver­le­gen und sich so vor Angrif­fen auf ihre rechts­wid­ri­gen Haus­ord­nun­gen zu schüt­zen. Auch blei­ben die Rechts­fra­gen bei der neu­en Haus­ord­nung bestehen und es kommt gera­de dar­auf an, die­se umfas­send zu prüfen.

Das Gericht wand­te ein, dass anstel­le einer Nor­men­kon­trol­le gegen die gesam­te Haus­ord­nung auch der Rechts­schutz gegen Ein­zel­maß­nah­men, also bei­spiels­wei­se eine kon­kre­te Taschen­kon­trol­le, gesucht wer­den kön­ne. Dies lässt jedoch einen Blick dar­auf ver­mis­sen, dass den Betrof­fe­nen die Ein­klag­bar­keit ihrer Rech­te damit wesent­lich erschwert wird.
Der vor­sit­zen­de Rich­ter mein­te zudem, dass Zutritts­kon­trol­len an vie­len Orten üblich wären. Dar­auf erwi­der­ten die Anwält*innen, dass sich dies auf frei­wil­li­ge, ver­zicht­ba­re Akti­vi­tä­ten (Flug­ha­fen, Kon­zert­be­su­che etc.) bezie­he. Es dür­fe nicht ver­ges­sen wer­den, dass Geflüch­te­te durch die­se Kon­trol­len müs­sen, um an ihren Wohn­raum und Rück­zugs­ort zu gelan­gen und ihnen bei Wei­ge­rung Sank­tio­nen drohen.

Das Land Baden-Würt­tem­berg wies noch dar­auf hin, dass Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen eine gewis­se Ord­nungs­funk­ti­on hät­ten und die Haus­ord­nun­gen den Schutz der Bewohner*innen sicher­stel­len soll­ten. Dass es Rege­lun­gen braucht, stell­ten die Klä­ger aller­dings nicht infra­ge, es geht ihnen aber dar­um, wie die­se aus­ge­stal­tet sind.

Kein inhaltliches Urteil zur Rechtswidrigkeit!

Die fünf Richter*innen ver­kün­de­ten am sel­ben Tag das Urteil und wie­sen die Revi­si­on gegen die Haus­ord­nung zurück, weil es am Rechts­schutz­be­dürf­nis feh­le. Damit wur­de über die Recht­mä­ßig­keit der Haus­ord­nung nicht inhalt­lich geur­teilt – nur weil die Klä­ger dort nicht mehr woh­nen. Dies ver­kennt jedoch, dass die Regeln für zahl­rei­che Geflüch­te­te wei­ter gel­ten. Wenn das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt die Rechts­wid­rig­keit der Haus­ord­nung fest­ge­stellt hät­te, wäre das ein wich­ti­ger Appell gewe­sen, alle Haus­ord­nun­gen von Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen bun­des­weit grund­rechts­kon­form auszugestalten.

»Wir haben nicht nur für uns geklagt, son­dern für alle Men­schen, die in die­sen gefäng­nis­ähn­li­chen Camps leben. Des­we­gen ver­ste­hen wir nicht, war­um das Gericht nur des­halb nicht ent­schei­den will, weil wir dort nicht mehr leben. Vie­le geflüch­te­te Men­schen sind nach wie vor von die­sen repres­si­ven Regeln betrof­fen. Wir kämp­fen wei­ter für ein selbst­be­stimm­tes Woh­nen«, kom­men­tier­te Ba Gan­do, Klä­ger aus Frei­burg, die ent­täu­schen­de Entscheidung.

Klage 2: Harte Abschiebungspraxis in Ellwangen

Hin­ter­grund der zwei­ten Kla­ge war ein Poli­zei­ein­satz im Juni 2018 in der Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung in Ell­wan­gen. Der Klä­ger Alas­sa Mfoua­pon soll­te nach Ita­li­en abge­scho­ben wer­den, weil er dort zuerst sei­nen Asyl­an­trag gestellt hat­te und damit Ita­li­en nach den Dub­lin-Rege­lun­gen für sei­nen Asyl­an­trag zustän­dig war. Meh­re­re Polizist*innen beglei­tet von Poli­zei­hun­den, dran­gen in das Zim­mer des Klä­gers ein – einen gericht­li­chen Durch­su­chungs­be­schluss hat­ten sie dafür jedoch nicht. Zuvor hat­te die Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung Ell­wan­gen bun­des­weit für Schlag­zei­len gesorgt, nach­dem Bewohner*innen gegen die Abschie­bung eines Togo­le­sen demons­triert hat­ten. Die Ver­hin­de­rung der Abschie­bung wur­de als Ende des Rechts­staats in Deutsch­land sti­li­siert und Alas­sa Mfoua­pon wur­de als Spre­cher der Geflüch­te­ten in Ell­wan­gen Ziel einer rech­ten Hetz­kam­pa­gne.

Gegen die ein­schnei­den­de Poli­zei­maß­nah­me bei sei­ner Abschie­bung hat­te Alas­sa Mfoua­pon beim Ver­wal­tungs­ge­richt in Stutt­gart Kla­ge erho­ben. Die­ses hielt in sei­nem Urteil einen Durch­su­chungs­be­schluss nicht für not­wen­dig, da es sich nicht um »Woh­nun­gen« han­de­le. In dem anschlie­ßen­den Beru­fungs­ver­fah­ren urteil­te der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Baden-Würt­tem­berg zwar, dass es sich bei Geflüch­te­ten­un­ter­künf­ten auch um pri­va­te Wohn­räu­me han­delt. Der Gerichts­hof schränk­te den Grund­rechts­schutz aber ein, indem er argu­men­tier­te, dass die Zim­mer so klein und über­sicht­lich sein, dass kei­ne »Suche« inklu­si­ve Gerichts­be­schluss erfor­der­lich sei.

Häu­fig – zum Bei­spiel bei Straf­ver­fah­ren – füh­ren Woh­nungs­durch­su­chun­gen ohne Gerichts­be­schluss zur Unwirk­sam­keit der Maß­nah­me und gefun­de­ne Bewei­se dür­fen nicht ver­wer­tet wer­den. Die ers­ten bei­den Instan­zen sahen dies bei Geflüch­te­ten­un­ter­künf­ten aber anders und mein­ten, dass ein »Suchen« durch die Über­sicht­lich­keit der Zim­mer gar nicht nötig war und dar­in ledig­lich ein »Betre­ten« bestün­de. Dage­gen hat­te das Kla­ge­bünd­nis Revi­si­on eingelegt.

Klageweg für Abgeschobene schwierig

Gene­rell wur­de die Fra­ge, ob eine Abschie­bungs­maß­nah­me recht­mä­ßig war, bis­her nur in weni­gen Fäl­len gericht­lich ent­schie­den. Den Abge­scho­be­nen ist es nur sehr sel­ten mög­lich, im Nach­gang dage­gen zu kla­gen – sie sind schließ­lich nicht mehr in Deutsch­land. Im Herbst 2021 hat­te das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin im soge­nann­ten »Ramm­bock-Fall« geur­teilt, dass das Ein­bre­chen der Poli­zei in das Zim­mer eines Geflüch­te­ten zur Abschie­bung ohne rich­ter­li­chen Durch­su­chungs­be­schluss rechts­wid­rig ist. Der Innen­se­na­tor Ber­lins Andre­as Gei­sel (SPD) hat die Abho­lung eines Abzu­schie­ben­den aus sei­nem Zim­mer als »Betre­ten« und nicht als »Durch­su­chen« bewer­tet. Auch hier ist mit Unter­stüt­zung von PRO ASYL noch eine Kla­ge beim Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg anhän­gig, weil das Land Ber­lin gegen das Urteil in Beru­fung gegan­gen ist.

Die­se Abschie­be­pra­xis wur­de durch das soge­nann­te »Geord­ne­te-Rück­kehr-Gesetz« im August 2019 lega­li­siert und in § 58 Abs. 5 Auf­ent­halts­ge­setz fest­ge­legt, dass es sich um ein rei­nes »Betre­ten« han­delt, wenn die Poli­zei zur Abschie­bung in die Zim­mer von Sam­mel­un­ter­künf­ten eindringt.

Dem ersten Aufatmen folgt die Enttäuschung

Auf die­ses Gesetz ver­wies auch das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, als zur Ver­hand­lung der Recht­mä­ßig­keit der Abschie­bun­gen in Ell­wan­gen über­ge­gan­gen wur­de. Die Richter*innen stell­ten zunächst aus­drück­lich klar, dass der Schutz­be­reich des Grund­rechts der Unver­letz­lich­keit der Woh­nung auch in Geflüch­te­ten­un­ter­künf­ten unein­ge­schränkt gilt.

Ein ers­tes Auf­at­men auf Klä­ger­sei­te wur­de dann aber schnell abge­mil­dert. Denn die Richter*innen erach­te­ten im Wei­te­ren einen Durch­su­chungs­be­schluss zum Auf­su­chen einer abzu­schie­ben­den Per­son für nicht not­wen­dig. Es feh­le in sub­jek­ti­ver und objek­ti­ver Hin­sicht am »Auf­spü­ren von etwas Ver­bor­ge­nem«. Die Anwält*innen hiel­ten dem ent­ge­gen, dass ein Ver­bor­gen­sein durch das Zim­mer aus­rei­chen müs­se. In den aller­we­nigs­ten Fäl­len sei eine Per­son direkt beim Öff­nen der Tür sicht­bar. Der Blick um die Ecke oder unter das Bett sei not­wen­dig und damit lie­ge eine qua­li­fi­zier­te Such­hand­lung vor. Zudem ver­wie­sen sie dar­auf, dass die Poli­zei ja zunächst klop­fen und die betrof­fe­ne Per­son hät­te her­aus­bit­ten können.

Sind Abschiebungen eine Abwehr »dringender Gefahr«?

Die Fol­ge­fra­ge war dann, ob bei einer Abschie­bung die Abwehr einer »drin­gen­de Gefahr« im Sin­ne von Art. 13 Abs. 7 des Grund­ge­set­zes vor­liegt. Nur dann darf näm­lich auf ande­re Wei­se als mit einem Durch­su­chungs­be­schluss in die Unver­letz­lich­keit der Woh­nung ein­ge­grif­fen wer­den. Ins­be­son­de­re wer­den im Grund­ge­setz dazu die Fall­grup­pen zur Behe­bung der Raum­not, zur Bekämp­fung von Seu­chen­ge­fahr oder zum Schut­ze gefähr­de­ter Jugend­li­cher genannt. Die Klä­ger­sei­te wider­sprach dem: Die­se Defi­ni­ti­on kön­ne kei­nes­wegs mit der Abschie­bung einer ein­zel­nen Per­son gleich­ge­setzt wer­den. Die Durch­set­zung der Aus­rei­se­pflicht von Ausländer*innen stellt kei­ne dro­hen­den Schä­den für beson­ders wich­ti­ge Rechts­gü­ter dar. Nach Stel­lung­nah­men aller Betei­lig­ten wur­de die Sit­zung geschlossen.

Enttäuschendes Urteil: Grundrechtsschutz light

In sei­ner Urteils­ver­kün­dung wies das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt auch die zwei­te Revi­si­on zurück: Die fünf Richter*innen stell­ten ent­ge­gen der Vor­in­stanz zumin­dest klar, dass auch in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen der vol­le Schutz aus Art. 13 des Grund­ge­set­zes gel­te. Aller­dings wer­te­ten sie die poli­zei­li­che Maß­nah­me nicht als Durch­su­chung, die nach dem Grund­ge­setz stets einen rich­ter­li­chen Beschluss erfordert.

Dass kei­ne Durch­su­chung vor­lie­gen wür­de, nur weil die Zim­mer in Sam­mel­un­ter­künf­ten klein und über­sicht­lich sind, führt nun dazu, dass der Grund­rechts­schutz aus­ge­he­belt wird. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt legi­ti­miert zudem, mit der getrof­fe­nen Defi­ni­ti­on, dass mit Abschie­bun­gen eine »drin­gen­de Gefahr« ver­hin­dert wer­den wür­de, har­te und über­fall­ar­ti­ge Abschie­be­pra­xen, oft auch zu Nacht­zei­ten. Auch nach Ver­kün­dung bleibt offen, wie das Gericht mit der Aus­rei­se­pflicht des Klä­gers eine drin­gen­de Gefahr für ein gewich­ti­ges Rechts­gut begrün­den will. Es bleibt also die genau­en Ent­schei­dungs­grün­de abzu­war­ten, die erst in eini­gen Wochen ver­öf­fent­licht werden.

Als Reak­ti­on auf das Urteil fass­te der Klä­ger Alas­sa Mfoua­pon zusam­men: »Heu­te wur­de wie­der ein­mal deut­lich: Die Rech­te von geflüch­te­ten Men­schen sind in Gefahr – wir bekom­men nicht den glei­chen Schutz wie ande­re Menschen.«

Eine höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung bleibt also wei­ter not­wen­dig, um die­se bun­des­wei­te ver­fas­sungs­wid­ri­ge Pra­xis auf­zu­he­ben. Das Bünd­nis plant dazu nun eine Verfassungsbeschwerde!

Vic­to­ria Lies (Refe­ren­da­rin bei PRO ASYL)