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Unmenschliche und unrechtmäßige Haft: EGMR verurteilt Malta und Zypern

Mit zwei wichtigen Urteilen macht der Europäische Menschenrechtsgerichtshof auf Menschenrechtsverletzungen in Malta und Zypern aufmerksam: In beiden Staaten werden Flüchtlinge unter menschenunwürdigen und unrechtmäßigen Bedingungen inhaftiert.
30.000 Euro hat der Gerichtshof in Straßburg Aden A. als Kompensation für die Verletzung ihrer Menschenrechte durch den EU-Staat Malta zugesprochen, doch was der aus Somalia geflohenen Frau im Inselstaat widerfuhr, macht keine Geldsumme ungeschehen. Die 1987 geborene Aden A. erreichte Malta im Februar 2009 mit einem Flüchtlingsboot. Sie wurde inhaftiert, ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Aden A. konnte der Haft jedoch entkommen und floh in die Niederlande. Von dort hoffte sie, nach Schweden zu ihrem Vater, ihren Geschwistern und ihrem kleinen Sohn zu gelangen. Doch im Februar 2011 wurde sie im Rahmen der Dublin-Verordnung aus den Niederlanden zurück nach Malta abgeschoben.
Dort wurde sie wegen ihres Ausbruchs aus der Haft zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Aden A. erlitt während der Haft eine Fehlgeburt. Nach den sechs Monaten Gefängnis wurde sie in Abschiebungshaft genommen. Ein weiterer Asylantrag wurde abgelehnt – ebenso ein Entlassungsgesuch, das auf ihre gefährdete psychische Gesundheit verwies sowie darauf, dass in der Praxis ohnehin keine Abschiebung von Malta nach Somalia erfolgten. Sie wurde erst freigelassen, nachdem sie sich im August 2012 insgesamt 18 Monate in Maltesischer „Immigration Detention“ befunden hatte.
Malta: unmenschliche Haftbedingungen
Den Haftbedingungen, denen Aden A. dabei ausgeliefert waren, wertet der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in seinem Urteil als „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ im Sinne von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): In den „Lyster Barracks“ in Hal Far wurde Aden A. zusammengepfercht mit vielen anderen Flüchtlingen bei unerträglichen Temperaturen, ohne ausreichend Hofgang, bei ungenügender Ernährung und ohne weibliches Gefängnispersonal festgehalten. Angesichts ihrer Situation in Folge der erlittenen Fehlgeburt und der Trennung von ihrem Sohn hätten die Haftbedingungen ihre Menschenwürde verletzt und sie erniedrigt, so das Gericht. Zudem habe die willkürliche Inhaftierung von Aden gegen Artikel 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen.
Auf Malta werden alle Flüchtlinge generell in Haft genommen. Die Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen kann bei Asylsuchenden bis zu zwölf Monate andauern, bei abgelehnten Asylsuchenden bis zu 18 Monaten. Anerkannte oder freigelassene Schutzsuchende werden unterversorgt in „offenen Lagern“ untergebracht. Eine Perspektive auf einen Arbeitsplatz und damit auf ein neues Leben haben sie in Malta nicht, wie ein Bericht von Bordermonitoring.org und PRO ASYL belegt.
Zypern: unrechtmäßige Inhaftierung
Ein weiteres Urteil des Gerichtshofs betrifft Zypern. Die dortigen Behörden wollten 2010 den kurdischen Asylsuchenden M.A. aus Syrien abschieben. Ein Eilbeschluss des Menschenrechtsgerichtshofes verhinderte dies. Der Gerichtshof stellte gestern in seinem fest, dass dem Schutzsuchenden das Recht auf ein effektives Rechtsmittel gegen die drohende Abschiebung nach Syrien verweigert worden sei – dem Gericht zufolge ein Verstoß gegen Artikel 13 der Menschenrechtskonvention, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf garantiert. Außerdem sei seine Inhaftierung unrechtmäßig gewesen (Verstoß gegen Artikel 5 EMRK).
In Zypern werden abgelehnte Asylsuchende in Abschiebungshaft genommen, auch wenn sie ohnehin nicht abgeschoben werden können. Einer Dokumentation der Kontakt und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrantinnen e.V. (2012) trifft dies in vielen Fällen etwa abgelehnte iranische oder syrische Asylsuchende. Auch der Bericht Punishment without a Crime von Amnesty International (2012) beschreibt die Inhaftierung von abgelehnten Asylsuchenden und MigrantInnen.
Abschiebungen nach Malta und Zypern stoppen
Die gravierenden Menschenrechtsverletzungen und die systemischen Mängel in den Asylsystemen Maltas und Zyperns zeigen deutlich, dass das bestehende Dublin-System, das EU-Randstaaten wie Malta oder Zypern die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zuschiebt, gescheitert ist. PRO ASYL fordert angesichts der Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in beiden EU-Staaten, dass Überstellungen von Asylsuchenden nach Malta und Zypern auf Grundlage der europäischen Asylzuständigkeitsregelung europaweit gestoppt werden.
Presseerklärung von PRO ASYL
Haftlager Hal Far auf Malta: Polizeieinsatz gegen Flüchtlinge (26.02.14)
60 Jahre Europäische Menschenrechtskonvention (03.09.13)