11.10.2012
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Die ungarische Polizei benutzt Nachtsichtgeräte zur Sicherung der Grenze zu Serbien. Über dieselbe Grenze schiebt Ungarn Flüchtlinge ohne Prüfung ihrer Asylgründe nach Serbien ab. Bild: UNHCR/B. Szandelszky/2010/unhcr.de

Die Organisation beobachtet weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Ungarn und kritisiert Abschiebungen von dort nach Serbien.

Auch Deutsch­land schiebt Flücht­lin­ge nach Ungarn ab, aus dem UNHCR bereits im April ekla­tan­te Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und sys­te­mi­sche Män­gel am Asyl­sys­tem berich­te­te. Zudem sei­en Flücht­lin­ge dort der Gefahr von Ket­ten­ab­schie­bun­gen aus­ge­setzt. Ein hal­bes Jahr spä­ter, im Okto­ber 2012, bekräf­tigt UNHCR nun die Kri­tik an den Män­geln im unga­ri­schen Asyl­sys­tem. Zusätz­lich beklagt die Flücht­lings­hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on, dass Ser­bi­en von Ungarn als siche­res Dritt­land ange­se­hen wird. 

Ser­bi­en erkennt kei­ne Flücht­lin­ge an

Die Auf­fas­sung, Ser­bi­en sei ein siche­res Dritt­land, wird nicht von UNHCR geteilt. Nach Erkennt­nis­sen von UNHCR erkennt Ser­bi­en kei­ne Flücht­lin­ge an. Seit einer Ver­wal­tungs­ge­richts­ent­schei­dung 2011 dür­fen ser­bi­sche Behör­den bei Abschie­bun­gen in „siche­re Dritt­län­der“ die mög­li­che indi­vi­du­el­le Gefähr­dung einer Per­son durch die Abschie­bung nicht prü­fen. Alle  Nach­bar­län­der Ser­bi­ens wür­den von der ser­bi­schen Regie­rung als „siche­res Dritt­land“ eingestuft. 

Flücht­lin­ge in Ungarn tra­gen ein hohes Risi­ko, in Län­dern wie Maze­do­ni­en oder Grie­chen­land zu stran­den, ohne Zugang zum Asyl­sys­tem, ohne Per­spek­ti­ve, bedroht von Obdach­lo­sig­keit, Inhaf­tie­rung und beson­ders im Fal­le Grie­chen­lands: von ras­sis­ti­scher Gewalt. Ungarn schie­be Flücht­lin­ge rou­ti­ne­mä­ßig nach Ser­bi­en ab, ohne ihnen Zugang zu einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren zu gewäh­ren, kri­ti­siert UNHCR. Kin­der unter 14 Jah­ren sind inzwi­schen nach offi­zi­el­len Anga­ben in Ungarn vor der Abschie­bung nach Ser­bi­en als „siche­res Dritt­land“ geschützt. Die Über­prü­fung die­ser Anga­ben in der Pra­xis steht aber noch aus. 

Sys­te­ma­ti­sche Inhaf­tie­rung, Miss­hand­lun­gen, Medikamentenverabreichung

Dass rechts­wid­ri­ge Inhaf­tie­run­gen und wei­te­re ekla­tan­te Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen gegen Flücht­lin­ge in Ungarn an der Tages­ord­nung sind, belegt auch ein gemein­sa­mer Bericht von bor­der­mo­ni­to­ring eu und PRO ASYL vom März 2012. Flücht­lin­ge wer­den in Ungarn sys­te­ma­tisch in gefäng­nis­ar­ti­gen Lagern inhaf­tiert, Fami­li­en mit Kin­dern wer­den bis zu 30 Tagen fest­ge­hal­ten. Ehe­mals inhaf­tier­te Flücht­lin­ge berich­te­ten über Zwangs­ver­ab­rei­chun­gen von Medi­ka­men­ten und schwe­ren kör­per­li­chen Miss­hand­lun­gen. Aus der Haft ent­las­sen, droht Flücht­lin­gen die Obdach­lo­sig­keit und damit die erneu­te Inhaftierung.

Trotz­dem über­stel­len die EU-Län­der, auch Deutsch­land, Flücht­lin­ge im Rah­men des Dub­lin-II-Ver­fah­rens zurück nach Ungarn. – Eine höchst pro­ble­ma­ti­sche Pra­xis, denn in Ungarn wer­den weder ihre Asyl­an­trä­ge geprüft, noch gibt es einen Schutz vor der Aus­wei­sung in Dritt­län­der. Nach einer Ent­schei­dung des EuGH vom 21.12. 2011 sind die EU-Län­der dazu ver­pflich­tet, Abschie­bun­gen in Län­der aus­zu­set­zen, in denen „sys­te­mi­sche Män­gel“ am Asyl­sys­tem vor­ge­tra­gen werden.

PRO ASYL for­dert, Abschie­bun­gen nach Ungarn aus­zu­set­zen. Im August 2012 hat­te das Ver­wal­tungs­ge­richt Stutt­gart eine Abschie­bung nach Ungarn gestoppt

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