07.03.2012
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Zaun der Abschiebungshaftanstalt Ingelheim. Foto: Reiner Frey / DWHN

Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu willkürlicher Inhaftierung kritisiert Deutschland, ausreisepflichtige Menschen leichtfertig in Haft zu nehmen. Auch das Flughafenverfahren wird im Bericht der Arbeitsgruppe kritisiert.

Dass Abschie­bungs­haft in Deutsch­land unver­hält­nis­mä­ßig ange­wandt und dass das soge­nann­te „Flug­ha­fen­ver­fah­ren“ – ein Asyl­schnell­ver­fah­ren im Flug­ha­fen­tran­sit – rechts­staat­li­che Stan­dards ver­letzt, wird von PRO ASYL, Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen und Flücht­lings­in­itia­ti­ven in Deutsch­land immer wie­der kri­ti­siert. So kri­tisch sieht auch das UN-Gre­mi­um zu will­kür­li­chen Inhaf­tie­rung die deut­sche Abschie­bungs­haft und das Flughafenverfahren.

Die Arbeits­grup­pe der Ver­ein­ten Natio­nen zu will­kür­li­cher Inhaf­tie­rung unter Lei­tung des sene­ga­le­si­schen Rich­ters El Had­ji Malick Sow traf in Ber­lin, Ham­burg und Baden-Würt­tem­berg mit Ver­tre­tern des Bun­des und der Län­der sowie von Kir­chen und Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen zusam­men und besuch­te meh­re­re Haft­ein­rich­tun­gen. In Ihrem Bericht stellt sie unter ande­rem fest, dass die Inhaf­tie­rung von min­der­jäh­ri­gen Flücht­lin­gen nicht mit dem Kin­des­wohl zu ver­ein­ba­ren sei. 

Ein Groß­teil der der­zeit in Abschie­bungs­haft fest­ge­hal­te­nen Men­schen sind Asyl­su­chen­de, die im Rah­men der euro­päi­schen Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung (Dub­lin-II-Ver­ord­nung) in einen ande­ren EU-Staat abge­scho­ben wer­den sol­len. Die Betrof­fe­nen kön­nen bis zu 18 Mona­ten in Abschie­bungs­haft genom­men wer­den. Die Arbeits­grup­pe for­dert Deutsch­land auf, Alter­na­ti­ven zur Ver­hän­gung von Abschie­bungs­haft zu suchen.

Das der­zeit vor allem am Frank­fur­ter Flug­ha­fen prak­ti­zier­te Asyl­schnell­ver­fah­ren wird im vor­lie­gen­den UN-Bericht scharf kri­ti­siert. In die­sem Ver­fah­ren wird die Ent­schei­dung über einen Asyl­an­trag, die nor­ma­ler­wei­se Mona­te in Anspruch nimmt, inner­halb von zwei Tagen durch das zustän­di­ge Bun­des­amt gefällt. Der Asyl­an­trag­stel­ler hat hier­nach ledig­lich eine Frist von weni­gen Tagen, um Rechts­mit­tel gegen einen abge­lehn­ten Asyl­an­trag ein­zu­le­gen und somit kaum eine Mög­lich­keit, sei­ne Abschie­bung auf recht­li­chem Wege zu ver­hin­dern. Die­se vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt für grund­rechts­kon­form gehal­te­ne Frist ist nach Mei­nung der Arbeits­grup­pe der Ver­ein­ten Natio­nen zu kurz.

Zur Pres­se­mit­tei­lung des Jesui­ten­flücht­lings­diens­tes (PDF)

Zum Bericht der UN-Arbeits­grup­pe (PDF, engl.)

Aus­zugs­wei­se Arbeits­über­set­zung des Berichts der Arbeits­grup­pe (PDF)

Infor­ma­tio­nen zu Abschie­bungs­haft in Deutschland

Gemein­sa­me Stel­lung­nah­me gegen die Inhaf­tie­rung von Asyl­su­chen­den auf dem neu­en Ber­li­ner Wil­ly-Brandt-Flug­ha­fen (PDF)

 Abschie­bungs­ge­wahr­sam Eisen­hüt­ten­stadt: Min­des­tens vier Inhaf­tier­te im Hun­ger­streik (17.07.13)

 Abschie­bungs­haft: Zu schnell, zu oft, zu lan­ge (13.09.12)

 Haupt­sa­che, der Knast steht schon – Schild­bür­ger­streich am neu­en Ber­li­ner Flug­ha­fen (09.08.12)

 Pro­test gegen Flug­ha­fen-Asyl­ver­fah­ren immer brei­ter (19.03.12)