18.07.2024
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Die Hürden, die Geflüchtete derzeit bei der Arbeitsaufnahme überwinden müssen, sind hoch. Foto: picture alliance/dpa | Jens Kalaene

Das Arbeitsgenehmigungsverfahren für Asylsuchende und Geduldete ist oft langwierig und intransparent und kann dazu führen, dass die Arbeitsaufnahme scheitert, weil Arbeitgeber*innen nicht warten können, bis die Genehmigung der Ausländerbehörde endlich da ist. Das will die Bundesregierung ändern – doch die Pläne müssen praxisnah umgesetzt werden.

In ihrem Arbeits­pa­pier vom 5. Juli 2024 im Zuge der Haus­halts- und Wirt­schafts­ge­sprä­che erklärt die Bun­des­re­gie­rung, Hür­den, die Geflüch­te­te der­zeit bei der Arbeits­auf­nah­me über­win­den müs­sen, abbau­en zu wol­len. PRO ASYL sieht in dem Vor­stoß einen Fort­schritt, weist jedoch auch dar­auf hin, dass die Vor­ha­ben ver­nünf­tig umge­setzt wer­den müs­sen, da sonst kaum Ver­bes­se­run­gen für Geflüch­te­te zu erwar­ten sind.

Bisherige Praxis: Lange Wartezeiten

Der­zeit läuft es so: Geflüch­te­te ohne Schutz­sta­tus, die kei­nem Arbeits­ver­bot unter­lie­gen, rei­chen bei der Aus­län­der­be­hör­de einen Antrag auf eine Arbeits­er­laub­nis für eine bestimm­te Stel­le ein. Die Aus­län­der­be­hör­de lei­tet den Antrag an die Bun­des­agen­tur für Arbeit wei­ter. Die Bun­des­agen­tur für Arbeit hat zwei Wochen Zeit, die Arbeits­be­din­gun­gen, wie zum Bei­spiel die Bezah­lung, zu prü­fen und der Aus­län­der­be­hör­de die Zustim­mung oder Ableh­nung mit­zu­tei­len. Die Aus­län­der­be­hör­de, für die kei­ne Fris­ten gel­ten, prüft zusätz­lich im Lau­fe des Ver­fah­rens, ob recht­li­che Grün­de dage­gen spre­chen, die Arbeits­auf­nah­me zu genehmigen.

Das klingt nach einem zügi­gen Ver­fah­ren. Die Pra­xis sieht jedoch anders aus.  Die Antragsteller*innen wis­sen meist nicht, wie es wei­ter­geht und wie lan­ge es dau­ert. Wann wur­de der Antrag an die Bun­des­agen­tur für Arbeit wei­ter­ge­lei­tet? Hält die Arbeits­agen­tur die Zwei-Wochen-Frist ein? Hat die Bun­des­agen­tur für Arbeit der Arbeits­auf­nah­me zuge­stimmt und die Aus­län­der­be­hör­de prüft noch ande­re Kriterien?

Bei Nach­fra­gen gibt es in man­chen Fäl­len pau­scha­le oder gar kei­ne Ant­wor­ten. So kann das Ver­fah­ren meh­re­re Mona­te dau­ern und es kann durch­aus vor­kom­men, dass eine Per­son län­ger als ein hal­bes Jahr kei­ne Rück­mel­dung von der Aus­län­der­be­hör­de bekommt – und der Arbeit­ge­ber die Stel­le längst mit einer ande­ren Per­son besetzt hat.

Die Genehmigungsfiktion muss richtig umgesetzt werden

Daher klingt der Vor­stoß der Bun­des­re­gie­rung zunächst wie eine erheb­li­che Ent­las­tung für die Betrof­fe­nen und Betrie­be: »Die Erlaub­nis gilt als erteilt, wenn die Aus­län­der­be­hör­de nach Betei­li­gung der Bun­des­agen­tur für Arbeit (BA) dem Antrag­stel­ler inner­halb von zwei Wochen nichts Abwei­chen­des mit­teilt.« (S. 20) Die Bun­des­re­gie­rung nennt die­ses Ver­fah­ren eine »Geneh­mi­gungs­fik­ti­on«.

Aller­dings müss­ten noch eini­ge Klar­stel­lun­gen erfol­gen, damit die Hür­den in der Pra­xis auch tat­säch­lich abge­baut werden:

  • Es müss­te zusätz­lich sicher­ge­stellt wer­den, dass die Aus­län­der­be­hör­de den Antrag unmit­tel­bar an die Bun­des­agen­tur für Arbeit wei­ter­lei­tet. Ansons­ten kann die Bear­bei­tungs­dau­er sich wei­ter­hin über Mona­te hin­zie­hen, wenn der Antrag vor der Wei­ter­lei­tung bei der Aus­län­der­be­hör­de lie­gen bleibt.

  • Auch die Aus­län­der­be­hör­de muss schnell arbei­ten, die Geneh­mi­gungs­fik­ti­on muss zügig beschei­nigt wer­den, denn die Antrag­stel­len­den wis­sen ja nicht, wann ihr Antrag an die Bun­des­agen­tur wei­ter­ge­lei­tet wur­de – und wis­sen des­halb auch nicht, wann die zwei Wochen abge­lau­fen sind. Ansons­ten ent­steht das Pro­blem, dass die Arbeitgeber*innen nie wis­sen, ob die poten­zi­el­len Arbeitnehmer*innen auch tat­säch­lich arbei­ten dürfen.

  • Die Bun­des­re­gie­rung muss sicher­stel­len, dass die Ver­kür­zung der Bear­bei­tungs­dau­er nicht zu mehr Ableh­nun­gen der Arbeits­er­laub­nis­an­trä­ge führt. Der­zeit üben die Aus­län­der­be­hör­den ihr Ermes­sen mehr oder weni­ger restrik­tiv aus und zie­hen zudem sehr unter­schied­li­che Grün­de her­an, wenn sie einen Antrag ableh­nen. Daher soll­te sicher­ge­stellt wer­den, dass die Behör­den sorg­fäl­tig prü­fen, bevor unter Zeit­druck eine nega­ti­ve Ent­schei­dung gefällt wird. Zudem müss­ten die Spiel­räu­me für eine Ableh­nung redu­ziert wer­den. Ansons­ten wird die Absicht, die Arbeits­auf­nah­me zu erleich­tern, ins Gegen­teil umschlagen.
  • Wel­che geflüch­te­te Per­son ab wann in Deutsch­land arbei­ten darf, hängt vom Sta­tus, von der Vor­auf­ent­halts­dau­er und vom Her­kunfts­land der Per­son ab. Die­se star­ke Aus­dif­fe­ren­zie­rung führt bereits jetzt zur Ver­un­si­che­rung bei Geflüch­te­ten und Betrie­ben. Die Arbeitgeber*innen wis­sen oft nicht, was sie beach­ten müs­sen, wenn sie Flücht­lin­ge ein­stel­len wol­len. Daher soll­te das Vor­ha­ben mög­lichst vie­le geflüch­te­te Per­so­nen ein­schlie­ßen und nicht noch mehr Aus­dif­fe­ren­zie­run­gen schaffen.
  • Wenn das Ver­fah­ren so gestal­tet wird, dass zwar zügig eine »Geneh­mi­gungs­fik­ti­on« ein­tritt, jedoch nach Mona­ten die Arbeits­er­laub­nis wie­der ent­zo­gen wer­den kann, muss sicher­ge­stellt wer­den, dass nur in äußerst beson­de­ren Aus­nah­me­fäl­len die Arbeits­er­laub­nis wider­ru­fen wer­den kann. Sonst füh­ren auch die neu­en Ver­fah­ren zu wesent­lich mehr Unsi­cher­heit bei den Betrie­ben und den Betroffenen.
  • Neben dem Zustim­mungs­ver­fah­ren für eine Arbeits­er­laub­nis für eine Beschäf­ti­gung gibt es ande­re Ver­fah­ren, in denen die Bun­des­agen­tur für Arbeit nicht betei­ligt wird, zum Bei­spiel bei der Arbeits­er­laub­nis für eine dua­le Aus­bil­dung. Auch in die­sen Ver­fah­ren soll­ten Mecha­nis­men für ein beschleu­nig­tes Zustim­mungs­ver­fah­ren geschaf­fen wer­den, um Betrof­fe­nen und Betrie­ben eine Gewiss­heit zu verschaffen.

Einheitliche Verwaltungspraxis bei arbeitsmarktrelevanten Regelungen

Im sel­ben Zuge hat die Bun­des­re­gie­rung die Absicht erklärt, die Ver­wal­tungs­pra­xis zu opti­mie­ren und zu ver­ein­heit­li­chen. Durch Anwen­dungs­hin­wei­se soll sicher­ge­stellt wer­den, dass regel­haft eine Ermes­sens­dul­dung erteilt wird, zum Bei­spiel in sol­chen Fäl­len: wäh­rend der War­te­frist auf eine Beschäf­ti­gungs- oder Aus­bil­dungs­dul­dung und der War­te­frist auf die Aus­bil­dungs-Auf­ent­halts­er­laub­nis sowie bei Arbeits­platz­ver­lust wäh­rend des Besit­zes der Beschäftigungsduldung.

Eine sol­che regel­haf­te Ertei­lung der Ermes­sens­dul­dung wäre ein wesent­li­cher Fort­schritt: Sie wür­de sicher­stel­len, dass die betrof­fe­ne Per­son im lau­fen­den Antrags­ver­fah­ren auf eine Blei­be­rechts­re­ge­lung nicht abge­scho­ben wer­den würde.

Aller­dings sind Anwen­dungs­hin­wei­se für die Aus­län­der­be­hör­den nicht rechts­ver­bind­lich. So pas­siert es immer wie­der, dass die Behör­den sich an die Aus­füh­run­gen in den Anwen­dungs­hin­wei­sen, von denen die antrag­stel­len­de Per­son pro­fi­tie­ren könn­te, nicht hal­ten. Eine gesetz­li­che Rege­lung für die Ertei­lung der Ermes­sens­dul­dung wäh­rend einer lau­fen­den Antrags­be­ar­bei­tung wür­de in die­sen Fäl­len, aber auch bei ande­ren Anträ­gen auf eine Auf­ent­halts­er­laub­nis, zu wesent­lich mehr Rechts­si­cher­heit führen.

Arbeitsverbote endlich abschaffen!

Ein grund­sätz­li­ches Pro­blem ist zudem, dass die vor­ge­schla­ge­nen Ände­run­gen nur für Geflüch­te­te ohne Arbeits­ver­bot gel­ten. PRO ASYL for­dert, allen Geflüch­te­ten den Zugang zu einem zügi­gen Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren zu ermög­li­chen. Dafür muss end­lich die im Koali­ti­ons­ver­trag ver­spro­che­ne Abschaf­fung von Arbeits­ver­bo­ten umge­setzt werden.

(ja)