04.10.2013
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Der tausendfache Tod von Flüchtlingen an den Außengrenzen Europas bedeutet den moralischen Bankrott der Flüchtlings- und Menschenrechtspolitik der EU.

Nach einer der schwersten Flüchtlingskatastrophen vor Lampedusa wurden bislang über 130 Leichen geborgen, rund 250 Menschen werden noch vermisst. Der Tod der Flüchtlinge ist eine Folge der mörderischen Abschottungspolitik Europas.

Beim Ver­such, Schutz in Euro­pa zu suchen, fan­den am Mor­gen des 3. Okto­bers ver­mut­lich Hun­der­te Flücht­lin­ge aus Soma­lia und Eri­trea den Tod. Als das Schiff mit offen­bar rund 500 Schutz­su­chen­den vor der Küs­te Lam­pe­du­sas in See­not geriet, vor­bei­fah­ren­de Schif­fe jedoch nicht zur Hil­fe kamen, ver­such­ten die Flücht­lin­ge durch das Ent­zün­den einer Decke auf sich auf­merk­sam zu machen. Das offen­bar mit Ben­zin ver­un­rei­nig­te Deck fing Feu­er, an Bord brach Panik aus, das Schiff soll dar­auf­hin geken­tert sein. Nur rund 150 Men­schen konn­ten geret­tet werden.

Das Flücht­lings­ster­ben vor den Außen­gren­zen Euro­pas ist nichts Neu­es. Fast wöchent­lich wird von Flücht­lin­gen berich­tet, die auf dem See­weg von Nord­afri­ka nach Ita­li­en oder von der Tür­kei nach Grie­chen­land ums Leben kom­men. Das Aus­maß der Kata­stro­phe vom 3. Okto­ber vor Lam­pe­du­sa hat die Euro­päi­sche Öffent­lich­keit für einen Moment wach­ge­rüt­telt. Ita­li­ens Minis­ter­prä­si­dent Enri­co Let­ta beklag­te „eine immense Tra­gö­die“, wich­ti­ge poli­ti­sche Ter­mi­ne in Rom wur­den abge­sagt. Papst Fran­zis­kus sprach von Schan­de. „Wir müs­sen etwas Kon­kre­tes unter­neh­men, um die­se per­ma­nen­ten Ver­zweif­lungs­tra­gö­di­en zu ver­hin­dern“,  wird der ita­lie­ni­sche Erz­bi­schof Fran­ces­co Mon­te­ne­gro zitiert.

Auch der UN-Son­der­be­richt­erstat­ter für die Rech­te von Migran­ten, Fran­çois Cré­peau kri­ti­sier­te die Euro­päi­sche Flücht­lings­po­li­tik. „Die­se Toten hät­ten ver­mie­den wer­den kön­nen“, sag­te er am Don­ners­tag vor der UN-Voll­ver­samm­lung in New York. EU-Regio­nal­kom­mis­sar Johan­nes Hahn sag­te, die Kata­stro­phe sei „etwas, über das Euro­pa wirk­lich trau­rig sein muss und wir soll­ten sehen, wie wir die Lage verbessern“.

Nach jedem Dra­ma wer­den Betrof­fen­heits­er­klä­run­gen von poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen abge­ge­ben, aber bis­lang ändert sich nichts – das Ster­ben geht wei­ter. Euro­pa blen­det sei­ne zen­tra­le Ver­ant­wor­tung für das Ster­ben der Schutz­su­chen­den aus. So for­der­te EU-Innen­kom­mis­sa­rin Ceci­lia Malm­ström die Mit­glied­staa­ten über Twit­ter auf, „die Anstren­gun­gen im Kampf gegen Schleu­ser, die mensch­li­che Hoff­nungs­lo­sig­keit aus­beu­ten, zu ver­dop­peln“. Dabei ist es die Abschot­tungs­po­li­tik der EU, die es erfor­der­lich macht, dass Schutz­su­chen­de Schleu­ser bezah­len, die die hoch ris­kan­ten Über­fahr­ten organisieren.

Wenn die EU die­ses Mas­sen­ster­ben daher wirk­lich been­den will, muss sie Flücht­lin­gen den lega­len und gefah­ren­frei­en Weg nach Euro­pa eröff­nen. Nur eine ande­re Flücht­lings­po­li­tik, die bei­spiels­wei­se Flücht­lin­ge aus Soma­lia oder Eri­trea aus dem liby­schen Tran­sit legal ein­rei­sen lässt, kann der­ar­ti­ge Tra­gö­di­en verhindern.

In Deutsch­land leben zahl­rei­che Flücht­lin­ge eri­tre­ischer und soma­li­scher Her­kunft. Sie müs­sen zuse­hen, wie Ange­hö­ri­gen und Freun­de ver­zwei­felt vor den geschlos­se­nen Gren­zen Euro­pas ste­hen und des­halb lebens­ge­fähr­li­che Flucht­rou­ten auf sich neh­men müs­sen. Sie war­ten vol­ler Hoff­nung auf die Ankunft ihrer Lie­ben – in vie­len Fäl­len ver­geb­lich. Am Sams­tag, den 28. Sep­tem­ber ver­an­stal­te­te PRO ASYL gemein­sa­men mit Ange­hö­ri­gen von gestor­be­nen Boots­flücht­lin­ge zum vier­ten Mal eine Gedenk­fei­er in Frank­furt. Seit die­ser star­ben wie­der hun­der­te Flücht­lin­ge im Mit­tel­meer. Sie alle hin­ter­las­sen ver­zwei­fel­te Ange­hö­ri­ge und Familien.

Die Län­der Euro­pas dür­fen nicht län­ger zuse­hen, wie Flücht­lin­ge aus Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten vor ver­schlos­se­nen Gren­zen ste­hen und dann ver­zwei­felt ver­su­chen, ihr Leben zu ret­ten und dabei elend zugrun­de gehen.

PRO ASYL for­dert einen völ­li­gen Neu­be­ginn in der Flücht­lings­po­li­tik Euro­pas. Die Abschot­tungs­po­li­tik der bei­den letz­ten Deka­den ist geschei­tert. Der tau­send­fa­che Tod von Flücht­lin­gen an den Außen­gren­zen Euro­pas bedeu­tet den mora­li­schen Bank­rott der Flücht­lings – und Men­schen­rechts­po­li­tik der EU. 

 EU-Asyl­po­li­tik nach Lam­pe­du­sa: Abschot­tung geht wei­ter (09.10.13)