06.02.2014
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Nach Auffassung von PRO ASYL war die für zwölf Menschen tödliche Bootskatastrophe vor der griechischen Insel Farmakonisi eine fatal entglittene Push-back-Operation der griechischen Küstenwache.

Mehr als zwei Wochen nach der Bootskatastrophe mit elf Toten ist noch nicht einmal die Unglücksstelle bekannt. Die Überlebenden warten verzweifelt darauf, dass ihre Lieben geborgen werden.

Die Kör­per von zehn Ver­miss­ten wer­den in dem gesun­ke­nen Flücht­lings­schiff ver­mu­tet. Zudem wür­de der Zustand des Boo­tes wich­ti­ge Hin­wei­se lie­fern, wie die töd­li­che Ope­ra­ti­on ver­lau­fen ist – die Über­le­ben­den und wei­te­re Ange­hö­ri­ge der Toten in Deutsch­land, Bel­gi­en und ande­ren Län­dern haben ein Recht auf eine lücken­lo­se  Aufklärung. 

Zwei­fel am Inter­es­se der Aufklärung 

Alle Infor­ma­tio­nen aus Euro­sur, mili­tä­ri­schen Über­wa­chungs­sys­te­men, der tür­ki­schen Küs­ten­wa­che, dem Funk­ver­kehr,  etc. müs­sen der Öffent­lich­keit und den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den zur Ver­fü­gung gestellt wer­den, for­dert PRO ASYL. Doch die Unter­su­chung ver­läuft mehr als schlep­pend, die Merk­wür­dig­kei­ten häu­fen sich: Dass aus­ge­rech­net zum Zeit­punkt der Kata­stro­phe das GPS des Küs­ten­wa­che­boo­tes aus­ge­schal­tet bzw. nicht funk­ti­ons­tüch­tig war, bestärkt die Zwei­fel am Inter­es­se der Küs­ten­wa­che, den Vor­fall lücken­los aufzuklären.

Fatal ent­glit­te­ne Push-back-Aktion 

PRO ASYL geht wei­ter­hin von einer fatal ent­glit­te­nen, ille­ga­len Push-back-Ope­ra­ti­on aus: Nach Recher­chen vor Ort und Gesprä­chen mit den Über­le­ben­den kann als gesi­chert gel­ten, dass bei dem Ein­satz, den die Küs­ten­wa­che als Ret­tungs­ein­satz dar­stellt, gegen wich­ti­ge Nor­men der See­not­ret­tung ver­sto­ßen wur­de. So wur­den den Flücht­lin­gen etwa kei­ne Ret­tungs­wes­ten aus­ge­ge­ben. Eben­so wur­den nach dem Unglück kei­ne Tau­cher zur Lebens­ret­tung eingesetzt.

Unhei­li­ge Alli­anz zwi­schen Fron­tex und Küstenwache

PRO ASYL for­dert die umge­hen­de Ber­gung des Schif­fes unter Ein­satz von kom­pe­ten­ten Teams aus ande­ren EU-Län­dern. Gege­be­nen­falls muss die EU die Finan­zie­rung der Ber­gung sicher­stel­len. Dar­über­hin­aus for­dert PRO ASYL, den Fron­tex-Ein­satz „Posei­don Land and Sea“ zu been­den und unab­hän­gi­ge Men­schen­rechts­be­ob­ach­ter in der Regi­on einzusetzen.

Der Fron­tex-Ein­satz hat nicht zu einer ver­än­der­ten Pra­xis oder gar „Zivi­li­sie­rung“ der bru­ta­len Flücht­lings­ab­wehr in Grie­chen­land geführt, son­dern zu einer unhei­li­gen Alli­anz zwi­schen der EU-Grenz­schutz­agen­tur und der grie­chi­schen Küs­ten­wa­che: Die Arbeits­tei­lung aus der „clea­nen“ Form der Flücht­lings­ab­wehr (Fron­tex) mit den „Rambo“-Ansatz der grie­chi­schen Küs­ten­wa­che hat das Grenz­ge­biet zu einer men­schen­rechts­frei­en Zone gemacht.

EU-Kom­mis­si­on muss end­lich handeln

Abge­se­hen von weni­gen Aus­nah­men fan­den alle von PRO ASYL doku­men­tier­ten sys­te­ma­ti­schen Push-backs in der Ägä­is im Fron­tex-Ein­satz­ge­biet statt. Dies belegt neben Berich­ten ande­rer Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen der PRO-ASYL-Bericht „Pushed back“. Gegen die sys­te­ma­ti­schen Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in die­sem Grenz­ab­schnitt muss die EU-Kom­mis­si­on end­lich ent­schlos­sen vor­ge­hen: Durch ein EU-Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Grie­chen­land und die Sper­re aller EU-Gel­der, die für Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen ein­ge­setzt werden. 

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