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Schwarz-Grün ohne menschenrechtliche Bodenhaftung
Die grünen Landesregierungen von Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg liefern sich einen Wettlauf um die schäbigsten Maßnahmen zur Verschärfung des Flüchtlings- und Migrationsrechts. Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen hat dies mit treffenden Worten verurteilt, was wir hier leicht überarbeitet im Wortlaut abdrucken.
Mit Befremden stellen wir fest, dass in der asylpolitischen Debatte von Schutzbedürftigen und Menschenrechten kaum mehr die Rede ist. Die schwarz-grünen Landesregierungen von Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind jetzt mit einem gemeinsamen Entschließungsantrag vom 25. September in den Wettlauf um die schäbigsten Maßnahmen zur Verschärfung des Flüchtlings- und Migrationsrechts eingetreten, ohne sich auch nur noch einen Deut um Menschenrechte zu scheren. Die rot-grüne Landesregierung fordern wir auf, die populistischen Forderungen dieser drei Bundesländer abzulehnen und die Menschenrechte zu verteidigen.
Mehr Druck und längere Fristen bei Dublin-Überstellungen
Die drei Bundesländer fordern eine »Verbesserung der Rahmenbedingungen für Dublin-Überstellungen« durch mehr Druck und längere Fristen. Als hätte es die vernichtende Kritik der Fachleute zum »Sicherheitspaket« der Bundesregierung nicht gegeben, fordert das Papier Streichungen oder Kürzungen von Leistungen für Personen, die nach der Dublin-III-Verordnung überstellt werden sollen, auch wenn sie gar nicht freiwillig ausreisen können. Für schwarz-grün scheint das Thema Dublin-Überstellungen ein rein technisches zu sein. Kein Wort fällt zu den verheerenden Menschenrechtsverletzungen in Dublin-Vertragsstaaten wie zum Beispiel Bulgarien, kein Wort zur psychischen Belastung für Menschen, die nach langem Aufenthalt in Deutschland verpflichtet werden, Integrationskurse und Schulbesuch in Deutschland abzubrechen, um in einem anderen EU-Land wieder ganz neu anzufangen. Dublin ist kein technisches Problem, sondern ein Problem fehlender Standards, mangelnder Solidaritäten und verletzter Menschenrechte.
Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien?
Es entsetzt uns, dass schwarz-grün regierte Bundesländer dies fordern, ohne auch nur im Ansatz zu reflektieren, dass es sich bei den Taliban sowie bei dem Regime von Assad um Machthaber handelt, für die ein Menschenleben nichts zählt. Wollen die schwarz-grünen Länder diese Pariastaaten, die Menschenrechte systematisch verletzen, als Partnerländer hoffähig machen? Zu Unrecht bezieht sich der Entschließungsantrag auf ein Urteil des OVG NRW vom 16.07.2024, das die Schutzbedürftigkeit eines Syrers gar nicht in Frage gestellt hat (Es ging in dem Verfahren lediglich um die Frage, ob »nur« Abschiebungsschutz oder auch die Flüchtlingsanerkennung bzw. subsidiärer Schutz zuzusprechen ist.) Klar ist: Bei drohender Todesstrafe, Folter oder sonstiger menschenrechtswidriger Behandlung hat eine Abschiebung gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention zu unterbleiben.
Eine Illusion: »Humanitäre« Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen
Die schwarz-grünen Bundesländer fordern »humanitäre« Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen. Damit fordern schwarz-grüne Länder die Umsetzung der GEAS-Vereinbarung, die zumindest von den Grünen wegen ihrer ungenügenden Beachtung menschenrechtlicher Standards auf ihrem Parteitag noch scharf kritisiert und von den Grünen im EU-Parlament sogar abgelehnt wurde.
Problematische Ausweitung der Liste »sicherer Herkunftsstaaten«
Schwarz-Grün fordert die uferlose Ausweitung der Liste »sicherer Herkunftsstaaten« auf alle Herkunftsländer mit einer Schutzquote von unter fünf Prozent. Noch vor einem Jahr haben SPD und Grüne dies in der Bundesregierung vehement abgelehnt. Das Konzept der »sicheren Herkunftsstaaten« zielt darauf, Schutzsuchende aus diesen Ländern abzuschrecken und sie schnell abschieben zu können. Es folgt nicht menschenrechtlichen Tatsachen, sondern politischer Willkür. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu eindeutige inhaltliche Vorgaben formuliert: In den betreffenden Staaten muss »Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen«. Die Schutzquote ist für eine solche Feststellung kein geeignetes Kriterium.
Verlängerung der Abschiebehaft trotz verfassungsrechtlicher Bedenken
Gerade erst hat die Bundesregierung den sogenannten Ausreisegewahrsam von zehn auf 28 Tage verlängert – ein Schritt, gegen den selbst Bundesjustizminister Buschmann »verfassungsrechtliche Bedenken« erhob: Die Zeit des Ausreisegewahrsams würde damit nahezu verdreifacht, so Buschmann damals, er sei aber »in zeitlicher Hinsicht auf das unmittelbare Vorfeld der Abschiebung« zu begrenzen, daher bestände »ein verfassungsrechtliches Risiko«. Die schwarz-grünen Bundesländer scheren solche verfassungsrechtlichen Bedenken nicht – sie fordern eine »Aufhebung der zeitlichen Begrenzung des Ausreisegewahrsams«.
Wir brauchen eine menschenrechtsbasierte Politik
Es ist erschütternd zu sehen, wie schnell CDU und Grüne einen reinen law-and-order-Diskurs in der asylpolitischen Debatte fahren und dabei jegliche menschenrechtliche Bodenhaftung verlieren. »Humanität« erscheint nur noch als Appendix in der Überschrift, im Text ist davon nichts mehr zu lesen. Von dem stattgefundenen und weiter stattfindenden Rollback in der Politik gegenüber Geflüchteten profitiert vor allem die AfD, die sich zu Recht darüber freuen kann, dass ihre Forderungen sukzessive von den demokratischen Parteien übernommen und umgesetzt werden.
Doch es gibt mittlerweile auch Gegenstimmen in allen demokratischen Parteien, die diesen Wettlauf der Schäbigkeiten nicht mitmachen wollen und einen grundsätzlich anderen Kurs fordern. Es ist höchste Zeit, den Schalter umzulegen und wieder zu einer menschenrechtsbasierten Politik zurückzukehren.
Zum Autor: Kai Weber ist Geschäftsführer vom Flüchtlingsrat Niedersachen e.V. und dort unter anderem zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Lobby- und Netzwerkarbeit.