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Ermittlungen nach einem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft im oberbayerischen Winden. Deutschlandweit nehmen Angriffe und Hetze zu. Foto: Bayerischer Flüchtlingsrat

Die feigen und abscheulichen Angriffe nehmen kein Ende: In wenigen Tagen wurden mehrere Unterkünfte zum Ziel von Brandanschlägen und Angriffen. Die Bundesregierung schweigt zur Welle der Gewalt. Eine klare Positionierung und konkrete Maßnahmen zum Schutz der Flüchtlinge sind dringend nötig.

Am Diens­tag ent­deck­ten Bewoh­ner einer Flücht­lings­un­ter­kunft in Olpe drei Brand­stel­len. Am Wochen­en­de ver­such­ten Unbe­kann­te die Woh­nung einer Flücht­lings­fa­mi­lie in Havel anzu­zün­den. In Greiz wur­den vier Syrer von Angrei­fern ver­letzt. In Frei­tal wur­de ein Spreng­stoff­an­schlag auf das Auto eines Lokal­po­li­ti­kers ver­übt, der sich für Flücht­lin­ge stark macht. In Dres­den wur­den von einer NPD-Demons­tra­ti­on aus Flücht­lings­un­ter­stüt­zer atta­ckiert und ver­letzt. Das alles inner­halb weni­ger Tage.

Rech­ter Ter­ror in Deutsch­land – Die Bun­des­re­gie­rung schweigt

Die Bun­des­re­gie­rung und die Kanz­le­rin schwei­gen zu der Wel­le ras­sis­tisch moti­vier­ter Gewalt – sie schwei­gen zu ras­sis­ti­schem Ter­ror in Deutsch­land. Die Zahl der rechts­extre­mis­ti­schen Straf­ta­ten gegen Flücht­lings­un­ter­künf­te im Jahr 2014 hat sich mit 170 gegen­über dem Vor­jahr mehr als ver­drei­facht – 2013 waren es laut Ver­fas­sungs­schutz 55.  Auch im ers­ten Halb­jahr 2015 (Stand 28.6.2015) gab es laut Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um bereits 150 gegen Flücht­lings­un­ter­künf­te gerich­te­te Straf­ta­ten, zu denen in der Sta­tis­tik des Ver­fas­sungs­schut­zes Sach­be­schä­di­gun­gen und Pro­pa­gan­da­de­lik­te wie das zei­gen des Hit­ler­gru­ßes zählen.

Die Bun­des­re­gie­rung, die Län­der und Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­ziè­re tra­gen die poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung dafür, dass Flücht­lin­ge und Migran­tIn­nen in Deutsch­land vor Anschlä­gen und ras­sis­ti­schen Angrif­fen effek­tiv geschützt wer­den. Sie müs­sen geeig­ne­te Maß­nah­men zum Schutz der Betrof­fe­nen ergrei­fen und sich klar auf ihre Sei­te stel­len. Es darf kein Zwei­fel dar­an gelas­sen wer­den, dass Gewalt und Anfein­dun­gen gegen­über Flücht­lin­gen und Migran­tIn­nen in Deutsch­land  geäch­tet und mit aller Här­te straf­recht­lich ver­folgt werden.

Sechs Maß­nah­men zum Schutz von Flüchtlingen

PRO ASYL for­dert  nicht nur eine kla­re Posi­tio­nie­rung son­dern kon­kre­te Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men, um Über­grif­fe gegen Flücht­lin­ge und Anschlä­ge auf Flücht­lings­un­ter­künf­te zu verhindern:

  • Poli­zei­li­che Prä­ven­ti­on: Die Poli­zei muss die Lage in der Nähe von Flücht­lings­un­ter­künf­ten beson­ders auf­merk­sam beob­ach­ten, sie muss Gefähr­dungs­ana­ly­sen erstel­len und dabei alle vor­lie­gen­den Erkennt­nis­se  berück­sich­ti­gen.  Flücht­lin­ge müs­sen über Gefähr­dun­gen und Hand­lungs­op­tio­nen bei Bedro­hun­gen infor­miert wer­den. Im Zwei­fel muss die Poli­zei durch Strei­fen­dienst vor Ort Prä­senz zei­gen. Gibt es Hin­wei­se auf eine kon­kre­te Gefähr­dung, sind Flücht­lings­un­ter­künf­te durch per­ma­nen­ten Poli­zei­schutz zu sichern.
  • Mehr­spra­chi­ger Not­ruf für Flücht­lin­ge: Betrof­fe­ne  müs­sen in einer Bedro­hungs­si­tua­ti­on einen Not­ruf in den gän­gigs­ten Spra­chen von Flücht­lin­gen abset­zen kön­nen. Als Ergän­zung zum regu­lä­ren Poli­zei­not­ruf soll­ten mehr­spra­chi­ge Not­ruf­an­ge­bo­te eta­bliert wer­den. Der Schutz vor Angrif­fen und Bedro­hun­gen darf nicht an Sprach­bar­rie­ren scheitern.
  • Kon­se­quen­te Straf­ver­fol­gung: Die Täter müs­sen kon­se­quent ver­folgt und vor Gericht gestellt wer­den. Die bis­her gerin­ge Erfolgs­quo­te von Ermitt­lun­gen bei ras­sis­ti­schen Angrif­fen auf Flücht­lin­ge zeigt, dass die Ermitt­lun­gen drin­gend inten­si­viert wer­den müs­sen. Im ers­ten Quar­tal 2015 gelang laut Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um nur in einem Vier­tel der Delik­te die Aufklärung.
  • Tech­ni­sche Maß­nah­men in Unter­künf­ten: Flücht­lings­un­ter­künf­te müs­sen hohen Sicher­heits­stan­dards genü­gen. So müs­sen die Räu­me mit Rauch­mel­dern aus­ge­stat­tet sein. Feu­er­lö­scher müs­sen vor­han­den sein. Flucht­we­ge müs­sen deut­lich aus­ge­wie­sen sein – in ver­schie­de­nen Sprachen.
  • Sicher­heits­per­so­nal: Die Anstel­lung von  Sicher­heits­per­so­nal mit ras­sis­ti­schen Ein­stel­lun­gen  muss durch eine gewis­sen­haf­te Über­prü­fung der Auf­trag­neh­mer aus­ge­schlos­sen werden.
  • Bedroh­li­che Kund­ge­bun­gen unter­bin­den: Ver­samm­lun­gen von Rechts­extre­men, von denen Über­grif­fe und Bedro­hun­gen gegen­über Flücht­lin­gen aus­ge­hen, müs­sen im unmit­tel­ba­ren Umfeld von Flücht­lings­un­ter­künf­ten kon­se­quent unter­bun­den wer­den. Das Grund­recht auf Ver­samm­lungs­frei­heit steht nicht über dem Recht auf kör­per­li­che Unver­sehrt­heit. Flücht­lin­ge einer bedroh­li­chen Atmo­sphä­re aus­zu­set­zen, die regel­mä­ßig von rechts­extre­men Kund­ge­bun­gen aus­geht, ist nicht hinnehmbar.

Will­kom­mens­kul­tur ist nicht nur Privatsache

Neben staat­li­chen Maß­nah­men ist die Soli­da­ri­tät der Zivil­ge­sell­schaft mit den Flücht­lin­gen zen­tral, um ras­sis­ti­sche Ten­den­zen zurück­zu­drän­gen. Vie­ler­orts stel­len sich bereits Men­schen ras­sis­ti­scher Het­ze in den Weg und hei­ßen Flücht­lin­ge will­kom­men. Die unzäh­li­gen ehren­amt­li­chen Initia­ti­ven, die sich für Flücht­lin­ge enga­gie­ren, sind ein ent­schei­den­des Signal gegen rech­te Mobi­li­sie­rung. Die­ser muti­ge Ein­satz ver­dient Aner­ken­nung und Unter­stüt­zung. PRO ASYL for­dert daher, dass Bund und Län­der flä­chen­de­cken­de Pro­gram­me zur Unter­stüt­zung der ehren­amt­li­chen Arbeit mit Flücht­lin­gen auf­le­gen – um jenen, die die von vie­len Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­kern beschwo­re­ne „Will­kom­mens­kul­tur“ Wirk­lich­keit wer­den las­sen, den Rücken zu stärken.

Geis­ti­ge Brand­stif­tung beenden

Damit das gesell­schaft­li­che Kli­ma gegen­über Flücht­lin­gen sich nicht wei­ter ver­schärft, müs­sen die ver­ant­wort­li­chen Poli­ti­ker und Poli­ti­ke­rin­nen auf­hö­ren, mit der Mär vom „Asyl­miss­brauch“ Res­sen­ti­ments zu schü­ren. Wäh­rend die Pogrom­stim­mung der 1990er Jah­re zurück­gehrt und Gewalt gegen Flücht­lin­ge zunimmt, heizt etwa CSU-Chef Horst See­ho­fer die Debat­te an. Mit der wie­der­hol­ten Rede von einem angeb­lich „mas­sen­haf­ten Asyl­miss­brauch“ und der For­de­rung nach schnel­le­ren Abschie­bun­gen schürt er Res­sen­ti­ments. Wer sich auf Kos­ten von Flücht­lin­gen mit sol­chen Stamm­tisch­pa­ro­len pro­fi­liert, der  trägt Mit­ver­ant­wor­tung dafür, wenn ras­sis­ti­sche Res­sen­ti­ments und Gewalt­ta­ten zunehmen.

Ein Rück­fall in die 1990er Jah­re muss mit allen Mit­teln ver­hin­dert werden.

Wie der Ras­sis­mus der Mit­te, rech­ter Popu­lis­mus, flücht­lings­feind­li­che Het­ze und Gewalt­ta­ten zusam­men­hän­gen, illus­triert das Bei­spiel Sach­sen auf bedrü­ckend deut­li­che Wei­se. Dass hier die ras­sis­ti­sche Pegi­da-Bewe­gung erstark­te und aus dem Bun­des­land beson­ders vie­le ras­sis­ti­sche Angrif­fe berich­tet wer­den, mag vie­le Grün­de haben – einer von ihnen fin­det sich mit Sicher­heit in der Hal­tung der säch­si­schen Union.

In Sach­sen wird deut­lich, was in den 1990er Jah­ren bun­des­weit zu beob­ach­ten war: Zei­gen Poli­ti­ke­rin­nen eta­blier­ter Par­tei­en Ver­ständ­nis für ras­sis­ti­sche Pro­pa­gan­da oder stim­men gar in die Het­ze mit ein, sehen sich ras­sis­ti­sche Wut­bür­ge­rin­nen und ‑bür­ger bestärkt.   Ein Rück­fall in die 1990er Jah­re, in denen Flücht­lings­hei­me brann­ten und Men­schen durch ras­sis­ti­sche Gewalt zu Tode kamen , muss mit allen Mit­teln ver­hin­dert werden.