05.11.2017
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Immer wieder kommt es in manchen Orten zu rassistischen Protesten gegen geplante Flüchtlingsunterkünfte. Foto: picture alliance

Zum Auftakt der Konzerttour der Toten Hosen am 5. November in Chemnitz startet PRO ASYL die Aktion »Wir geben keine Ruhe – Gemeinsam gegen Rassismus«. Denn rechtspopulistische Stimmungsmache ist in Deutschland mittlerweile allgegenwärtig, rassistische Gewalt breitet sich aus.

Bei den Kon­zer­ten der anlau­fen­den »Lau­ne der Natour« wer­den für die PRO ASYL-Akti­on Unter­schrif­ten gegen Ras­sis­mus und für Men­schen­rech­te gesammelt.

Klare Kante gegen Rassismus zeigen!

Rechts­po­pu­lis­ti­sche Stim­mungs­ma­che ist mitt­ler­wei­le all­ge­gen­wär­tig. Das Gefähr­li­che dabei ist vor allem die zuneh­men­de Akzep­tanz ras­sis­ti­schen Gedan­ken­guts auch über das rech­te Spek­trum hin­aus. Die so ent­ste­hen­de Atmo­sphä­re in unse­rer Gesell­schaft sorgt dafür, dass auch ras­sis­ti­sche Gewalt sich immer wei­ter aus­brei­ten kann.

»Es geht um Men­schen­rech­te und Respekt«, sagen Die Toten Hosen und rufen dazu auf, aktiv zu wer­den und Ras­sis­mus zu über­stim­men. Eine kla­re und deut­li­che Posi­tio­nie­rung von uns allen ist nötig, denn: Wer Stim­mung gegen Flücht­lin­ge macht, ist für Gewalt­ta­ten mitverantwortlich!

800

Über­grif­fe auf Flücht­lin­ge und ihre Unter­künf­te sind die­ses Jahr schon dokumentiert

Rechte Gewalttaten konsequent aufklären!

Und sol­che Gewalt­ta­ten gibt es Tag für Tag. Allein in die­sem Jahr gab es mehr als 800 Über­grif­fe auf Flücht­lin­ge und ihre Unter­künf­te, davon über ein Vier­tel tät­li­che Angrif­fe oder Brand­an­schlä­ge. (Stand: 26. Okto­ber) Die Dun­kel­zif­fer dürf­te dabei noch weit höher sein, denn vie­le Fäl­le wer­den ent­we­der nicht ange­zeigt oder gelan­gen nicht an die Öffent­lich­keit. Eini­ge erschre­cken­de Bei­spie­le aus der deut­schen Rea­li­tät im Sep­tem­ber 2017:

Ein afgha­ni­scher Asyl­be­wer­ber wird von drei Män­nern in baye­ri­schen Trach­ten vor einer Dis­ko­thek ver­bal und tät­lich ange­gan­gen. Als er am Boden liegt, tre­ten die Män­ner auf ihn ein. Umste­hen­de Per­so­nen bemer­ken den Vor­fall, grei­fen aber nicht ein, son­dern lachen darüber.

Die Ein­gangs­tür eines Hau­ses, in dem min­der­jäh­ri­ge Flücht­lin­ge unter­ge­bracht sind, wird in Brand gesetzt. Die Täter flüch­ten, als sie von Haus­be­woh­nern bemerkt werden.

Unbe­kann­te beschmie­ren eine Flücht­lings­un­ter­kunft mit Haken­kreu­zen. Dar­über kle­ben sie ein Schild mit der Auf­schrift »Alle Flücht­lin­ge müs­sen zurück«.

Eine Per­son macht sich nachts am Fens­ter der Woh­nung eines Syrers zu schaf­fen. Als die­ser die Tür öff­net, kom­men zwei wei­te­re Täter hin­zu. Sie skan­die­ren Paro­len, zei­gen den Hit­ler-Gruß und ver­let­zen den Syrer und sei­nen 13-jäh­ri­gen Sohn durch Schlä­ge leicht.

Ein Mann spricht zwei syri­sche Geschwis­ter (11 und 12 Jah­re alt) auf der Stra­ße auf ihre Her­kunft an. Als sie nicht reagie­ren, bedroht er sie mit dem Tode, ver­sucht sie fest­zu­hal­ten und tritt nach ihnen.

Dazu kommt, dass die Straf­ver­fol­gung bei sol­chen Taten oft man­gel­haft ist. Ein Bei­spiel: Im August 2017 gab es bun­des­weit 313 poli­tisch rechts moti­vier­te Straf­ta­ten mit frem­den­feind­li­chem Hin­ter­grund (BT-Druck­sa­che 18/13671, S. 4). Von den 154 ermit­tel­ten Tat­ver­däch­ti­gen wur­de gera­de mal eine Per­son vor­läu­fig fest­ge­nom­men. Kein ein­zi­ger Haft­be­fehl wur­de erlassen.

Das ist kein neu­es Phä­no­men. Auch Recher­chen aus den ver­gan­ge­nen Jah­ren erga­ben ähn­lich ernüch­tern­de Ergeb­nis­se. Der Stern hat­te beson­ders schwer­wie­gen­de Delik­te wie Kör­per­ver­let­zung oder Brand- und Spreng­stoff­an­schlä­ge aus den Jah­ren 2013 und 2014 unter­sucht und her­aus­ge­fun­den: Nur jede vier­te Gewalt­tat gegen Asyl­su­chen­de aus den Jah­ren 2013 und 2014 wur­de von deut­schen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den auf­ge­klärt. Nur zwei Pro­zent der ermit­tel­ten Straf­tä­ter erhiel­ten spä­ter eine Gefängnisstrafe.

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Foto: Paul Ripke

Im Jahr 2015 hat­te die ZEIT über 200 Brand­an­schlä­ge auf Flücht­lings­un­ter­künf­te genau­er betrach­tet – in mehr als drei Vier­teln der Fäl­le waren zu die­sem Zeit­punkt kei­ner­lei Ermitt­lungs­er­fol­ge zu berich­ten, nur vier Urtei­le waren gespro­chen wor­den. Die Auf­klä­rungs­quo­te bei ver­gleich­ba­ren Delik­ten ohne Flücht­lings­be­zug ist weit höher.

In mah­nen­der Erin­ne­rung sind auch die unglaub­li­chen Ver­feh­lun­gen der Behör­den, die den Rechts­ter­ro­ris­ten des Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Unter­grunds (NSU) erlaub­ten, jah­re­lang weit­ge­hend unge­stört Migrant*innen zu ermor­den. Auch der BKA-Prä­si­dent warnt davor, dass sich neue rechts­ter­ro­ris­ti­sche Zel­len bil­den. Nicht nur des­halb muss bei rechts­mo­ti­vier­ten Gewalt­ta­ten lücken­lo­se poli­zei­li­che und staats­an­walt­li­che Ermitt­lung sowie kon­se­quen­te Auf­klä­rung und Straf­ver­fol­gung garan­tiert werden!

Bleiberecht für die Opfer rassistischer Angriffe!

Dazu gehört auch, dass Opfer ras­sis­ti­scher Angrif­fe ein Blei­be­recht erhal­ten. Denn zum einen schei­tern Gerichts­pro­zes­se gegen Gewalttäter*innen bis­wei­len dar­an, dass Opfer und Zeu­gen nicht aus­sa­gen kön­nen, weil sie abge­scho­ben wur­den, zum ande­ren sind die Betrof­fe­nen auch psy­chisch auf auf­ent­halts­recht­li­che Sicher­heit ange­wie­sen, um ihre Erleb­nis­se zu verarbeiten.

Und: Ein sol­ches Blei­be­recht hält über­dies den Täter*innen das ein­deu­ti­ge Bekennt­nis des Staa­tes gegen Hass und Gewalt ent­ge­gen. Die Bun­des­län­der Bran­den­burg und Ber­lin haben das 2017 bereits beschlossen.