15.12.2014
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Für Flüchtlingsschutz, gegen Rassismus und religiösen Fundamentalismus: Zahlreiche Menschen beteiligten sich bei der Gegendemonstration gegen “Pegida” in Dresden am 8. Dezember. Foto: flickr / strassenstriche.net

Unter der Bezeichnung „Pegida“ gingen gestern erneut Tausende auf die Straße, um ihren Ressentiments gegen Muslime, Zuwanderer und Flüchtlinge freien Lauf zu lassen. Teile der Bundesregierung reagieren darauf mit "Verständnis". Dieses Verständnis ist gefährlich.

Meh­re­re Tau­send Men­schen gehen mon­tags in Dres­den gegen eine angeb­li­che „Isla­mi­sie­rung des Abend­lan­des“ auf die Stra­ße. Auch in ande­ren Städ­ten demons­trie­ren deutsch­na­tio­nal oder rechts­kon­ser­va­tiv Gesinn­te,  offen rechts­ra­di­ka­le Akti­vis­ten und zahl­rei­che von ras­sis­ti­schen Res­sen­ti­ments geplag­te Bür­ge­rin­nen und Bür­ger zusam­men unter dem Mot­to „Patrio­ti­sche Euro­pä­er gegen die Isla­mi­sie­rung des Abendlandes“.

Zahl­rei­che Stim­men aus der Poli­tik und der Zivil­ge­sell­schaft haben auf die ras­sis­ti­sche Grund­hal­tung der Pro­tes­te hin­ge­wie­sen. Jus­tiz­mi­nis­ter Hei­ko Maas (SPD) bezeich­ne­te Pegi­da in der Süd­deut­schen Zei­tung als eine „Schan­de für Deutsch­land“. Er habe kein Ver­ständ­nis dafür, dass Men­schen auf die Stra­ße gin­gen, „um ihre Res­sen­ti­ments aus­zu­le­ben, auch um ihre Aus­län­der­feind­lich­keit aus­zu­le­ben und dies auf dem Rücken von Flücht­lin­gen, die gera­de alles ver­lo­ren haben.“ Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel distan­zier­te sich von den Pro­tes­ten, in Deutsch­land sei „kein Platz für Het­ze und Ver­leum­dung“. 

Red­li­che Bür­ger am Werk?

Die Hal­tung der Bun­des­re­gie­rung lässt jedoch die gebo­te­ne Klar­heit ver­mis­sen. Auf­grund des Erfolgs der Bewe­gung sehen sich Poli­ti­ker der Regie­rungs­ko­ali­ti­on offen­bar ver­an­lasst, die Demons­tra­tio­nen  als Aus­druck von „Sor­gen und Ängs­ten“ zu verharmlosen.

„Unter den­je­ni­gen, die da teil­neh­men, gibt es doch ganz schön vie­le, die brin­gen ihre Sor­gen zum Aus­druck vor den Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit“, so etwa Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mazie­re. „Die­se Sor­gen müs­sen wir ernst neh­men“. Regie­rungs­spre­cher Sei­fert sag­te, ange­sichts der gestie­ge­nen Flücht­lings­zah­len gebe es „auch Bür­ger, die Fra­gen und Sor­gen haben, ob und wie wir das alles stem­men kön­nen. Dar­über soll­ten wir immer wie­der ernst­haft reden.“ Der CSU-Innen­po­li­ti­ker Ste­phan May­er sieht bei Pegi­da gar „red­li­che Bür­ger“ am Werk, „die durch­aus aus red­li­chen Erwä­gun­gen auf die Stra­ße gehen“.

Fata­le Ver­ständ­nis­be­kun­dun­gen 

Die Ver­ständ­nis­be­kun­dun­gen sind aus meh­re­ren Grün­den fatal. Zum einen, weil auch jene Pegi­da-Demons­tran­tin­nen und ‑Demons­tran­ten, die bis­lang kein gefes­tig­tes rechts­extre­mes Welt­bild haben,  Ver­ant­wor­tung dafür tra­gen, im Schul­ter­schluss mit orga­ni­sier­ten Rechts­extre­men Het­ze gegen Min­der­hei­ten auf die Stra­ße zu tragen.

Eine  Abso­lu­ti­on des Mit­läu­fer­tums ist unan­ge­bracht“, kom­men­tiert Nico Fried in der Süd­deut­schen, „weil sie die Sor­gen ande­rer Bür­ger ent­wer­tet – zum Bei­spiel die Sor­gen ehren­amt­li­cher Hel­fer, die sich dar­um bemü­hen, dass Flücht­lin­ge hier gut auf­ge­nom­men wer­den, oder die Sor­gen von Leh­rern und Eltern, die dazu bei­tra­gen, dass syri­sche Kin­der, die Vater und Mut­ter ver­lo­ren haben, in deut­schen Schu­len etwas ler­nen, wenn sie schon sonst nichts mehr haben“.

Ein wei­te­res Pro­blem am umar­men­den Ver­ständ­nis für die Pegi­da-Bewe­gung: Die Bewe­gung wird sich dadurch nicht abschwä­chen – sie fühlt sich ver­mut­lich bestärkt. Die Akti­vis­tin­nen und Akti­vis­ten von Pegi­da ver­su­chen, Ras­sis­mus im poli­ti­schen Dis­kurs zu eta­blie­ren, in dem sie weit ver­brei­te­te ras­sis­ti­sche Res­sen­ti­ments mobi­li­sie­ren und die­se dann als „demo­kra­ti­sche Mei­nungs­äu­ße­rung“ angeb­lich besorg­ter Bür­ger prä­sen­tie­ren. Wenn in Poli­tik und Öffent­lich­keit die Pegi­da-Pro­gram­ma­tik ver­ständ­nis­voll als Äuße­rung „dif­fu­ser Ängs­te“ ver­harm­lost wird, droht die­se Stra­te­gie auf­zu­ge­hen. 

Ängs­te von Flücht­lin­gen und Migran­ten ernst neh­men! 

Nicht die Pegi­da-Demons­tran­ten brau­chen unser Ver­ständ­nis – son­dern jene, die sich aus gutem Grund vor wach­sen­der ras­sis­ti­scher Het­ze und Gewalt fürch­ten müs­sen. Zur Erin­ne­rung: Erst letz­te Woche sind drei Flücht­lings­un­ter­künf­te im Land­kreis Nürn­berg ange­zün­det wor­den – zum Glück waren die­se noch unbe­wohnt. In der glei­chen Woche waren zwei Zel­te eines Pro­test­camps von Flücht­lin­gen in Han­no­ver abge­brannt. Auch hier wird eine Brand­stif­tung ver­mu­tet. Ein Flücht­ling wur­de ver­letzt. Deutsch­land­weit nimmt ras­sis­ti­sche Gewalt gegen Flücht­lin­ge zu. Auch wenn Pegi­da bis­lang Wert dar­auf legt, als „gewalt­frei“ wahr­ge­nom­men zu wer­den: Wenn ras­sis­ti­sche Res­sen­ti­ments nicht klar zurück­ge­wie­sen wer­den, son­dern auf „Ver­ständ­nis“ tref­fen, bestärkt das ras­sis­ti­sche Gewalt­tä­ter in ihrem Tun.

 Will­kom­mens­kul­tur ist nicht Pri­vat­sa­che! (20.03.15)