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Pegida-Bewegung: Verständnis ist fehl am Platz!
Unter der Bezeichnung „Pegida“ gingen gestern erneut Tausende auf die Straße, um ihren Ressentiments gegen Muslime, Zuwanderer und Flüchtlinge freien Lauf zu lassen. Teile der Bundesregierung reagieren darauf mit "Verständnis". Dieses Verständnis ist gefährlich.
Mehrere Tausend Menschen gehen montags in Dresden gegen eine angebliche „Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße. Auch in anderen Städten demonstrieren deutschnational oder rechtskonservativ Gesinnte, offen rechtsradikale Aktivisten und zahlreiche von rassistischen Ressentiments geplagte Bürgerinnen und Bürger zusammen unter dem Motto „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“.
Zahlreiche Stimmen aus der Politik und der Zivilgesellschaft haben auf die rassistische Grundhaltung der Proteste hingewiesen. Justizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete Pegida in der Süddeutschen Zeitung als eine „Schande für Deutschland“. Er habe kein Verständnis dafür, dass Menschen auf die Straße gingen, „um ihre Ressentiments auszuleben, auch um ihre Ausländerfeindlichkeit auszuleben und dies auf dem Rücken von Flüchtlingen, die gerade alles verloren haben.“ Bundeskanzlerin Merkel distanzierte sich von den Protesten, in Deutschland sei „kein Platz für Hetze und Verleumdung“.
Redliche Bürger am Werk?
Die Haltung der Bundesregierung lässt jedoch die gebotene Klarheit vermissen. Aufgrund des Erfolgs der Bewegung sehen sich Politiker der Regierungskoalition offenbar veranlasst, die Demonstrationen als Ausdruck von „Sorgen und Ängsten“ zu verharmlosen.
„Unter denjenigen, die da teilnehmen, gibt es doch ganz schön viele, die bringen ihre Sorgen zum Ausdruck vor den Herausforderungen unserer Zeit“, so etwa Bundesinnenminister Thomas de Maziere. „Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen“. Regierungssprecher Seifert sagte, angesichts der gestiegenen Flüchtlingszahlen gebe es „auch Bürger, die Fragen und Sorgen haben, ob und wie wir das alles stemmen können. Darüber sollten wir immer wieder ernsthaft reden.“ Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer sieht bei Pegida gar „redliche Bürger“ am Werk, „die durchaus aus redlichen Erwägungen auf die Straße gehen“.
Fatale Verständnisbekundungen
Die Verständnisbekundungen sind aus mehreren Gründen fatal. Zum einen, weil auch jene Pegida-Demonstrantinnen und ‑Demonstranten, die bislang kein gefestigtes rechtsextremes Weltbild haben, Verantwortung dafür tragen, im Schulterschluss mit organisierten Rechtsextremen Hetze gegen Minderheiten auf die Straße zu tragen.
„Eine Absolution des Mitläufertums ist unangebracht“, kommentiert Nico Fried in der Süddeutschen, „weil sie die Sorgen anderer Bürger entwertet – zum Beispiel die Sorgen ehrenamtlicher Helfer, die sich darum bemühen, dass Flüchtlinge hier gut aufgenommen werden, oder die Sorgen von Lehrern und Eltern, die dazu beitragen, dass syrische Kinder, die Vater und Mutter verloren haben, in deutschen Schulen etwas lernen, wenn sie schon sonst nichts mehr haben“.
Ein weiteres Problem am umarmenden Verständnis für die Pegida-Bewegung: Die Bewegung wird sich dadurch nicht abschwächen – sie fühlt sich vermutlich bestärkt. Die Aktivistinnen und Aktivisten von Pegida versuchen, Rassismus im politischen Diskurs zu etablieren, in dem sie weit verbreitete rassistische Ressentiments mobilisieren und diese dann als „demokratische Meinungsäußerung“ angeblich besorgter Bürger präsentieren. Wenn in Politik und Öffentlichkeit die Pegida-Programmatik verständnisvoll als Äußerung „diffuser Ängste“ verharmlost wird, droht diese Strategie aufzugehen.
Ängste von Flüchtlingen und Migranten ernst nehmen!
Nicht die Pegida-Demonstranten brauchen unser Verständnis – sondern jene, die sich aus gutem Grund vor wachsender rassistischer Hetze und Gewalt fürchten müssen. Zur Erinnerung: Erst letzte Woche sind drei Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Nürnberg angezündet worden – zum Glück waren diese noch unbewohnt. In der gleichen Woche waren zwei Zelte eines Protestcamps von Flüchtlingen in Hannover abgebrannt. Auch hier wird eine Brandstiftung vermutet. Ein Flüchtling wurde verletzt. Deutschlandweit nimmt rassistische Gewalt gegen Flüchtlinge zu. Auch wenn Pegida bislang Wert darauf legt, als „gewaltfrei“ wahrgenommen zu werden: Wenn rassistische Ressentiments nicht klar zurückgewiesen werden, sondern auf „Verständnis“ treffen, bestärkt das rassistische Gewalttäter in ihrem Tun.
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