15.08.2013
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Berlin ehrt mit <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Varian_Fry">Varian Fry</a> nicht zu Unrecht einen „Schlepper“. Dennoch wird mit Hinweis auf Schleuser und Schlepper immer wieder versucht, Schutzsuchende mit Kriminalität in Verbindung zu bringen. Foto: Wiki Commons / Fridolin freudenfett (Peter Kuley)

Bislang wurden die gestiegenen Flüchtlingszahlen im Wahlkampf kaum instrumentalisiert. Doch mittlerweile nehmen undifferenzierte Aussagen zu, die geeignet sind, Ängste in der Bevölkerung zu schüren - unter anderem Aussagen von Wolfgang Bosbach. Eine Replik.

Der Wahl­kampf läuft. Mitt­ler­wei­le hat er auch das The­ma Asyl erfasst. Nach­dem Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Fried­rich die gestie­ge­nen Asyl­an­trags­zah­len als „alar­mie­rend“ bezeich­net hat­te, legt nun sein Frak­ti­ons­kol­le­ge Wolf­gang Bos­bach in der Zei­tung „Die Welt“ nach: In vie­len Kom­mu­nen sei­en die „Gren­zen der Belast­bar­keit“ erreicht. Damit schließt Wolf­gang Bos­bach naht­los an  das Bei­spiel des ehe­ma­li­gen CDU-Gene­ral­se­kre­tärs Vol­ker Rühe wäh­rend der Aus­ein­an­der­set­zung um den Art.16 GG an. Rea­le – aber lös­ba­re – Pro­ble­me wer­den dra­ma­ti­siert, der Stamm­tisch wird als Kron­zeu­ge angerufen.

Ver­schwie­gen wird von Hans Peter Fried­rich wie von Wolf­gang Bos­bach, dass nach wie vor ein Groß­teil der Asyl­su­chen­den aus Staa­ten kommt, in denen mas­si­ve Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen statt­fin­den, die oft auch deut­sche TV-Bild­schir­me errei­chen; dass eine sehr viel grö­ße­re Zahl von Flücht­lin­gen aus vie­len die­ser Län­der in pre­kä­rer Lage in Erst­auf­nah­me­staa­ten sitzt und dass selbst die Aner­ken­nungs­quo­ten bei den­je­ni­gen, über deren Antrag hier­zu­lan­de ent­schie­den wird, rela­tiv hoch sind. Die Schutz­be­dürf­tig­keit eines Groß­teils der Asyl­su­chen­den wird vom Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) aner­kannt. Das gilt auch für Flücht­lin­ge aus Tsche­tsche­ni­en und ande­ren rus­si­schen Teil­re­pu­bli­ken im Nord­kau­ka­sus, von denen etwa jeder Fünf­te in der letz­ten Zeit bereits beim BAMF aner­kannt wur­de. Ins­ge­samt lag die Quo­te der Asyl­su­chen­den, denen im ers­ten Halb­jahr 2013 im Rah­men von Fall­ent­schei­dun­gen ein Schutz­sta­tus zuge­spro­chen wur­de, bei 44,2 Prozent.

Haus­ge­mach­ter Notstand 

Ver­schwie­gen wird von Bos­bach auch, dass ein Groß­teil der Belas­tung haus­ge­macht ist. Die Kom­mu­nen sind oft des­halb über­for­dert, weil das BAMF glaub­te, Per­so­nal­pla­nung auf der Basis der um das Jahr 2007 his­to­risch nied­ri­gen Asyl­an­trags­zah­len machen zu müs­sen. Über einen Groß­teil der Anträ­ge wird oft erst nach ein­ein­halb Jah­ren ent­schie­den – gera­de bei Her­kunfts­län­dern mit guten Chan­cen. Die Ver­weil­dau­er in den Unter­künf­ten ist ent­spre­chend lang. Und auch die zur Unter­brin­gung ver­pflich­te­ten Kom­mu­nen bzw. die Län­der als Kos­ten­trä­ger sind dem Irr­glau­ben dau­er­haft nied­ri­ger Antrags­zah­len gefolgt. Jetzt zei­gen sich alle über­rascht und „über­for­dert“.  Über den Dil­let­tan­tis­mus der Bahn wird am Bei­spiel des Main­zer Stell­werks breit dis­ku­tiert. Der unver­gleich­bar grö­ße­re und fol­gen­rei­che­re Dilet­tan­tis­mus des Bun­des­am­tes und des dafür zustän­di­gen Minis­ters, für ein fai­res und effi­zi­en­tes Asyl­ver­fah­ren zu sor­gen, ist min­des­tens eben­so kritikwürdig.

Hel­fen Arbeits­ver­bo­te wirk­lich gegen Schlepper?

Wolf­gang Bos­bachs Äuße­run­gen zum The­ma sind auch in ande­rer Hin­sicht grob fahr­läs­sig. Gegen­über der Welt sag­te der CDU-Poli­ti­ker, „wür­de man das Arbeits­ver­bot ganz auf­he­ben, wür­de sich die­se Nach­richt in Win­des­ei­le ver­brei­ten und die Men­schen wür­den nach Deutsch­land strö­men. Damit wür­den wir letzt­lich auch die Schlep­per unterstützen“.

Tat­säch­lich dürf­te für Flücht­lin­ge aus dem Nord­kau­ka­sus, aus Syri­en, aus Afgha­ni­stan und vie­len ande­ren Kri­sen­re­gio­nen für ihre Ent­schei­dung, nach Deutsch­land zu flie­hen, min­des­tens dritt­ran­gig sein, wie lan­ge hier­zu­lan­de ein Arbeits­ver­bot gilt. Tat­säch­lich aber sorgt das Arbeits­ver­bot dafür, das hier ange­kom­me­ne Flücht­lin­ge sich nicht inte­grie­ren kön­nen und dadurch auch ras­sis­ti­sche Vor­ur­tei­le beför­dert wer­den: Wer Men­schen das Arbei­ten ver­bie­tet und sie zur Abhän­gig­keit von Sozi­al­leis­tun­gen ver­dammt, repro­du­ziert das Bild der „Aus­län­der“, die uns angeb­lich „auf der Tasche liegen“.

Eben­so kri­tik­wür­dig ist Bos­bachs Argu­ment, ein Arbeits­markt­zu­gang für Flücht­lin­ge wür­de „Schlep­per“ unter­stüt­zen. Ob Arbeits­er­laub­nis hin oder her: Seit Natio­nal­staa­ten mit effek­ti­ver Grenz­über­wa­chung exis­tie­ren, ist es die abso­lu­te Aus­nah­me, dass Men­schen ohne die Inan­spruch­nah­me von Schleu­sern und gefälsch­ter Doku­men­te flie­hen kön­nen. Die Bun­des­haupt­stadt ehrt mit der Vari­an-Fry-Stra­ße einen der mutigs­ten und effi­zi­en­tes­ten Flucht­hel­fer. Auch er muss­te zur Ret­tung der Ver­folg­ten des Natio­nal­so­zia­lis­mus gefälsch­te Doku­men­te bei der Unter­welt kau­fen. Die Ret­tung von Men­schen vor Ver­fol­gung ist bedau­er­li­cher­wei­se häu­fig nicht gemein­nüt­zig und rechts­staat­lich zu haben. Gin­ge es Bos­bach ernst­haft um die Bekämp­fung von Schleu­sern – nichts läge näher, als die For­de­rung zu erhe­ben, dass Flücht­lin­gen, die aus Kri­sen­ge­bie­ten flie­hen, lega­le Flucht­we­ge eröff­net wer­den müssen.

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