25.10.2024
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Bei vielen Geflüchteten muss nun erneut der Rotstift angesetzt werden. Foto: Max Klöckner

Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten, sollen 2025 weniger Unterstützung bekommen. Bei Sozialhilfe und Bürgergeld wird es dagegen »nur« eine Nullrunde geben. Mit der Minusrunde für Geflüchtete setzen Bund und Länder ihre antisoziale Politik auf dem Rücken der Allerschwächsten fort.

Die Bun­des­re­gie­rung ist ver­pflich­tet, die Regel­be­dar­fe für die Sozi­al­leis­tun­gen jähr­lich an die Ent­wick­lung von Prei­sen und Löh­nen anzu­pas­sen. Am 18. Okto­ber 2024, zeit­gleich mit der Abstim­mung über das Sicher­heits­pa­ket im Bun­des­tag, hat der Bun­des­rat der dies­jäh­ri­gen Ver­ord­nung aus dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Sozia­les (BMAS) zuge­stimmt. Sie führt jedoch nicht zu einer Stei­ge­rung, son­dern zur Kür­zung der Grund­leis­tun­gen für Geflüch­te­te nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz (Asyl­bLG). Die Kür­zung dürf­te ver­mut­lich um die 20 Euro monat­lich für eine erwach­se­ne Per­son betragen.

Die vom BMAS ver­ant­wor­te­te und vom Bun­des­rat beschlos­se­ne Ver­ord­nung ist die vier­te bin­nen zwölf Mona­ten, mit der die Ver­ant­wort­li­chen schutz­su­chen­de Men­schen tie­fer in die exis­ten­zi­el­le Not trei­ben. In die­se Rei­he gehö­ren schon die dis­kri­mi­nie­ren­de Bezahl­kar­te, ver­län­ger­te Grund­leis­tun­gen im Asyl­bLG und die infa­me Leis­tungs­strei­chung im Sicher­heits­pa­ket.

Diskriminierende Ungleichbehandlung

Als Grund für die Minus­run­de gibt das zustän­di­ge BMAS an, die aktu­el­le Neu­be­rech­nung des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes hät­te für das Jahr 2025 ein Minus erge­ben. Aller­dings sehe § 28a Absatz 5 SGB XII einen Bestands­schutz vor, so dass die Bür­ger­geld- und Sozi­al­hil­fe-Regel­sät­ze unver­än­dert blei­ben. Für Asyl­su­chen­de hin­ge­gen bestrei­tet das BMAS die Anwend­bar­keit des Bestandschutzes.

Der Pari­tä­ti­sche Wohl­fahrts­ver­band hat die aktu­el­le Berech­nungs­me­tho­de für die Anpas­sung bemän­gelt und kri­ti­siert, dass auch die Null­run­de für Sozi­al­hil­fe- und Bürgergeldempfänger*innen ange­sichts gestie­ge­ner Prei­se und Löh­ne nicht sach­ge­recht ist. Arme Men­schen ver­lie­ren damit an Kauf­kraft. Für Asyl­su­chen­de gilt eigent­lich die­sel­be Berech­nungs­me­tho­de. Schon jetzt sind die Leis­tun­gen nach dem Asyl­bLG gerin­ger als die Bür­ger­geld­sät­ze, nun geht die Sche­re noch wei­ter auf.

Das Ver­fas­sungs­ge­richt hielt 2012 grund­sätz­lich fest, dass die Sozi­al­leis­tun­gen für Geflüch­te­te nicht pau­schal nied­ri­ger bemes­sen sein dür­fen als die regu­lä­ren Sozialleistungen.

Die Minus­run­de für Geflüch­te­te ist ein bis­lang ein­ma­li­ger Vor­gang. Die Idee jedoch, Geflüch­te­te über den Hebel der jähr­li­chen Anpas­sun­gen zu benach­tei­li­gen, ist nicht neu: Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat die Leis­tun­gen nach Asyl­bLG bereits in sei­nem weg­wei­sen­den Urteil von 2012 als »evi­dent unzu­rei­chend« bezeich­net, weil sie, anders als die Sozi­al­hil­fe, über vie­le Jah­re nicht an die Preis­ent­wick­lung ange­passt wor­den waren und dadurch eine erheb­li­che Dif­fe­renz ent­stan­den war. Von 2017 bis 2019 kam es drei Mal in Fol­ge erneut zu gesetz­ge­be­ri­schen Ver­säum­nis­sen bei der Anpassung.

Pauschal niedrigere Leistungen sind nicht erlaubt

Auf­grund der Ungleich­be­hand­lung der ver­schie­de­nen Grup­pen bedürf­ti­ger Per­so­nen darf man erheb­li­che Zwei­fel haben, dass die nun beschlos­se­ne Rege­lung ver­fas­sungs­kon­form ist. Das Ver­fas­sungs­ge­richt hielt 2012 grund­sätz­lich fest, dass die Sozi­al­leis­tun­gen für Geflüch­te­te nicht pau­schal nied­ri­ger bemes­sen sein dür­fen als die regu­lä­ren Sozi­al­leis­tun­gen. Der Gesetz­ge­ber darf, wie es in den Leit­sät­zen des Urteils heißt »nicht pau­schal nach dem Auf­ent­halts­sta­tus dif­fe­ren­zie­ren«. Abwei­chen­de Leis­tun­gen sind nur mög­lich, sofern der Bedarf an exis­tenz­not­wen­di­gen Leis­tun­gen einer bestim­men Grup­pe von Men­schen »von dem ande­rer Bedürf­ti­ger signi­fi­kant abweicht und dies fol­ge­rich­tig in einem inhalt­lich trans­pa­ren­ten Ver­fah­ren anhand des tat­säch­li­chen Bedarfs gera­de die­ser Grup­pe belegt wer­den kann«.

Eine sol­che empi­risch beleg­te, trans­pa­ren­te Berech­nung hat der Gesetz­ge­ber aller­dings seit mehr als zwölf Jah­ren nicht gelie­fert.  Das ist nicht über­ra­schend: Auch Geflüch­te­te im Asyl­bLG-Bezug sind Men­schen, die alle Bedar­fe haben, die Men­schen nun ein­mal haben. Dass die Asyl­be­wer­ber­leis­tun­gen nicht bedarfs­de­ckend sind, haben PRO ASYL und der Flücht­lings­rat Ber­lin 2022 aus­führ­lich ana­ly­siert. Zahl­rei­che Orga­ni­sa­tio­nen kri­ti­sie­ren das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz ins­ge­samt als ver­fas­sungs­wid­rig und for­dern sei­ne Abschaffung.

(ak)