16.02.2015
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"Freedom. We die here." Proteste nach dem Suizid eines pakistanischen Flüchtlings im Haftlager Amygdaleza. Foto: left.gr

„Wir sind fertig mit den Haftzentren“, erklärte der griechische Staatssekretär Yannis Panousis am Samstag, nachdem sich in der Nacht zuvor ein Flüchtling im Haftlager Amygdaleza das Leben genommen hatte. Die Ankündigung, die Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten zu beenden, ist ein positives Signal. Bleibt zu hoffen, dass sie auch umgesetzt wird.

In der Nacht zum Frei­tag erhäng­te sich ein  Flücht­ling aus Paki­stan in einem als Haft­zel­le genutz­ten Con­tai­ner des Haft­zen­trums Amyg­da­le­za. Der 28jährige war am 12. Dezem­ber wegen „ille­ga­ler Ein­rei­se“ ver­haf­tet wor­den. Er ist Berich­ten von Akti­vis­ten zufol­ge bereits der vier­te Häft­ling, der seit dem letz­ten Som­mer im für Flücht­lin­ge und Migran­ten errich­te­ten Haft­zen­trum bei Athen starb und der zwei­te, der sich in der letz­ten Woche dort das Leben nahm.

„Ich bin her­ge­kom­men, um mei­ne Beschä­mung aus­zu­drü­cken“, reagier­te der zustän­di­ge Staats­se­kre­tär im Innen­mi­nis­te­ri­um, Yan­nis Panou­sis, beim Besuch des Haft­la­gers auf den Todes­fall. Die Bedin­gun­gen in Amyg­da­le­za bezeich­ne­te der Poli­ti­ker der neu­en grie­chi­schen Regie­rung als „unglaub­lich“. Das zu 75 Pro­zent durch EU-Mit­tel finan­zier­te Haft­zen­trum Amyg­da­le­za ist für 900 Per­so­nen aus­ge­legt. Am Wochen­en­de waren Medi­en­an­ga­ben zufol­ge dort über 2000 Men­schen eingepfercht.

Seit Jah­ren ist bekannt und umfang­reich doku­men­tiert, dass  Schutz­su­chen­de in Grie­chen­land in oft voll­kom­men über­füll­ten Haft­ein­rich­tun­gen unter kata­stro­pha­len hygie­ni­schen Bedin­gun­gen inhaf­tiert wer­den, in denen Miss­hand­lun­gen an der Tages­ord­nung sind und in denen es meist kei­nen Zugang zu medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung und Rechts­bei­stän­den gibt.

Bal­di­ges Ende von Fest­nah­men und Inhaftierung?

Yan­nis Panou­sis ver­sprach, dass es bin­nen weni­ger Tagen eine Ent­schei­dun­gen zur Schlie­ßung der Lager geben wer­de und die Haft­zen­tren durch offe­ne Auf­nah­me­zen­tren ersetzt wür­den. Die neue grie­chi­sche Regie­rung ver­sprach zudem, die im Sep­tem­ber 2012 ein­ge­führ­te  Ope­ra­ti­on „Xeni­os Zeus“ ein­zu­stel­len, in deren Rah­men lan­des­weit ras­sis­ti­sche Raz­zi­en statt­fan­den und zehn­tau­sen­de Schutz­su­chen­de fest­ge­nom­men und inhaf­tiert wurden.

Ob sich die Situa­ti­on von Flücht­lin­gen und Migran­ten in Grie­chen­land tat­säch­lich so fun­da­men­tal ver­bes­sert, wie die Ankün­di­gun­gen der neu­en Regie­rung glau­ben machen, bleibt abzu­war­ten. Mit der rechts­po­pu­lis­ti­schen ANEL sitzt eine offen ras­sis­ti­sche und anti­se­mi­ti­sche Par­tei in der Regie­rungs­ko­ali­ti­on, deren Ein­fluss­mög­lich­kei­ten noch nicht abzu­se­hen sind. Dar­über hin­aus ist frag­lich, ob es die grie­chi­sche Regie­rung ange­sichts der schwe­ren Kri­se des Lan­des ver­mag, ein men­schen­wür­di­ges Auf­nah­me- und Unter­brin­gungs­sys­tems zu schaffen.

Ein fun­da­men­ta­ler Wan­del der grie­chi­schen Migra­ti­ons- und Asyl­po­li­tik ist vor allem nur unter einer Bedin­gung rea­li­sier­bar: dass auch die Euro­päi­sche Uni­on einen Wan­del ihrer Flücht­lings­po­li­tik voll­zieht. Die EU inves­tier­te im Zeit­raum 2007 bis 2013 in Grie­chen­land 208 Mil­lio­nen Euro in Flücht­lings­ab­wehr und Haft und nur knapp 22 Mil­lio­nen in die Auf­nah­me von Flücht­lin­gen. Anstatt repres­si­ve Abwehr­maß­nah­men zu finan­zie­ren muss die EU ihre Mit­tel end­lich in die men­schen­wür­di­ge Auf­nah­me von Flücht­lin­gen investieren.

Medi­en­be­rich­te zum The­ma: Reu­ters, Spie­gel Online, Ekat­hi­me­ri­ni, Greek Repor­ter, Euro­pe Online (dpa)

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