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Nach Karlsruher Urteil: Mehr Gerechtigkeit beim Elterngeld
Der Ausschluss nicht erwerbstätiger Ausländer mit humanitärer Aufenthaltserlaubnis vom Eltern- und Erziehungsgeld ist verfassungswidrig. Nach dem Urteil zu den Asylbewerberleistungen erteilte Karlsruhe jetzt der Bundesregierung eine neue Ohrfeige für ein diskriminierendes Gesetz.
Der Ausschluss nicht erwerbstätiger Ausländer mit humanitärer Aufenthaltserlaubnis vom Eltern- und Erziehungsgeld ist verfassungswidrig. Mit diesem Urteil erweiterten die Richter das „Sündenregister“ der Bundesregierung und bemängelten an den bestehenden Regelungen: Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Verstoß gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen Diskriminierung.
Bisherige Regelung
Bislang gilt: Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz ist der Anspruch von Ausländern mit humanitärer Aufenthaltserlaubnis davon abhängig, dass sich die Betroffenen seit mindestens drei Jahren in Deutschland aufhalten, rechtmäßig erwerbstätig sind oder Arbeitslosengeld I erhalten bzw. als Arbeitende Elternzeit in Anspruch nehmen. Künftig können auch diejenigen, auf die dies nicht zutrifft, damit rechnen, dass sie Leistungen erhalten.
Die bisherige Ausschlussregelung hat Karlsruhe mit dem aktuellen Urteil gekippt. Die Richter haben vier Gründe dafür genannt:
Begründung des Urteils
1. Die Regelungen verstoßen gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), denn sie verwehren für Inhaber humanitärer Aufenthaltstitel, die die oben genannten Kriterien nicht erfüllen, eine Leistung, die andere Eltern mit identischem Aufenthaltstitel erhalten.
2. Zwar sei es gesetzgeberisch legitim, Erziehungs- oder Elterngeld nur denjenigen zu gewähren, die sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten. Aus dem Besitz eines humanitären Aufenthaltstitels allein lasse sich jedoch nicht schließen, dass die Betroffenen keine dauerhafte Aufenthaltsperspektive in Deutschland haben. Auch die im Gesetz genannten Merkmale der Arbeitsmarktintegration seien keine Anhaltspunkte für eine solche Prognose.
3. Wenn das Gesetz eine Erwerbstätigkeit in den ersten Lebensmonaten eines Kindes faktisch verlangt, steht dies im Widerspruch zum gesetzgeberischen Ziel, Eltern durch das Elterngeld die Möglichkeit zu geben, sich der Betreuung der Kinder ohne finanzielle Not widmen zu können.
4. Die bisherigen Regelungen beinhalten zudem eine geschlechtsbezogene Benachteiligung, die nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verboten ist. Die arbeitsmarktbezogenen Voraussetzungen können Frauen schwerer erfüllen. So stehen sie in den ersten Wochen nach der Geburt dem Arbeitsmarkt nicht zu Verfügung.
Bezug auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Bereits bei der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz war vor Monaten deutlich geworden, dass das Gericht die Leichtfertigkeit, mit der der Gesetzgeber von bestimmten Aufenthaltstiteln auf die (Nicht-) Dauerhaftigkeit des Aufenthaltes schließt, kritisch sieht. Erfreulicherweise bezieht sich Karlsruhe sowohl auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch auf die politische Realität, wenn es in seiner Entscheidung deutlich macht, dass sich die formale Art eines Aufenthaltstitels allein nicht als Grundlage einer Prognose über die Aufenthaltsdauer eignet.
Zur Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
AsylbLG verfassungswidrig! (18.07.12)