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Ludwigslust: Journalismus gegen subtile Ressentiments

Rechte Scharfmacher machen mobil gegen Flüchtlinge und Migrant_innen, "besorgte Bürger" protestieren gegen Unterkünfte für Asylsuchende. Aber vielerorts gibt es Menschen, die rassistische und rechtsextremistische Hetze bekämpfen und Flüchtlinge unterstützen. Teil 3 unserer News-Serie über gelebte Willkommenskultur.
Im Sommer 2012 führte das Projekt Produktive Unruhe der Universität Bielefeld in Kooperation mit dem Projekt Lola für Lulu, einem Projekt der Amadeu Antonio Stiftung für eine gendersensible Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, in Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern) eine Befragung zum Zusammenleben in der Stadt durch. Eines der überraschendsten Ergebnisse war, dass 46 Prozent der Bevölkerung der Ansicht sind, es gebe in Ludwigslust „Probleme zwischen Deutschen und Ausländern“.
Diese Ansicht überrascht vor allem, weil in Ludwigslust nur etwa 3,7 Prozent der Bevölkerung statistisch gesehen Migrantinnen und Migranten und im Stadtbild kaum sichtbar sind. Sollte es sich bei den Problemen der Einwohnerinnen und Einwohner um Konflikte mit den drei, vier migrantischen Gewerbetreibenden handeln? In Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern wurde deutlich, dass sich die Konflikte vermutlich vor allem auf die Flüchtlinge beziehen, die in der im Winter 2010 wiedereröffneten „Gemeinschaftsunterkunft“ am Stadtrand untergebracht sind.
Ressentiments die Grundlage nehmen
Das Flüchtlingsheim hat eine Kapazität für etwa 260 Personen, viele von ihnen sind Familien aus Afghanistan oder Tschetschenien. Offene Anfeindungen gegenüber den Flüchtlingen gibt es nicht. Die Ressentiments und Vorurteile äußern sich eher subtil: in Gerüchten über „Schulgeld“, das die Flüchtlingsfamilien für ihre Kinder erhalten, aber nicht für sie ausgeben, oder in erhöhten Anmeldezahlen an der anderen Grundschule, in der keine Flüchtlingskinder eingeschult werden.
Gleichzeitig gibt es von Seiten der Stadt- und Landkreisverwaltung für die Einwohnerinnen und Einwohner keine Informationsbroschüren oder ‑veranstaltungen über die neuen Nachbarinnen und Nachbarn – dafür aber eine breit angelegte Hetzkampagne des Landesverbandes der NPD in Mecklenburg-Vorpommern gegen Flüchtlinge. Diese trägt sicher – auch wenn die Menschen in Ludwigslust größtenteils der NPD ablehnend gegenüber stehen – dazu bei, den Gerüchten Nahrung zu geben.
Welche Zeitung wird gelesen?
In der Befragung zum Zusammenleben wurde auch gefragt, aus welchen Medien die Bürgerinnen und Bürger ihre Informationen beziehen. 65 Prozent benannten den kostenlosen, monatlichen Stadtanzeiger, das Amtsblatt von Ludwigslust, als wichtige Informationsquelle. Das Amtsblatt veröffentlicht neben offiziellen Verlautbarungen auch Informationen von Vereinen und Veranstaltungen, die in der Tageszeitung kaum noch zu finden sind – umso wichtiger ist der Stadtanzeiger.
„Lola für Lulu“ und das Projekt „Produktive Unruhe“ hatten daher die Idee, dieses kostenlose Medium zu nutzen, um das „Informationsloch“ zum Thema Flüchtlinge zu schließen – nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch bei der Verwaltung.
Über Flüchtlinge informieren
Konkret wurde der Redaktion des Stadtanzeigers eine Artikelserie zum Thema Asyl in Ludwigslust vorgeschlagen. In zehn Artikeln, verteilt über einen Zeitraum von fast einem Jahr, sollen nun die Leserinnen und Leser Antworten auf ihre Fragen zum Thema Asylsuchende erhalten, wie etwa „Wie leben sie?“, „Dürfen Asylbewerberinnen und Asylbewerber arbeiten?“ oder „Wie viel Geld erhalten sie?“
In den Artikeln kommen aber auch die Geflüchteten selbst zu Wort, ihre Geschichten, Träume und Hoffnungen. So wird versucht, Gerüchten mit Sachinformationen zu begegnen, in der Hoffnung dass die neuen Einwohner/innen in Zukunft auf mehr Verständnis und Offenheit stoßen. Eine Idee, die Nachahmer sucht, denn die Artikel mit ihren bereits aufgearbeiteten Informationen können in ihrer Grundform leicht von anderen Gemeinden, Initiativen oder Einzelpersonen aufgegriffen werden.
Gabi Jaschke
Den Text haben wir der von PRO ASYL und der Amadeu-Antonio-Stiftung gemeinsam herausgegebenen Broschüre Refugees Welcome – Gemeinsam Willkommenskultur gestalten entnommen.
Gemeinsam gegen Rassismus!
PRO ASYL ruft dazu auf, rassistischen Vorurteilen entschieden zu widersprechen, Flüchtlinge willkommen zu heißen und sich rechten Hetzern in den Weg zu stellen.
Bitte informieren Sie sich unter folgenden Links:
Gemeinsam gegen Rassismus! (20.03.14)
Willkommenskultur selber machen! (05.03.14)
Neue Broschüre klärt über rechte Hetze auf (04.03.14)
Neue Broschüre: Fakten und Argumente gegen Vorurteile (04.03.14)