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Jetzt kommt der Winter, dann kommt der Tod
Aufgrund mangelnder Finanzierung musste das UN World Food Programme (WFP) vorgestern die lebensrettende Hilfe für 1,7 Flüchtlinge einstellen. Der Winter könnte die humanitären Katastrophe für Schutzsuchende aus dem Irak und Syrien weiter verschärfen. Bei uns in der Beratung melden sich immer mehr Menschen, die um ihre Angehörigen bangen und sie zu sich holen möchten. Doch das scheitert in der Regel an einer sehr restriktiven Visa-Vergabe.
Die Lage der Menschen, die vor dem Krieg in Syrien und im Irak auf der Flucht sind, spitzt sich immer weiter zu. Die Erstaufnahmestaaten Libanon, Jordanien, die Türkei sowie die Region Nordirak haben inzwischen über 3,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen und erklären regelmäßig, dass sie die Grenze ihrer Aufnahmekapazität erreicht haben. Die Flüchtlinge leben in den Erstaufnahmestaaten unter schwierigen bis katastrophalen Bedingungen.
Mit dem Wintereinbruch wird die Situation von Millionen Flüchtlingen aus dem Irak und Syrien lebensbedrohlich. Im Nordirak leben hunderttausende Menschen, die vor der Terrormiliz Islamischer Staat geflohen sind, in Notbehausungen und Zelten. „Es fehlt den Menschen einfach an allem. Die Verhältnisse sind wirklich ganz verheerend. Es ist kalt und es gibt kaum Heizmöglichkeiten“, erklärt UNICEF-Sprecherin Freya von Groote. Für mehr als drei Millionen syrische Flüchtlinge in Jordanien, der Türkei und dem Libanon wird der Winter ebenfalls hart. Entwicklungsminister Müller warnte bereits im Oktober: „Jetzt regnet es, dann kommt der Winter, dann kommt der Tod“.
Welternährungsprogramm stellt Lebensmittelhilfe für Flüchtling ein
Da zugesagte Hilfszahlungen der Staatengemeinschaft ausblieben, meldete das UN World Food Programme (WFP), dass es die lebensrettende Hilfe mit Nahrungsmittelgutscheinen für 1,7 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens einstellen muss. „Für viele Familien, die ohnehin unter dem harschen Winter leiden, wird die ausbleibende Hilfe drastische Konsequenzen haben“, warnt WFP-Exekutivdirektorin Ertharin Cousin. Allein für den Monat Dezember benötigt das WFP 64 Millionen US-Dollar für sein Notprogramm. Der UN-Flüchtlingskommissar, António Guterres, rief daher die internationale Gemeinschaft dazu auf, mit weiteren Hilfszahlungen das Gutscheinsystem des WFP am Leben zu erhalten.
Doch selbst wenn das Geld kommt: Nothilfe allein wird nicht reichen. Der Libanon – hier ist mittlerweile jeder fünfte Bewohner ein Flüchtling – hatte im Oktober noch einmal eindringlich dazu aufgerufen, nicht nur Geld zu geben, sondern auch Flüchtlinge aufzunehmen. Der libanesische Ministerpräsident Tammam Salam hatte erklärt, sein Land sei am Ende seiner Kräfte.
Geld allein reicht nicht
In Deutschland leben zahlreiche Angehörige von Menschen, die in den Erstaufnahmestaaten in Flüchtlingslagern festsitzen, z.B. in Deutschland lebende Yeziden, Kurden und irakische Christen, die um das Leben ihrer Angehörigen bangen und auf eine Aufnahmemöglichkeit für sie in Deutschland hoffen. Während die meisten EU-Länder überhaupt keine Aufnahme zulassen, hat Deutschland immerhin für 20.000 syrische Flüchtlinge Aufnahmen zugesagt. Dem standen jedoch bereits vor der jüngsten Massenflucht vor dem IS-Terror 76.000 Anträge für Angehörige von in Deutschland lebenden Syrerinnen und Syrern gegenüber, das Kontingent ist längst erschöpft. Für irakische Flüchtlinge gibt es auch in Deutschland bislang keine Programme.
Bundeskanzlerin Merkel hatte bereits Anfang September in einer Regierungserklärung die Bereitschaft erklärt, auch durch die zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen zu helfen. Doch ein neues Aufnahmeprogramm bleibt bisher aus. Dabei liegen praktikable Vorschläge bereits vor. Die Bremer Bürgerschaft will etwa, dass in Bremen lebenden Iraker und Syrer ihre Angehörigen, die vor dem IS-Terror in Irak und Syrien fliehen mussten, zu sich in Sicherheit bringen können. Dabei würden sie wenn nötig auch finanziell unterstützt. Allein die Zustimmung des Bundes fehlt, damit dies Realität werden kann.
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