12.10.2024
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Eines der neuen italienischen Lager in Albanien. Foto: privat

Italien hat in Albanien zwei Haftzentren eröffnen. In Kürze sollen dort bis zu 3.000 Asylsuchende gleichzeitig zur Durchführung von Asylverfahren festgehalten werden. Pauschale Inhaftierungen und mangelnder Rechtsschutz sind schon jetzt absehbar. PRO ASYL kritisiert den Deal und lehnt die Auslagerung von Flüchtlingsschutz grundsätzlich ab.

UPDATE: Ein ers­tes ita­lie­ni­sches Mari­ne­schiff mit 16 Asyl­su­chen­den ist am 16.10. in Alba­ni­en ange­lan­det. Nur einen Tag spä­ter muss­te Ita­li­en vier der Asyl­su­chen­den nach Ita­li­en ein­rei­sen las­sen, da sie ent­we­der min­der­jäh­rig sind oder gesund­heit­li­che Pro­ble­me haben. Nach einem Gerichts­ur­teil aus Rom muss­ten am 19.10. auch die ver­blei­ben­den 12 Asyl­su­chen­den nach Ita­li­en gebracht werden.

Ita­li­en plant, extra­ter­ri­to­ria­le Asyl­ver­fah­ren in dem Nicht-EU-Staat Alba­ni­en durch­zu­füh­ren. Hier­für wur­den am 11. Okto­ber 2024 zwei Haft­zen­tren eröff­net. Kon­kret bedeu­tet das: Tau­sen­de Men­schen, die in Euro­pa Schutz suchen und von der ita­lie­ni­schen Mari­ne oder Küs­ten­wa­che in inter­na­tio­na­len Gewäs­sern auf­ge­grif­fen wer­den, sol­len in den nächs­ten fünf Jah­ren nach Alba­ni­en gebracht wer­den, um ihre Asyl­ver­fah­ren dort in Haft­zen­tren zu durch­lau­fen. Eine ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung haben die ita­lie­ni­sche Minis­ter­prä­si­den­tin Gior­gia Melo­ni und ihr alba­ni­scher Amts­kol­le­ge Edi Rama im Novem­ber 2023 unterzeichnet.

Mit die­sem Kon­strukt möch­te die ita­lie­ni­sche Regie­rung euro­päi­sches Recht umge­hen – denn die EU-Asyl­ver­fah­rens­richt­li­ne gilt erst bei Anträ­gen an der Gren­ze, in Tran­sit­zo­nen oder in Hoheits­ge­wäs­sern – nicht aber in inter­na­tio­na­len Gewäs­sern. Damit ver­stößt Ita­li­en gegen euro­päi­sches Recht, das kei­ne extra­ter­ri­to­ria­len Asyl­ver­fah­ren vor­sieht. Die post­fa­schis­ti­sche Regie­rung ver­spricht sich von dem Pro­jekt einen Abschre­ckungs­ef­fekt, der jedoch bei bis­he­ri­gen Exter­na­li­sie­rungs­mo­del­len nicht nach­ge­wie­sen wer­den konnte.

Menschen schützen statt Asylverfahren auslagern 

Wie vie­le wei­te­re Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen lehnt PRO ASYL die Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren grund­sätz­lich ab. Denn sol­che Kon­zep­te zur Exter­na­li­sie­rung des Flücht­lings­schut­zes an Tran­sit- oder Dritt­staa­ten sind häu­fig rechts­wid­rig, funk­tio­nie­ren prak­tisch nicht und füh­ren schon jetzt zu gra­vie­ren­den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, wie bei­spiels­wei­se der EU-Tür­kei-Deal gezeigt hat. Zudem sind sol­che Model­le kei­ne Lösung für die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen, son­dern schaf­fen neue Pro­ble­me wie mas­si­ve poli­ti­sche, finan­zi­el­le und admi­nis­tra­ti­ve Kosten.

Es ist abseh­bar, dass auch das Ita­li­en-Alba­ni­en-Modell zu Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wie pau­scha­len Inhaf­tie­run­gen und man­geln­der Rechts­si­cher­heit füh­ren wird.

Es ist abseh­bar, dass auch das Ita­li­en-Alba­ni­en-Modell zu Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wie pau­scha­len Inhaf­tie­run­gen und man­geln­der Rechts­si­cher­heit füh­ren wird. Das Recht auf ein fai­res Asyl­ver­fah­ren kann unter die­sen Bedin­gun­gen nicht gewahrt wer­den, wes­halb die Bun­des­re­gie­rung Rufen nach ähn­li­chen Model­len für Deutsch­land eine kla­re Absa­ge ertei­len sollte.

Italien-Albanien-Modell: Inhaftierung und beschleunigte Asylverfahren

Geplant ist, dass Asyl­su­chen­de aus 22 Län­dern, die Ita­li­en zu »siche­ren Her­kunfts­staa­ten« erklärt hat – dar­un­ter Ban­gla­desch, Gam­bia, Kame­run, Geor­gi­en und die Maghreb-Staa­ten – nach Alba­ni­en gebracht wer­den. Dort sol­len sie in alba­ni­schen Haft­zen­tren, die von ita­lie­ni­schen Behör­den betrie­ben wer­den, beschleu­nig­te Grenz­ver­fah­ren nach ita­lie­ni­schem Recht durch­lau­fen. Bis zu 3.000 Per­so­nen sol­len gleich­zei­tig für eine Dau­er von maxi­mal 28 Tagen inhaf­tiert wer­den kön­nen. Zukünf­tig könn­ten also bis zu 36.000 Asyl­an­trä­ge pro Jahr durch Ita­li­en in Alba­ni­en bear­bei­tet werden.

Wer im Asyl­ver­fah­ren aner­kannt wird, soll nach Ita­li­en ein­rei­sen dür­fen. Bei einem nega­ti­ven Asyl­be­scheid ist Ita­li­en dafür zustän­dig, dass die Men­schen aus Alba­ni­en in ihre Her­kunfts­län­der abge­scho­ben wer­den. War­um dies aus Alba­ni­en plötz­lich bes­ser funk­tio­nie­ren soll­te, als der­zeit aus Ita­li­en, bleibt jedoch unklar. Es ist des­halb mit einer län­ge­ren Haft­dau­er zu rech­nen, ins­be­son­de­re für abge­lehn­te Asyl­su­chen­de, deren Her­kunfts­län­der sich wei­gern, die­se zurückzunehmen.

Haft nur als letztes Mittel – Rechtskämpfe zu erwarten

Men­schen für die Dau­er von Grenz­ver­fah­ren de fac­to zu inhaf­tie­ren, allein, weil sie einen Asyl­an­trag gestellt haben, über das Mit­tel­meer geflo­hen sind und ver­meint­lich oder tat­säch­lich einer bestimm­ten Staats­an­ge­hö­rig­keit ange­hö­ren, wür­de eine pau­scha­le Inhaf­tie­rung dar­stel­len, die dem in der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ver­brief­ten Recht auf Frei­heit widerspricht.

Eigent­lich braucht es für die Inhaft­nah­me jeder ein­zel­nen, nach Alba­ni­en über­stell­ten Per­son einen rich­ter­li­chen Bescheid. Denn wenn weder eine ordent­li­che Ein­zel­fall- noch Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung statt­fin­det, wer­den rechts­staat­li­che Grund­sät­ze ver­letzt. Es ist höchst frag­lich, inwie­weit bei dem Ita­li­en-Alba­ni­en-Deal eine sorg­fäl­ti­ge indi­vi­du­el­le Begrün­dung von Haft in der Pra­xis mög­lich sein wird, fußt das Modell doch auf der Annah­me der pau­scha­len Inhaf­tie­rung von Asyl­su­chen­den, ohne die es nicht funk­tio­nie­ren wür­de. Anwält*innen in Ita­li­en berei­ten sich des­halb bereits dar­auf vor, mit recht­li­chen Mit­teln gegen die zu erwar­ten­de Inhaf­tie­rung von Schutz­su­chen­den vorzugehen.

Eini­ge Erfah­run­gen wur­den bereits bei den Grenz­ver­fah­ren in dem Hot­spot Por­to Empe­do­cle in Sizi­li­en gesam­melt, die als Test­lauf für das Alba­ni­en-Modell gel­ten. Asyl­su­chen­de aus »siche­ren Her­kunfts­staa­ten« sol­len in der dor­ti­gen Abschie­be­haft­an­stalt beschleu­nig­te Ver­fah­ren durch­lau­fen, doch Gerich­te erklär­ten in den letz­ten Mona­ten 64 von 74 der vom Poli­zei­prä­si­di­um aus­ge­stell­ten Anord­nun­gen zur Inhaft­nah­me für unrecht­mä­ßig.

Auch in ita­lie­ni­schen Haft­an­stal­ten wie den soge­nann­ten »Cen­tri di Per­ma­nenza per il Rim­pa­trio« (CPR), in denen die Lebens­be­din­gun­gen inter­na­tio­na­len Stan­dards wider­spre­chen, wer­den bereits heu­te Migrant*innen rechts­wid­rig ihrer Frei­heit beraubt.

Ankunft in der Hafenstadt Shëngjin: Verzögerung von Rettungsaktionen 

Die Umset­zung der Plä­ne des Ita­li­en-Alba­ni­en-Deals muss­te bereits mehr­fach ver­scho­ben wer­den, zuletzt auf frü­hes­tens Novem­ber 2024. Geplant sind Haft­ein­rich­tun­gen in der alba­ni­schen Hafen­stadt Shëng­jin und in dem nord­al­ba­ni­schen Ort Gja­dër. Das Erst­auf­nah­me­la­ger in Shëng­jin ist inzwi­schen fer­tig: Das 4.000 Qua­drat­me­ter gro­ße Gelän­de ist von vier Meter hohen Mau­ern umge­ben. Dort sol­len Men­schen iden­ti­fi­ziert und regis­triert wer­den und eine ers­te Gesund­heits­un­ter­su­chung erhalten.

Der Hafen ist fast 1.000 Kilo­me­ter vom zen­tra­len Mit­tel­meer ent­fernt, eine Stre­cke, die eine Fahrt­zeit von zwei bis drei Tagen bedeu­ten könn­te. Es ist unver­ant­wort­lich, dass das Ita­li­en-Alba­ni­en-Modell vor­sieht, die Anlan­dung von Über­le­ben­den, die nach Tagen auf See oft­mals in einem sehr schlech­ten gesund­heit­li­chen und psy­chi­schen Zustand sind, zu ver­zö­gern. Damit wird eine wei­te­re Gefähr­dung für die Men­schen wil­lent­lich in Kauf genom­men. Nach inter­na­tio­na­lem See­recht ist für geret­te­te Per­so­nen eigent­lich der nächs­te siche­re Hafen zuständig.

Zudem könn­te das Abkom­men nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf das gesam­te Such- und Ret­tungs­sys­tem haben, wenn etwa die ita­lie­ni­sche Koor­di­nie­rungs­stel­le für See­not­ret­tung unter Druck gesetzt wür­de, sicher­zu­stel­len, dass bestimm­te Per­so­nen­grup­pen von staat­li­chen Schif­fen geret­tet oder abge­fan­gen wer­den, um sie nach Alba­ni­en zu überstellen.

800 Mio

€ sol­len die Lager ins­ge­samt die kom­men­den 5 Jah­re kosten

Schnellverfahren in Haft auf ehemaligem Militärgelände in Gjadër

Der zwei­te Stand­ort ist ein Con­tai­ner-Lager auf einem ehe­ma­li­gen Mili­tär­ge­län­de in dem zwan­zig Kilo­me­ter land­ein­wärts gele­ge­nen nord­al­ba­ni­schen Gja­dër. Hier soll es drei Ein­rich­tun­gen geben: Ein geschlos­se­nes Zen­trum für Men­schen im beschleu­nig­ten Grenz­ver­fah­ren (880 Plät­ze), eine Abschie­be­haft­an­stalt (144 Plät­ze) und eine Straf­voll­zugs­an­stalt (20 Plätze).

Damit Asyl­su­chen­de dort Schnell­ver­fah­ren durch­lau­fen kön­nen, gilt für das Are­al eine Rege­lung, die es Grenz­ge­bie­ten oder Tran­sit­zo­nen an Flug­hä­fen gleich­stellt. Die Asyl­ver­fah­ren fin­den also unter der Fik­ti­on der Nicht-Ein­rei­se statt – ein recht­li­ches Kon­strukt, das bedeu­tet, dass die Men­schen nicht als in Alba­ni­en ein­ge­reist gel­ten, was die Inhaft­nah­me erleichtert.

Für die Umset­zung des Deals hat die ita­lie­ni­sche Regie­rung für die kom­men­den fünf Jah­re rund 800 Mil­lio­nen Euro ein­ge­plant – für den Bau der Lager, das alba­ni­sche Per­so­nal zur Über­wa­chung der Lager und die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Schutz­su­chen­den vor Ort. Die Gesamt­aus­ga­ben könn­ten jedoch Pro­gno­sen zufol­ge 1 Mil­li­ar­de Euro übersteigen.

Kein wirksamer Rechtsschutz unter de facto Haftbedingungen

Das Recht auf ein fai­res Asyl­ver­fah­ren kann unter de fac­to Haft-Bedin­gun­gen nicht gewahrt wer­den. Denn es ist abseh­bar, dass der Zugang zu wirk­sa­men Rechts­schutz bei dem Ita­li­en-Alba­ni­en-Modell stark ein­ge­schränkt wird: Bereits auf­grund der räum­li­chen Ent­fer­nung wird die Man­da­tie­rung und Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Rechtsanwält*innen logis­tisch erheb­lich erschwert.

Das Recht auf ein fai­res Asyl­ver­fah­ren kann unter de fac­to Haft-Bedin­gun­gen nicht gewahrt werden.

Wäh­rend Asyl­su­chen­de ein­ge­sperrt und von der Außen­welt iso­liert wer­den, dürf­te es nur den wenigs­ten Anwält*innen mög­lich sein, regel­mä­ßig per­sön­lich anzu­rei­sen. Doch per­sön­li­che Tref­fen sind unab­ding­bar: Bera­tun­gen und Anhö­run­gen per Video­schal­te brin­gen vie­le Ein­schrän­kun­gen mit sich, die eine ver­trau­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on erschweren.

Inwie­weit Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen Zugang zu den Zen­tren erhal­ten wer­den, wird sich erst zei­gen müs­sen. Der Hohe Flücht­lings­kom­mis­sar der Ver­ein­ten Natio­nen (UNHCR), der dem Abkom­men sehr kri­tisch gegen­über­steht, wird die Umset­zung in den ers­ten drei Mona­te des Deals über­wa­chen.

Feststellung von besonderer Schutzbedürftigkeit auf offener See?!

Ita­lie­ni­sche Behör­den haben erklärt, dass beson­ders vul­nerable und schutz­be­dürf­ti­ge Per­so­nen wie etwa schwan­ge­re Frau­en, Kin­der oder ande­re gefähr­de­te Per­so­nen, nicht in das süd­ost­eu­ro­päi­sche Land geschickt wer­den (aller­dings sind abwei­chend davon sind in der Aus­schrei­bung der Prä­fek­tur Rom für die Ver­wal­tung der Zen­tren vul­nerable Per­so­nen­grup­pen enthalten).

Doch es ist nicht vor­stell­bar, wie zum Bei­spiel Men­schen mit Behin­de­rung, Über­le­ben­de von Fol­ter, Opfer von Men­schen­han­del oder unbe­glei­te­te min­der­jäh­ri­ge Flücht­lin­ge nach ihrer See­not­ret­tung noch an Bord der Schif­fe zuver­läs­sig iden­ti­fi­ziert wer­den kön­nen. Auch Alters­fest­stel­lun­gen oder die Fest­stel­lung der Staats­an­ge­hö­rig­kei­ten dürf­ten schwie­rig wer­den, da vie­le Geflüch­te­te kei­ne Papie­re bei sich haben. Zudem besteht, wenn bestimm­te Per­so­nen für Schnell­ver­fah­ren aus­ge­wählt wer­den, die Gefahr der unrecht­mä­ßi­gen Familientrennung.

Bei dem aktu­el­len Über­bie­tungs­wett­be­werb men­schen­feind­li­cher Ideen zur deut­schen Migra­ti­ons­po­li­tik domi­niert seit Mona­ten die For­de­rung nach einer Abwehr von Schutz­su­chen­den. Neben rechts­wid­ri­gen und men­schen­ver­ach­ten­den For­de­run­gen wie Zurück­wei­sun­gen von Asyl­su­chen­den direkt an den Gren­zen und der Strei­chung von Sozi­al­leis­tun­gen für bestimm­te Per­so­nen­grup­pen wird auch die Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren in Nicht-EU-Staa­ten von eini­gen Politiker*innen immer wie­der als Instru­ment prä­sen­tiert, um Geflüch­te­te davon abzu­hal­ten, Schutz in der EU zu suchen.

Im Juni 2024 haben die Län­der vom Bund gefor­dert, bis zur Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz im Dezem­ber 2024 kon­kre­te Model­le zur Durch­füh­rung von Asyl­ver­fah­ren außer­halb von Deutsch­land, in Tran­sit- und Dritt­staa­ten, zu ent­wi­ckeln. Dafür soll­ten auch mög­li­che Ände­run­gen in EU-Regu­lie­run­gen und im natio­na­len Asyl­recht ange­gan­gen werden.

Dabei hat­te das Prüf­ver­fah­ren der Bun­des­re­gie­rung etwas ganz ande­res erge­ben: In den Sach­ver­stän­di­gen­an­hö­run­gen des Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern und für Hei­mat (BMI) mach­te eine Mehr­heit der Expert*innen deut­lich, dass eine Aus­la­ge­rung des Flücht­lings­schut­zes weder ziel­füh­rend noch rea­lis­tisch umsetz­bar ist, sowohl aus recht­li­chen als auch aus prak­ti­schen Grün­den. Auch PRO ASYL hat­te sich in einer Stel­lung­nah­me klar gegen die Aus­la­ge­rung von Asyl­ver­fah­ren aus­ge­spro­chen und gemein­sam mit über 300 Orga­ni­sa­tio­nen gefor­dert, Men­schen zu schüt­zen, statt Asyl­ver­fah­ren aus­zu­la­gern.

Das hielt Joa­chim Stamp (FDP), Son­der­be­voll­mäch­tig­ter der Bun­des­re­gie­rung für Migra­ti­ons­ab­kom­men, jedoch nicht davon ab, Anfang Sep­tem­ber vor­zu­schla­gen, man kön­ne die Ver­fah­ren von Men­schen, die über Russ­land und Bela­rus kämen, nach Ruan­da aus­la­gern – dabei könn­ten die ursprüng­lich für Groß­bri­tan­ni­en vor­be­rei­te­ten Kapa­zi­tä­ten genutzt werden.

Mit der Abwahl der Tories in Groß­bri­tan­ni­en und der neu­en Regie­rungs­bil­dung durch die Labour Par­tei im Juli 2024 war der hef­tig kri­ti­sier­te UK-Ruan­da-Deal zwar schließ­lich ver­wor­fen wor­den. Doch im Sep­tem­ber zeig­te sich die neue bri­ti­sche Regie­rung »inter­es­siert« an Ita­li­ens Ansatz, einen Teil der Asyl­ver­fah­ren nach Alba­ni­en zu ver­la­gern. Der alba­ni­sche Pre­mier­mi­nis­ter Edi Rama erklär­te dar­auf­hin, der Deal mit Ita­li­en sei eine ein­ma­li­ge Ange­le­gen­heit.

Italien-Albanien-Deal: Kein Modell für Deutschland

Für Deutsch­land wür­de der Ver­such einer Nach­ah­mung des ita­lie­nisch-alba­ni­schen Modells bedeu­ten, dass Deutsch­land Schutz­su­chen­de eben­falls vor Ankunft in der Euro­päi­schen Uni­on auf­grei­fen müss­te, um aus­zu­schlie­ßen, dass euro­päi­sches Recht anwend­bar wird. Denn das EU-Asyl­recht sieht kei­ne Durch­füh­rung von deut­schen bezie­hungs­wei­se euro­päi­schen Asyl­ver­fah­ren außer­halb der EU vor.

Ange­sichts bestehen­der Flucht­rou­ten wäre dies nur mög­lich, wenn Deutsch­land in den inter­na­tio­na­len Gewäs­sern des Mit­tel­mee­res patrouil­lie­ren wür­de. Damit wür­de Deutsch­land die Asyl­ver­fah­ren von Men­schen durch­füh­ren, die womög­lich nie einen Asyl­an­trag in Deutsch­land gestellt hät­ten – was dem selbst­ge­steck­ten Ziel von weni­ger Flücht­lin­gen in Deutsch­land widerspricht.

Zudem wür­den sich zahl­rei­che wei­te­re recht­li­che und prak­ti­sche Fra­gen stel­len, die abseh­bar nicht ohne Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wie unfai­re Ver­fah­ren und unrecht­mä­ßi­ge Inhaf­tie­run­gen zu beant­wor­ten sind. Nicht zuletzt wäre auch der Kos­ten- und Ver­wal­tungs­auf­wand enorm.

Milliardenschwerer Deal: Blaupause für die Europäische Union?

Die ita­lie­ni­sche Minis­ter­prä­si­den­tin Gior­gia Melo­ni bewirbt das Ita­li­en-Alba­ni­en-Modell noch vor sei­ner Umset­zung als Blau­pau­se für ande­re EU-Staa­ten. Im Mai 2024 ver­öf­fent­lich­ten 15 EU-Mit­glied­staa­ten einen Auf­ruf an die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on, in dem sie eine wei­te­re Aus­la­ge­rung der Migra­ti­ons- und Asyl­po­li­tik for­dern, ähn­lich zu dem ita­lie­ni­schen Modell. Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser (SPD) erklär­te noch im Mai 2024 ihr Inter­es­se am Italien-Albanien-Modell.

Mit dem Alba­ni­en-Modell umgeht die ita­lie­ni­sche Regie­rung bewusst EU-Recht und unter­läuft die jüngst beschlos­se­ne GEAS-Reform.

Mit dem Alba­ni­en-Modell umgeht die ita­lie­ni­sche Regie­rung bewusst EU-Recht und unter­läuft die jüngst beschlos­se­ne GEAS-Reform. Die Kom­mis­si­on hat sich bis­her nicht gegen den Deal posi­tio­niert und nur ver­lau­ten las­sen, die­ser lie­ge »außer­halb« des EU-Rechts. Wäh­rend­des­sen lob­te Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en Ita­li­en für sein »out-of-the-box«-Den­ken.

Par­al­lel zu den Vor­be­rei­tun­gen zur Umset­zung des Ita­li­en-Alba­ni­en-Modells hat Ita­li­en die Zusam­men­ar­beit mit liby­schen Mili­zen aus­ge­baut und ein schmut­zi­ges Abkom­men mit Tune­si­en geschlos­sen, wo von der EU finan­zier­te Sicher­heits­kräf­te Schutz­su­chen­de mitt­ler­wei­le sys­te­ma­tisch in der Wüs­te aus­set­zen. Der gemein­sa­me Nen­ner all die­ser Deals: Flüchtlingsabwehr.

(hk)