09.10.2014
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Die EU-Innenminister treffen sich derzeit in Luxemburg. Die zentralen Themen: Bootsflüchtlinge im Mittelmeer und die Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Foto: flickr / UNHCR

Heute treffen sich die EU-Innenminister in Luxemburg. Dabei wird über die EU-Flüchtlingspolitik beraten. Mehrere interne EU-Papiere, die hier verlinkt sind, lassen fürchten: Die Seenotrettung wird zurückgefahren, die Grenzabschottung wird ausgebaut.

Bera­ten wird ein soge­nann­tes „Non Paper“ der ita­lie­ni­schen Rats­prä­si­dent­schaft. Auch der deut­sche Innen­mi­nis­ter leg­te ein Posi­ti­ons­pa­pier vor. Die zen­tra­len The­men: Boots­flücht­lin­ge im Mit­tel­meer und die Ver­tei­lung von Flücht­lin­gen in der EU. De Mai­ziè­res Vor­schlag und auch das ita­lie­ni­sche „Non Paper“ sind beseelt von einer Stoß­rich­tung: Mehr Abwehr, Ver­la­ge­rung der Grenz­kon­trol­len in Dritt­staa­ten, Bekämp­fung der kom­mer­zi­el­len Flucht­hil­fe und de fac­to eine Redu­zie­rung der See­not­ret­tungs­ka­pa­zi­tä­ten. Auch über die Ver­tei­lung von Flücht­lin­gen in Euro­pa wird nach Medi­en­be­rich­ten beraten.

Weni­ger Seenotrettung

Trotz der ita­lie­ni­schen See­not­ret­tungs­ope­ra­ti­on „Mare Nos­trum“, die mehr als 100.000 Boots­flücht­lin­ge ret­te­te, sind in die­sem Jahr bereits mehr als 3.000 Men­schen auf dem Weg nach Euro­pa gestor­ben. Nun droht „Mare Nos­trum“ zu einer „light Ver­si­on“ zu ver­kom­men und durch eine euro­päi­sche Fron­tex-Ope­ra­ti­on „Tri­ton“ flan­kiert bzw. ersetzt zu wer­den. Wie aus einem inter­nen EU-Papier her­vor­geht, soll dann das Ret­tungs­ge­biet dras­tisch ver­klei­nert wer­den. Tri­ton soll ab Novem­ber bis etwa 30 See­mei­len vor der ita­lie­ni­schen Küs­te und Lam­pe­du­sa patrouillieren.

Mare Nos­trum ist dem­ge­gen­über in der Ver­gan­gen­heit bis nahe an die liby­sche Küs­te her­an­ge­fah­ren, die knapp 160 See­mei­len von Lam­pe­du­sa ent­fernt ist. Die finan­zi­el­len Mit­tel von „Tri­ton“ sind mit monat­lich 2,8 Mil­lio­nen Euro deut­lich gerin­ger als die von „Mare Nos­trum“, das rund 9 Mil­lio­nen Euro im Monat kos­tet. Auch die Auf­ga­ben­stel­lung ist eine ande­re: Wäh­rend die Fron­tex-Ope­ra­ti­on vor­ran­gig dem Grenz­schutz dient und die See­not­ret­tung nur eine Teil­auf­ga­be ist, ist „Mare Nos­trum“ eine Rettungsoperation.

Mehr Men­schen wer­den sterben

Die Fol­gen von weni­ger Geld, klei­ne­rem Ret­tungs­ge­biet und der Aus­rich­tung auf Grenz­schutz sind abseh­bar: Noch mehr Men­schen wer­den ster­ben. PRO ASYL for­dert daher in einer Peti­ti­on das Euro­pa­par­la­ment auf, dass die See­not­ret­tung sofort aus­ge­wei­tet und gesamt­eu­ro­pä­isch finan­ziert und orga­ni­siert wird. Neben der Schaf­fung eines zivi­len See­not­ret­tungs­diens­tes muss Schutz­su­chen­den in Dritt­staa­ten wie Liby­en, der Tür­kei, dem Liba­non und Ägyp­ten die lega­le Ein­rei­se ermög­licht wer­den. Nur so kann das Mas­sen­ster­ben vor Euro­pas Süd­gren­ze been­det wer­den.. Die Blau­pau­sen der künf­ti­gen euro­päi­schen Flücht­lings­po­li­tik, die die EU-Innen­mi­nis­ter dis­ku­tie­ren, sind dage­gen ein Pro­gramm zur Fort­set­zung des Mas­sen­ster­bens an Euro­pas Grenzen.

Ver­tei­lung von Flüchtlingen

Unter der irre­füh­ren­den Über­schrift „mehr Soli­da­ri­tät“ for­dern die Staa­ten im Innern der EU nun eine gerech­te­re Ver­tei­lung von Asyl­su­chen­den in Euro­pa. Die glei­chen Staa­ten, die die unmensch­li­che und unfai­re Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung (Dub­lin-Sys­tem) über ein Jahr­zehnt zum Grund­pfei­ler eines euro­päi­schen Schutz­sys­tems erklärt haben, wol­len jetzt einen ande­ren Mecha­nis­mus, um selbst weni­ger Flücht­lin­ge aufzunehmen.

Dass das Dub­lin-Sys­tem geschei­tert ist, wird nun selbst den Hard­li­nern in Ber­lin und Wien  bewusst. Aus Sicht von PRO ASYL kann die not­wen­di­ge Alter­na­ti­ve zu die­sem Sys­tem jedoch nicht ein Zwangs­ver­tei­lungs­pro­gramm von Schutz­su­chen­den in 32 euro­päi­schen Staa­ten sein. Die vor­ge­schla­ge­ne euro­pa­wei­te Ver­tei­lung nach deut­schem Modell wür­de das Leid der Flücht­lin­ge erhö­hen und ist ange­sichts eines wei­ter­hin nicht exis­tie­ren­den gemein­sa­men Asyl­sys­tems in der EU eben­falls zum Schei­tern verurteilt.

Es gibt nur einen Ansatz, der die­se inhu­ma­ne Tech­no­kra­tie und gigan­ti­sche Res­sour­cen­ver­schwen­dung been­det: In einem euro­päi­schen Sys­tem der Ver­ant­wor­tungs­tei­lung müs­sen die Schutz­in­ter­es­sen der Asyl­su­chen­den im Zen­trum ste­hen. Flücht­lin­ge soll­ten in dem Land, wo ihre Fami­li­en, ihre Com­mu­ni­ties leben, ihre Asyl­an­trä­ge stel­len kön­nen. Ein Sys­tem, das die Wahl­frei­heit für die Schutz­su­chen­den ermög­licht, ist men­schen­rechts­kon­form und effi­zi­en­ter als das tau­send­fa­che Zwangs­ver­frach­ten von Schutz­su­chen­den in Europa.

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