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Noch ein Zaun: Die ungarische Grenze zu Serbien ist mittlerweile hermetisch abgeriegelt. Foto: Reuters / Laszlo Balogh

Am 7. März verabschiedete das ungarische Parlament einem Gesetzesentwurf, der die ausnahmslose Inhaftierung von Schutzsuchenden in Ungarn festschreibt. Die Antwort aus Brüssel und Berlin muss unmissverständlich sein: Sanktionierung dieses faktischen Ausstiegs aus dem Völkerrecht und Einstellung aller Dublin-Abschiebungen nach Ungarn. Unverzüglich.

Wer Schutz sucht, wird inhaftiert

Flücht­lin­ge, die nach Ungarn gelan­gen, sol­len in den seit Sep­tem­ber 2015 bestehen­den Tran­sit­zo­nen an der ser­bisch-unga­ri­schen Gren­ze inhaf­tiert wer­den – wäh­rend der gesam­ten Dau­er ihres Asyl­ver­fah­rens, das gilt auch für unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge ab 14 Jah­ren. Selbst bereits im Land leben­de Flücht­lin­ge sol­len in Con­tai­ner­camps ent­lang der süd­li­chen Gren­zen Ungarns inter­niert wer­den, die mit Sta­chel­draht gesi­chert werden.

Die rechts­kon­ser­va­ti­ve Regie­rungs­par­tei Fidesz und die rechts­extre­me Job­bik ent­schie­den die Abstim­mung zur Geset­zes­än­de­rung für sich, das Gesetz soll in einer Woche in Kraft tre­ten. Vic­tor Orban durf­te sich in sei­ner ras­sis­ti­schen Stim­mungs­ma­che gestärkt füh­len: auf einer Zere­mo­nie zur Ein­set­zung neu­er Grenz­be­am­ter am Tag der Abstim­mung nann­te er Migra­ti­on »das tro­ja­ni­sche Pferd des Ter­ro­ris­mus«. Ungarn sei nach wie vor »unter Attacke«.

»Schrecklicher Effekt auf die physische und psychische Gesundheit« von Schutzsuchenden

UNHCR äußer­te schar­fe Kri­tik: »Das neue Gesetz ver­letzt Ungarns Ver­pflich­tun­gen nach inter­na­tio­na­lem und EU-Recht und wird einen schreck­li­chen Effekt auf die phy­si­sche und psy­cho­lo­gi­sche Gesund­heit von Frau­en, Kin­dern und Män­nern haben, die schon vor­her viel erlei­den mussten«.

Am 24. Febru­ar hat­te das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee (HHC), Pro­jekt­part­ner von PRO ASYL in Ungarn, gemein­sam mit Human Rights Watch (HRW) in einem Brand­brief an die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on vor den Geset­zes­än­de­run­gen gewarnt und an die Kom­mis­si­on appel­liert, einzugreifen.

Ange­sichts der dra­ma­ti­schen Men­schen­rechts­la­ge in Ungarn sind Dub­lin-Über­stel­lun­gen in das Land unver­züg­lich einzustellen. 

Neben der Mas­sen­in­haf­tie­rung von Schutz­su­chen­den sol­le auch die völ­ker­rechts­wid­ri­ge Zurück­wei­sungs­pra­xis (Push Backs) von in Ungarn auf­ge­grif­fe­nen Flücht­lin­gen an die ser­bi­sche Gren­ze auf das gesam­te Land aus­ge­wei­tet wer­den – bis­her galt dies für Auf­grif­fe, die maxi­mal acht Kilo­me­ter von der Gren­ze ent­fernt erfolg­ten. HHC und HRW hat­ten zahl­rei­che gewalt­sa­me Über­grif­fe und Miss­hand­lun­gen durch unga­ri­sche Grenz­be­am­te wäh­rend sol­cher Rück­füh­run­gen dokumentiert.

Kein Zugang zu Schutz

Der Zugang zu unga­ri­schem Ter­ri­to­ri­um sei durch vor­he­ri­ge Geset­zes­ver­schär­fun­gen bereits mas­siv erschwert, so die Orga­ni­sa­tio­nen. Ledig­lich über die zwei Tran­sit­zo­nen in Röszke und Trom­pa wer­den rund 25 Schutz­su­chen­de wöchent­lich ein­ge­las­sen, um ein Asyl­ge­such zu stellen.

Über 7.000 Schutz­su­chen­de har­ren daher unter kata­stro­pha­len Bedin­gun­gen in Ser­bi­en aus. Auch wem es gelingt, Zutritt zu den Tran­sit­zo­nen zu erhal­ten, fin­det in Ungarn kaum Schutz: Seit Juli 2015 erach­tet Ungarn Ser­bi­en als siche­ren Dritt­staat – wer über das süd­li­che Nach­bar­land ein­reist, des­sen Asyl­ge­such wird in der Regel als unzu­läs­sig erach­tet und nach Ser­bi­en zurück­ge­wie­sen. Nur 425 Men­schen erhiel­ten 2016 einen Schutz­sta­tus in Ungarn.

1,4%

der Flücht­lin­ge in Ungarn erhal­ten einen Schutzstatus

Sanktionen und Abschiebestopp nötig 

Ange­sichts der dra­ma­ti­schen Men­schen­rechts­la­ge und ekla­tan­ten Rechts­ver­let­zun­gen gegen Schutz­su­chen­de in Ungarn sind Dub­lin-Über­stel­lun­gen in das Land unver­züg­lich ein­zu­stel­len. Finn­land, Ita­li­en und Tsche­chi­en haben Abschie­bun­gen nach Ungarn bereits aus­ge­setzt – auch die Bun­des­re­gie­rung muss end­lich handeln.

Der von der unga­ri­schen Regie­rung pro­pa­gier­te Aus­stieg aus dem Völ­ker­recht ist zu sank­tio­nie­ren, die EU-Kom­mis­si­on muss wei­te­re Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Ungarn ein­lei­ten. Eine glaub­wür­di­ge Reak­ti­on aus Ber­lin und Brüs­sel kann dabei nur durch eine Abwen­dung von den eige­nen flücht­lings­feind­li­chen Vor­stö­ßen erfolgen.

Denn so sehr die Regie­rung in Buda­pest gegen die EU hetzt – im euro­pa­wei­ten Kli­ma der Abschot­tungs­rhe­to­rik und ras­sis­ti­schen Stim­mungs­ma­che gegen Schutz­su­chen­de muss Orban kaum mit Gegen­wind rech­nen. Die­ser muss von allen kom­men, die für ein ande­res Euro­pa kämp­fen – soli­da­risch, offen und Schutz bietend.