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Am 9. Mai brachen in der Stadt Kumanova Kämpfe aus zwischen mazedonischen Sicherheitskräften und mutmaßlichen Terroristen, über 20 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein. Foto: Perdika/Wikimedia

Nach den Kämpfen vom 9. und 10. Mai bleibt die Lage in Mazedonien brisant, mittlerweile warnen zahlreiche Beobachter vor einem Bürgerkrieg und einer Destabilisierung der Balkan-Region. Angesichts dessen muss die Bundesregierung ihr Fehlurteil, Mazedonien sei ein „sicheres Herkunftsland“, umgehend korrigieren.

„Das ist eine Lun­te, die nicht nur glimmt, son­dern bereits brennt“, zitiert die Saar­brü­cker Zei­tung den Prä­si­den­ten der deutsch-maze­do­ni­schen Gesell­schaft und frü­he­ren Staats­se­kre­tär im Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um, Wal­ter Kol­bow (SPD). Maze­do­ni­ens Pre­mier­mi­nis­ter Gruev­ski ver­su­che sich durch das Schü­ren eth­ni­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen an der Macht zu hal­ten, so der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Maze­do­ni­en-Exper­te. Aus Sicht von Bun­des­au­ßen­mi­nis­ter Frank-Walter Stein­mei­er droht gar eine Desta­bi­li­sie­rung der gesam­ten Regi­on, soll­te sich die Lage in Maze­do­ni­en nicht schnell beruhigen.

Ein­stu­fung als „siche­res Her­kunfts­land“ muss revi­diert werden

Ange­sichts der Tat­sa­che, dass die Bun­des­re­gie­rung die Insta­bi­li­tät des Lan­des nicht län­ger igno­rie­ren kann, muss sie ihre in jeder Hin­sicht unge­recht­fer­tig­te Ein­stu­fung des Staa­tes als „siche­res Her­kunfts­land“ umge­hend durch eine Rechts­ver­ord­nung revi­die­ren, wie es im § 29 a Abs. 3 Asyl­ver­fah­rens­ge­setz vor­ge­se­hen ist.

Schon bei der Ein­stu­fung des Lan­des als Siche­rer Her­kunfts­staat hat­te die Bun­des­re­gie­rung Hin­wei­se zur Insta­bi­li­tät des Lan­des aus­ge­blen­det mit dem Ziel, maze­do­ni­sche Asyl­su­chen­de nach einem Schnell­ver­fah­ren abschie­ben zu kön­nen. Die Ein­stu­fung von Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na als „siche­re Her­kunfts­län­der“ war im Bun­des­rat unter ande­rem mit Zustim­mung der Grü­nen ermög­licht wor­den, nach­dem Baden-Würt­tem­bergs Minis­ter­prä­si­dent Win­fried Kret­sch­mann für den ent­spre­chen­den Gesetz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung gestimmt hatte.

Dro­hen­de Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Konflikts

Vie­les spricht dafür, dass sich der Kon­flikt in Maze­do­ni­en wei­ter zu ver­schär­fen und zu inter­na­tio­na­li­sie­ren droht. Wie Kol­bow legen mitt­ler­wei­le meh­re­re Medi­en nahe, dass die bewaff­ne­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen vom 9. und 10. Mai 2015 mit mehr als 20 Toten in der Stadt Kuma­no­vo eine von der Regie­rung insze­nier­te Akti­on gewe­sen sein könn­ten – Kol­bow selbst spricht vom „Ver­such, einen klei­nen Krieg anzu­zet­teln, um von der Kor­rup­ti­on im eige­nen Bereich abzulenken“.

Seit Wochen demons­trie­ren Tau­sen­de Bür­ger und Bür­ge­rin­nen für den Rück­tritt der Maze­do­ni­schen Regie­rung, der Kor­rup­ti­on vor­ge­wor­fen wird, ein auto­ri­tä­rer und unde­mo­kra­ti­scher Regie­rungs­stil sowie eine ille­ga­le Mas­sen­ab­hör­ak­ti­on.  Im Nach­gang der bewaff­ne­ten Aus­ein­an­der­set­zung in Kuma­no­vo  tra­ten mitt­ler­wei­le zwei Minis­ter und der Geheim­dienst­chef des Lan­des zurück, Pre­mier­mi­nis­ter Gruev­ski schloss den von der Oppo­si­ti­on ver­lang­ten Rück­tritt bis­lang kate­go­risch aus.

Die Spe­ku­la­tio­nen über den Hin­ter­grund und Her­gang der Kämp­fe in Kuma­no­vo gehen ein­her mit wech­sel­sei­ti­gen Beschul­di­gun­gen, hin­ter der Eska­la­ti­on stün­den jeweils geo­po­li­ti­sche Inter­es­sen der USA oder Russ­lands. Russ­land warf dem Wes­ten vor, in Maze­do­ni­en eine „bun­te Revo­lu­ti­on“ zu insze­nie­ren. Der Kon­text des sich ent­wi­ckeln­den neu­en kal­ten Krie­ges gibt Befürch­tun­gen Anlass, dass sich die Sicher­heits­la­ge in der Regi­on – und damit auch in den ande­ren angeb­lich „siche­ren Her­kunfts­staa­ten“ Ser­bi­en und Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na – noch mas­siv ver­schlech­tern könnte.

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