20.11.2023
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Die Duldung von Ahmad F. mit der handschriftlichen Arbeitserlaubnis durch die Ausländerbehörde.

Ahmad F.* floh 2018 aus dem Iran nach Deutschland und versucht seither zu arbeiten. Trotz Arbeits- und Ausbildungsangeboten verwehrte ihm die Ausländerbehörde lange die Arbeitsaufnahme wegen angeblich fehlender Mitwirkung bei der Identitätsklärung. Ein Gespräch über Arbeitsverbote, Benachteiligungen und über die Angst vor der iranischen Botschaft.

Sie muss­ten 2018 mit Ihrer Frau aus dem Iran nach Deutsch­land flie­hen. Trotz Ableh­nung Ihres Asyl­an­trags fan­den Sie ziem­lich schnell eine Arbeit. Wie ist Ihnen das gelungen? 

Ich woll­te unbe­dingt so schnell wie mög­lich arbei­ten. Im Iran war ich vor mei­ner Flucht zwölf Jah­re als Tisch­ler mit Spe­zia­li­sie­rung auf Schnit­ze­rei tätig. In dem Gebäu­de mei­nes Sprach­kur­ses gab es auch eine Schrei­ne­rei. Nach dem letz­ten Sprach­kurs bin ich dort hin­ge­gan­gen und habe ein­fach geklopft. Mein Deutsch war noch eine Kata­stro­phe [lacht]. Ich habe bei Goog­le Trans­la­te »Ich will arbei­ten« ein­ge­ge­ben und das dem Mann an der Tür gezeigt. Es hat geklappt: Ich habe einen zwei­mo­na­ti­gen Prak­ti­kums­platz erhalten.

Anschlie­ßend woll­te mich die Schrei­ne­rei sogar anstel­len. Damals hat­te ich eine Auf­ent­halts­ge­stat­tung, also kein grund­sätz­li­ches Arbeits­ver­bot. Aber nach zwei Mona­ten Bear­bei­tungs­zeit lehn­te die Aus­län­der­be­hör­de mei­nen Antrag auf Arbeits­auf­nah­me ab, weil das Gehalt zu nied­rig war.

Ich such­te wei­ter. Der Chef einer ande­ren Schrei­ne­rei war inter­es­siert, aber als er mei­ne Auf­ent­halts­ge­stat­tung sah, merk­te ich, dass ihn das ver­un­si­cher­te. Er rück­te mit dem Stuhl zurück und sag­te, dass er sich mit die­sen Papie­ren nicht auskenne.

Schließ­lich bekam ich ein Arbeits­an­ge­bot als Küchen­mon­teur in einem Möbel­haus. Mei­ne Spra­che war nicht gut, aber sie woll­ten mich, weil ich die pas­sen­den Qua­li­fi­ka­tio­nen hat­te. Was mich über­rasch­te: Die Aus­län­der­be­hör­de stimm­te zu, schon nach zwei Wochen. Freun­de hat­ten mir von mona­te­lan­gen War­te­zei­ten erzählt. Aber das war eine sehr net­te Frau – die ein­zig Net­te dort bei der Aus­län­der­be­hör­de, ganz ehrlich.

Das klingt nach einem Hap­py End. Aber es kam anders?

Zwei Jah­re konn­te ich dort arbei­ten. Dann geriet mein Arbeit­ge­ber in Schwie­rig­kei­ten und ich ver­lor mei­nen Job. Kur­ze Zeit spä­ter wur­de mein Asyl­an­trag end­gül­tig abge­lehnt und ich bekam eine Dul­dung. Ich hat­te gro­ße Angst vor einer Abschie­bung, aber ich gab nicht auf. Ich such­te wie­der per­sön­lich Schrei­ne­rei­en auf und fand eine, die mir einen Aus­bil­dungs­platz zusagte.

Bei der Aus­län­der­be­hör­de aber sag­te man mir, dass ich in den ers­ten sechs Mona­ten der Dul­dung ein Arbeits­ver­bot habe und des­we­gen auch kei­ne Aus­bil­dung machen darf. Ich war sehr ent­täuscht. Ich hat­te mir so viel Mühe gege­ben und hat­te ja die Mög­lich­keit, mein eige­nes Ein­kom­men zu verdienen.

Spä­ter erfuhr ich, dass das gar nicht stimm­te. Die Aus­län­der­be­hör­de hät­te mir damals eine Arbeits­er­laub­nis geben kön­nen. Die Regeln sind ein­fach so kom­pli­ziert, wie hät­te ich dar­auf kom­men kön­nen, dass die Behör­den­mit­ar­bei­ter fal­sche Aus­künf­te geben? Spä­ter kam noch hin­zu, dass die Aus­län­der­be­hör­de mir vor­warf, dass ich angeb­lich bei der Pass­be­schaf­fung nicht mit­wir­ken und dadurch mei­ne Abschie­bung ver­hin­dern wür­de. Sie sag­ten, ich darf erst wie­der arbei­ten, wenn ich einen ira­ni­schen Pass vorlege.

»Die Regeln sind ein­fach so kom­pli­ziert, wie hät­te ich dar­auf kom­men kön­nen, dass die Behör­den­mit­ar­bei­ter fal­sche Aus­künf­te geben?«

Ahmad F.

Was sagen Sie zu dem Vor­wurf, dass Sie sich nicht genü­gend um einen ira­ni­schen Pass bemüht hätten? 

Ich habe mich bemüht, einen Pass zu bekom­men. Es ist aber schwie­rig, die dafür not­wen­di­gen Doku­men­te zu beschaf­fen. Als Mann muss man für die Pass­aus­stel­lung eine Befrei­ung vom Wehr­dienst vor­le­gen – oder eine Wehr­dienst­kar­te, die einen bereits abge­leis­te­ten Mili­tär­dienst beweist. Ich hat­te so eine Kar­te, muss­te sie aber bei mei­ner Asyl­an­trags­stel­lung beim BAMF [Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge] abge­ben. Ich habe ver­sucht, die Kar­te wie­der­zu­be­kom­men. Das BAMF sag­te, dass es das Doku­ment der Aus­län­der­be­hör­de geschickt habe, die Aus­län­der­be­hör­de sag­te, dass sie es nicht erhal­ten haben. Ich glau­be, sie ist bei den deut­schen Behör­den ver­lo­ren gegangen.

Mir blieb des­we­gen nur, mei­nen im Iran leben­den Vater zu bit­ten, die Kar­te dort für mich neu zu bean­tra­gen. Dafür brauch­te er eine Voll­macht von mir, für die ich beim ira­ni­schen Kon­su­lat vor­spre­chen musste.

Wie fühl­te es sich für Sie an, beim ira­ni­schen Kon­su­lat um etwas bit­ten zu müssen?

Dort­hin zu gehen, mach­te mir gro­ße Angst. Es war zu einer Zeit, in der ich nach dem Tod Jina Mah­sa Ami­nis oft an den regime­kri­ti­schen Demons­tra­tio­nen vor genau die­sem Kon­su­lat teil­nahm – mit mei­nem unver­deck­ten Gesicht. Ich hat­te Sor­ge, dass die Mit­ar­bei­ter mich durch Fotos und Vide­os von den Demos wie­der­erken­nen und über mei­ne regime­kri­ti­schen Akti­vi­tä­ten Bescheid wis­sen. Als der Tag gekom­men war, teil­te ich Freun­den die Uhr­zeit mit, zu der ich die Bot­schaft betrat. Ich sag­te ihnen: Ihr müsst etwas tun, wenn ihr län­ger als zwei Stun­den nichts von mir hört.

In der Bot­schaft wur­de ich sehr unan­ge­nehm behan­delt. Sie löcher­ten mich mit Fra­gen zu mei­nem Wohn­ort, wo und über wel­chen Weg ich nach Deutsch­land kam und vie­les wei­te­re. Das möch­te ich nicht alles erzählen.

Wie ist Ihre jet­zi­ge Situation?

Mit der Hil­fe von PRO ASYL und einer Anwäl­tin habe ich seit kur­zem end­lich eine Arbeits­er­laub­nis. Ins­ge­samt sind andert­halb Jah­re ver­gan­gen, in denen ich nicht arbei­ten durf­te. Lei­der hat die Sach­be­ar­bei­te­rin der Aus­län­der­be­hör­de die Arbeits­er­laub­nis nur hand­schrift­lich auf mei­ne Dul­dung notiert. Ich habe sie gebe­ten, mir ein neu­es Doku­ment aus­zu­dru­cken, aber sie lehn­te das ab, weil das Geld koste.

Kön­nen Sie sich vor­stel­len, was Arbeit­ge­ber von mir den­ken, wenn ich ihnen die­ses Papier zei­ge? Sie gehen direkt auf Distanz. Sie fra­gen sich wahr­schein­lich, ob ich die Notiz selbst auf das Papier geschrie­ben habe. Es ist schwie­rig für mich, damit eine Arbeit zu bekom­men. Die Arbeit­ge­ber müs­sen auch oft zu lan­ge auf die Bear­bei­tung bei den Aus­län­der­be­hör­den war­ten. Das schreckt ab. Eine Stel­len­zu­sa­ge hat­te ich nur auf­grund der War­te­zeit bei mei­ner Aus­län­der­be­hör­de wie­der verloren.

Was wür­den Sie Politiker*innen raten, was es braucht, damit Geflüch­te­te schnel­ler in Arbeit kommen?

Es braucht Ver­fah­ren, die der tat­säch­li­chen Lebens­si­tua­ti­on der Men­schen gerecht wer­den und weni­ger büro­kra­tisch sind. War­um muss so viel Zeit ver­ge­hen, bis Men­schen wie ich arbei­ten kön­nen? Es gibt doch Fach­kräf­te­man­gel. Ich habe schon viel Arbeit gefun­den, aber sie sel­ten bekommen.

PRO ASYL unter­stützt Ahmad F. wei­ter­hin bei sei­nem Weg zu einem siche­ren Auf­ent­halt und betei­ligt sich an den Anwalts­kos­ten. Lei­der kann er nicht vom Chan­cen­auf­ent­halts­recht pro­fi­tie­ren, da er vier Mona­te nach dem Stich­tag ein­reis­te. Sei­ne Anwäl­tin konn­te mitt­ler­wei­le errei­chen, dass das Arbeits­ver­bot auf­ge­ho­ben wur­de und Ahmad F. ist wie­der auf Arbeits­su­che. Wenn er in Arbeit ist, wer­den PRO ASYL und sei­ne Anwäl­tin ihn dabei unter­stüt­zen, ein Blei­be­recht auf­grund nach­hal­ti­ger Inte­gra­ti­on nach § 25b Auf­ent­halts­ge­setz zu bean­tra­gen – um damit end­lich ein Leben in Sicher­heit zu füh­ren, ohne Angst vor Abschie­bung in den Iran.

*Name geän­dert

fw, jb