20.01.2012
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Wachturm in der Ukraine

Seit dem 6. Januar befinden sich 58 somalische Flüchtlinge im Hungerstreik, um gegen ihre Inhaftierung im Haftlager in Lutsk in der Westukraine zu protestieren.

Wei­te­re Flücht­lin­ge in einem ande­ren Haft­la­ger in Cher­ni­giv befin­den sich eben­falls im Hun­ger­streik. Mehr als 20 der pro­tes­tie­ren­den Flücht­lin­ge sind min­der­jäh­rig. Die Lage der Flücht­lin­ge ist ver­zwei­felt: Sie waren gezwun­gen, Soma­lia zu ver­las­sen, um den bewaff­ne­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu ent­flie­hen. Nun sit­zen sie in der Ukrai­ne fest, wo sie weder Flücht­lings­schutz erhal­ten noch ihre Men­schen­rech­te beach­tet wer­den. Statt­des­sen wer­den sie 12 Mona­te lang ohne jede Per­spek­ti­ve inhaf­tiert. Die soma­li­schen Flücht­lin­ge bekla­gen sich außer­dem dar­über, dass sie kei­nen Zugang zu einer ärzt­li­chen Ver­sor­gung haben. Zudem sei­en sie Opfer von poli­zei­li­chen Übergriffen.

Vie­le der in der Ukrai­ne inhaf­tier­ten Flücht­lin­ge sind nicht das ers­te Mal im ukrai­ni­schen Gefäng­nis. Wann immer sie bei dem Ver­such, die Ukrai­ne Rich­tung EU zu ver­las­sen, von der Poli­zei auf­ge­grif­fen wer­den, wer­den sie erneut inhaf­tiert. Obwohl die Betrof­fe­nen eigent­lich das Land ver­las­sen wol­len, wer­den sie unter dem Vor­wand fest­ge­setzt, sie wür­den sich „ille­gal“ in der Ukrai­ne auf­hal­ten. Die anschlie­ßen­den Haft gilt offi­zi­ell als Abschie­bungs­haft. Aller­dings wer­den Abschie­bun­gen – z.B.  nach Soma­lia – von ukrai­ni­schen Behör­den gar nicht voll­zo­gen. Mit men­schen­recht­li­chen Maß­stä­ben ist eine sol­che Inhaf­tie­rungs­pra­xis nicht ver­ein­bar, da recht­lich gese­hen kein legi­ti­mer Haft­grund vorliegt. 

Der Grund für die exzes­si­ve Inhaf­tie­rungs­pra­xis der Ukrai­ne ist eigent­lich ein ande­rer als die der Been­di­gung des „ille­ga­len“ Auf­ent­halts. Als Tür­ste­her der Euro­päi­schen Uni­on sorgt die Ukrai­ne dafür, dass Flücht­lin­gen nicht in die EU wei­ter­rei­sen. Ihnen wird damit de fac­to der Zugang zu euro­päi­schen Staa­ten ver­wehrt, wo sie ein Asyl­ver­fah­ren und inter­na­tio­na­len Schutz tat­säch­lich erhal­ten könnten. 

PRO ASYL sieht in dem Hun­ger­streik der betrof­fe­nen Flücht­lin­ge einen dra­ma­ti­schen Appell an die ukrai­ni­schen Behör­den und die Euro­päi­sche Uni­on: Die soma­li­schen Flücht­lin­ge müs­sen umge­hend aus der Haft ent­las­sen wer­den! Die EU-Staa­ten dür­fen nicht län­ger den Zugang für Asyl­su­chen­den zu ihren Ter­ri­to­ri­en ver­wei­gern! Die Poli­tik der Aus­la­ge­rung der Flucht­ver­hin­de­rung an Tran­sit­staa­ten ist mit dem Geist der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on nicht zu vereinbaren.

Aktu­el­le Infor­ma­tio­nen zum Hun­ger­streik: Bor­der­mo­ni­to­ring­pro­ject Ukraine

Hin­weis: Menschenrechtsaktivist/innen haben eine Fax- und Email­kam­pa­gne für die Frei­las­sung der Flücht­lin­ge gestar­tet. Sie rich­tet sich an die ukrai­ni­schen Behör­den. Infor­ma­tio­nen fin­den sie hier: http://bordermonitoring-ukraine.eu/storage/faxemail-campaign/

Update: Der Hun­ger­streik der soma­li­schen Flücht­lin­ge in der Ukrai­ne hat die Euro­pa-Abge­ord­ne­te Rebec­ca Harms dazu bewegt, den ukrai­ni­schen Innen­mi­nis­ter auf­zu­for­dern, den Flücht­lin­gen end­lich Schutz zu bie­ten anstatt sie mona­te­lang zu inhaf­tie­ren. Ihr Schrei­ben fin­det sich hier.

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